Bankenstabilität

Sewing sieht systemisches Risiko als äußerst gering an

Bankenpräsident Christian Sewing hält die europäischen Banken für strenger überwacht als die Institute in den USA. Dafür hat er gute Gründe.

Sewing sieht systemisches Risiko als äußerst gering an

Sewing gibt Entwarnung bei Bankrisiken

“Finanzindustrie deutlich robuster und widerstandsfähiger”

Die vergangenen Wochen seien eine “Bewährungsprobe” gewesen, sagte Bankenpräsident Christian Sewing – “aber wir haben sie gut bestanden”. Deutschlands Banken bezeichnete er als robust. Die EU-Regulierung habe sich bewährt.

wf Berlin

Nach den Turbulenzen an den Finanzmärkten schätzt Bankenpräsident Christian Sewing das Risiko einer neuen systemischen Bankenkrise als „äußerst gering“ ein. „Die Finanzindustrie ist deutlich robuster und widerstandsfähiger als zur Zeit der Weltfinanzkrise vor 15 Jahren“, sagte der Deutsche-Bank-Chef und höchste Repräsentant des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) vor der Presse in Berlin. Die Probleme der Silicon Valley Bank und anderer US-Regionalbanken ließen sich nicht auf den europäischen Bankensektor übertragen, konstatierte er. Die Credit Suisse sei Opfer einer Sondersituation geworden.

Sewing nannte vier Kriterien für ein stabiles Bankensystem: eine starke Kapitalbasis, gesicherte Liquidität, eine stabile Einlagenbasis sowie ein funktionierendes Geschäftsmodell. Die Regulierungsbehörden hätten bezüglich des Eigenkapitals auf beiden Seiten des Atlantiks gut gearbeitet. Das Eigenkapital sei nicht nur in absoluten Zahlen gestiegen, auch die Definition zur Anerkennung von Eigenkapital sei verschärft worden, erinnerte der Bankenpräsident. „Die überwiegende Mehrheit der nach 2008 erlassenen Vorschriften war genau richtig“, unterstrich Sewing.

Gut kapitalisiert

Die Schwachstelle in der Regulierung der Liquidität wie bei der Silcon Valley Bank sei ein spezifisches Thema der US-Regulierung. Für kleinere Banken gälten in den Vereinigten Staaten bei der Liquiditätsdeckungsquote weniger strenge Vorschriften als für US-Großbanken. Bei der Einlagenbasis seien die meisten europäischen Banken weitaus stärker diversifiziert als die Silicon Valley Bank mit einer sehr homogenen Kundengruppe, von der 90% mehr als 250.000 Dollar eingelegt hatten.

Optimistisch zeigte sich Sewing auch mit Blick auf die Geschäftsmodelle in Europa. „In den Jahren seit 2020, die von verschiedenen Krisen geprägt waren, haben wir gesehen, dass die europäischen Banken durchweg Gewinne erwirtschaftet haben, was ein Beleg für Stabilität und Widerstandsfähigkeit ist“, sagte der Bankenpräsident. Die Tragfähigkeit eines Geschäftsmodells sei überdies Voraussetzung für das so wichtige Vertrauen der Kunden – und gerade in einem nervösen Marktumfeld werde es zu einem Problem, wenn dieses Vertrauen nicht gegeben sei.

Europas Banken sind nach den Worten Sewings heute sehr gut mit Eigenkapital und Liquidität ausgestattet. Die tatsächlichen Kapitalquoten der Institute lägen im Schnitt deutlich über den Vorgaben. Die durchschnittliche Quote des Kernkapitals nannte er mit gegenwärtig knapp 15%, die Leverage Ratio mit 5% im europäischen Durchschnitt. Auch bei der Liquiditätsdeckungsquote stünden Europas Banken im Schnitt deutlich robuster da als amerikanische Institute. Die Aufseher nutzten mit regelmäßigen Prüfungen und Stresstests ihre Instrumente, um Risiken frühzeitig zu erkennen. Zugleich erinnerte der Bankenpräsident daran, dass die Umsetzung von Basel III auf einen signifikant höheren Kapitalbedarf der europäischen Banken hinauslaufe. Mit Blick auf den anstehenden Trilog von EU-Parlament, Ministerrat und EU-Kommission in Brüssel erinnerte Sewing daran, dass lediglich den real existierenden Finanzierungsbedingungen in Europa Rechnung getragen werden dürfe. Unternehmen dürften nicht mit Zinsaufschlägen bestraft werden, weil sie kein externes Rating besäßen.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen

Für eine stärkere europäische Harmonisierung und eine konsistente Regulierung in der Europäischen Union macht sich Sewing bei zusätzlichen Kapitalvorgaben stark. Der Verband stellt infrage, ob es zusätzlich zu den von der Europäischen Zentralbank festgelegten Kapitalpuffern noch unterschiedliche nationale Puffer geben sollte. Der Bankenpräsident erneuerte eine alte Forderung nach einem Level-Playing-Field. Nichtbanken könnten vergleichbare Dienstleistungen ohne Regulierung anbieten. Vergleichbare Sachverhalte sollten auch vergleichbaren Vorschriften unterliegen, forderte Sewing.

Vorbehalte gegen die EU-Pläne

Vorauseilenden Widerspruch gab Sewing gegen die Pläne der EU-Kommission zum Bankenpaket zu Protokoll. Den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Paradigmenwechsel lehne der Verband ab. Danach würde die Abwicklung zum Standardinstrument in der Krisenbewältigung von Banken. „Das ginge zulasten unserer gut funktionierenden nationalen Einlagensicherungssysteme“, unterstrich Sewing. Diese hätten in den vergangenen Jahren gut ihre Verlässlichkeit bewiesen und genössen hohes Vertrauen.

Mit Blick auf den Sparerschutz erneuerte Sewing seine Unterstützung für eine europäische Lösung: „Konsequent wäre eine europäische Einlagensicherung, die jedoch bekanntermaßen politisch schwer durchsetzbar ist.“ In gleichem Zusammenhang erinnerte der Bankenpräsident daran, dass Europas Banken bis zum kommenden Jahr in den EU-Bankenabwicklungsfonds rund 80 Mrd. Euro eingezahlt haben werden, also deutlich mehr als die ursprünglich geplanten 55 Mrd. Euro.