GASTBEITRAG

Aktiven Fondsmanagern steht goldenes Zeitalter bevor

Börsen-Zeitung, 23.4.2015 Es ist ein heute allgegenwärtiges Phänomen: In verschiedensten Branchen brechen neue Technologien traditionelle Geschäftsmodelle auf. Die englische Bezeichnung dafür lautet treffend "disruptive innovations". Die Folge: Wo...

Aktiven Fondsmanagern steht goldenes Zeitalter bevor

Es ist ein heute allgegenwärtiges Phänomen: In verschiedensten Branchen brechen neue Technologien traditionelle Geschäftsmodelle auf. Die englische Bezeichnung dafür lautet treffend “disruptive innovations”. Die Folge: Wo zuvor Marktanteile klar verteilt waren, wechseln die Kunden in Scharen die Seiten. Die aufschreckende Wirkung der Taxi-App Uber auf die Taxibranche ist nur eines der jüngsten Beispiele.In der Fondsbranche ist das Thema nicht neu: Schon seit längerem erfreuen sich passiv verwaltete Produkte einer wachsende Beliebtheit. Derzeit machen sie rund 17 % des weltweiten Aktienfondsvermögens aus – gegenüber 10 % vor zehn Jahren. Auf den ersten Blick kein dramatischer Anstieg. Doch beim Anlegerverhalten mahlen die Mühlen zu recht langsam, aber dafür umso nachhaltiger.In den USA ist das Bild noch eindeutiger. Und dort hat sich im vergangenen Jahr sogar Warren Buffett, Meister der aktiven Aktienauswahl, kostengünstigen passiven Indexfonds (ETF) zugewandt. Rückt das Ende des aktiven Managements damit unaufhaltsam näher? Keineswegs. Denn tatsächlich steht wirklich aktiven Managern ein goldenes Zeitalter bevor. Positive AuswirkungenDer ETF-Trend hat für aktive Manager überraschenderweise positive Auswirkungen. Erstens deckt der indexnahe passive Ansatz die Schwächen einer festgefahrenen Branche auf – wie Uber in der Taxibranche. Vielen Fondsmanagern hat die Bezeichnung “aktiv” lange Zeit als Rechtfertigung für hohe Gebühren bei schlichter Nachbildung eines Index gedient. Es sind vor allem diese “verkappten Indexfonds”, die nun zunehmend unter Druck geraten. Echten aktiven Managern, die ihre Überzeugungen umsetzen und sich an keiner Benchmark orientieren, bietet sich dadurch die Gelegenheit, sich von der Masse abzuheben.Zweitens haben sich die Chancen für diese wirklich aktiven Strategien nun erheblich verbessert. Denn wenn mehr Kapital in passive Produkte fließt, steigen die Marktineffizienzen, die aktive Manager identifizieren und ausnutzen können. Ungewöhnliches UmfeldAber was ist mit den Statistiken, denen zufolge der durchschnittliche aktive Manager in den letzten Jahren hinter den Benchmarks zurückgeblieben ist? Es stimmt, die Underperformance ist in zahlreichen Fällen sogar frappierend. Doch diese Statistiken verraten uns nichts über die Zukunft. In den vergangenen Jahren war das Anlageumfeld ungewöhnlich. Seit 2008 werden die Wertpapierkurse vor allem durch die Notenbankpolitik beeinflusst. Die beispiellose Zinssenkung auf breiter Front sowie der Anstieg der globalen Liquidität durch die quantitative Lockerung haben die Renditen von Anleihen verringert und die Aktienbewertungen auf breiter Front nach oben getrieben. Ökonomische KulisseDa überrascht es nicht, dass es aktiven Managern schwergefallen ist, die Indizes zu schlagen. Nur 21,5 % der Aktienfonds gelang es in den vergangenen drei Jahren, den S & P 500 zu übertreffen. Vor zehn Jahren sah das Bild noch anders aus: Mehr als die Hälfte der US-amerikanischen Aktienfonds lag damals über dem Index. Daher ist zu berücksichtigen, dass sich die makroökonomische Kulisse seit Beginn dieses Jahres grundlegend ändert.Die Fed wird voraussichtlich ein halbes Jahrzehnt der Nullzinspolitik abschließen. Da rund die Hälfte der weltweiten Finanztransaktionen in Dollar abgewickelt wird, dürfte dieser geldpolitische Wandel global Wellen schlagen.Die Bank of Japan und die Europäische Zentralbank steuern hingegen auf entgegengesetztem Kurs. Beide weiten ihre Bilanzen auch weiter aus und schließen Zinserhöhungen in naher Zukunft aus. China geht mit der Globalisierung des Renminbi derweil seine eigenen Wege. Folgen für RenditenAlles in allem werden sich diese Entwicklungen erheblich auf die Renditen der Anlageklassen auswirken. Die auf hohem Bewertungsniveau gehandelten US-Aktien werden nicht länger von einer Liquiditätsschwemme beflügelt. Daher dürften die Indexrenditen ihre jüngste Performance kaum fortsetzen können.Stattdessen eröffnen sich Perspektiven für – aktive – Stock Picker. An den Anleihemärkten sind die Renditen nach Jahren einer extrem lockeren Geldpolitik allgemein geschrumpft. Flexible aktive Vermögensverwalter sind jedoch in der Lage, Renditen in unterrepräsentierten oder von passiven Produkten nicht beachteten Segmenten aufzuspüren, und können in ganz anderem Umfang als Fonds, die nur einen Index nachbilden, das Risiko der Zins- und Renditekurve minimieren.In Schwellenländern kann aktives Management seine Stärken noch besser ausspielen. Hier hat der Anteil passiv verwalteter Produkte mit 44 % des Gesamtvermögens im Jahr 2014 – gegenüber 13 % im Jahr 2003 – noch stärker zugenommen als in den Industrieländern.Häufig werden die Schwellenländer als einheitliche Anlageklasse betrachtet. Doch die BRICS-Staaten gehen längst nicht mehr im Gleichschritt, von den vielen in den Medien weniger prominenten Volkswirtschaften ganz abgesehen. Und innerhalb der Länder variiert die Performance von Sektoren und Unternehmen noch stärker. Keine passive Strategie, die sich auf Indexgewichtungen stützt, kann dieser Vielfalt gerecht werden. Gestiegene UnsicherheitHinzu kommt die gestiegene geopolitische Unsicherheit. Starre Gewichtungen machen die meisten Indexprodukte anfällig für Änderungen der Marktdynamik und makroökonomische Schocks. Ein Beispiel ist der Ölpreiseinbruch Ende 2014. Passive Produkte hatten aufgrund ihres festen – und in vielen Fällen zu hohen – Engagements in diesem Sektor am stärksten unter den Verlusten des Ausverkaufs bei Energieaktien zu leiden. Auch ETF für Anleihen geringer Bonität haben seit Ende August 2014 fast doppelt so hohe Verluste verzeichnet wie der breitere Index. Ein wichtiger Grund war die höhere Gewichtung in Energieunternehmen. Strukturell bessere ChancenEine Reihe von Faktoren spricht also dafür, dass sich die Chancen aktiver Strategien gegenüber passiven Produkten in der kommenden Zeit strukturell verbessern werden. Das sollte auch die institutionellen Investoren aufhorchen lassen, die angesichts des demografischen Wandels vor besonderen Herausforderungen stehen. Eine steigende Nachfrage nach privater Vorsorge ist zu erwarten – und das nicht mehr nur in den Industrieländern. Um die entstehenden Ansprüche in Zukunft zu erfüllen, müssen Kapitalanlagen höhere Renditen erzielen. Aktive Strategien bieten dafür die besten Voraussetzungen.Die meisten wirklich aktiven Manager haben keinen Grund, sich über ihr angebliches Ableben Sorgen zu machen. Stattdessen stecken sie ihre ganze Energie in ihre Kernaufgabe: Marktineffizienzen zu erkennen und echten Mehrwert für ihre Kunden zu erwirtschaften.—-Alexander Friedman, Chief Executive Officer GAM Holding