Europas Versicherer brauchen Milliarden an neuem Kapital

Wenn Bestandsschutz für alte Instrumente ausläuft, müssen frische AT1-Mittel her - Moody's taxiert Lücke auf 11 bis 29 Mrd. Euro

Europas Versicherer brauchen Milliarden an neuem Kapital

tl Frankfurt – Einige europäische Versicherer müssen bis 2026 in größerem Umfang nachrangige Anleihen emittieren. Auf 11 Mrd. bis 29 Mrd. Euro schätzt die Ratingagentur Moody’s die Ausgabe von Anleihen der Kategorie Restricted Tier 1 (RT1), sofern Versicherer ihre Solvenzquoten halten wollen. Die Papiere sollen Schuldverschreibungen ersetzen, die nach dem Regelwerk Solvency II noch bis 2026 Bestandsschutz haben.Die meisten Versicherer würden allerdings Instrumente bevorzugen, die in der Kaskade weiter hinten stehen, also Tier-2- und in geringerem Ausmaß Tier-3-Papiere. Diese Papiere seien günstiger als RT1-Anleihen, schreibt die Ratingagentur in einem Sektorkommentar. Einige Unternehmen hätten aber ihre Höchstgrenzen für Tier-2- und Tier-3-Anleihen unter Solvency II schon ausgeschöpft oder hätten kaum noch Spielraum. Den größten potenziellen Bedarf bei den von ihr beurteilten Versicherern macht die Ratingagentur bei NN Group, Aegon, Ageas, Axa, British United Provident Association (Bupa) und Scottish Widows aus. Keinen Bedarf haben danach unter anderem der Kreditversicherer Coface und die deutschen Branchenriesen Allianz und Munich Re.Ob RT1-Emissionen tatsächlich getätigt werden, hänge aber von der Lage der jeweiligen Gesellschaft ab, schreibt Moody’s. So sei bei Aviva seit 2016 wieder Kapazität für Tier 2 frei geworden, weil der Konzern Kapital auf- und Schulden abgebaut habe. Beim französischen Konzern Axa dürften die Akquisition der XL Group und der Börsengang der Axa Equitable Holdings den Emissionsbedarf, den Moody’s per Ende 2018 auf etwa 4,6 Mrd. Euro geschätzt hat, geändert haben. Außerdem habe der Versicherer angekündigt, er werde Schulden zurückzahlen und die Schuldenquote senken, was den Bedarf an RT1 reduziere. Kosten gesunkenEnde 2018 lag das Tier-1-Volumen der von Moody’s bewerteten europäischen Versicherer bei rund 31,4 Mrd. Euro. Davon fielen 28,8 Mrd. Euro vorerst unter den Bestandsschutz, weil sie vor Einführung von Solvency II im Jahr 2016 ausgegeben wurden. Wenn das aktuelle Solvenzniveau erhalten bleiben soll, müssen sie ersetzt werden, entweder durch die Gewinnthesaurierung oder aber durch die Ausgabe von Tier-2-, Tier-3- oder RT1-Anleihen. Emittenten können aber nur bis zu 50 % der Solvenzanforderungen durch Tier-2- und Tier-3-Instrumente erfüllen. Sie gelten zwar als günstiger als RT1-Anleihen. Allerdings seien auch die Kosten von RT1-Instrumenten durch die niedrigen Zinsen gefallen, schreibt Moody’s.Das Emissionsvolumen von RT1- Anleihen beziffert die Schweizer Fondsgesellschaft GAM in einem Leitfaden vom Dezember 2018 auf weniger als 4 Mrd. Dollar, bei einem Gesamtwert von 150 Mrd. Dollar bei nachrangigen Anleihen von Versicherungsunternehmen per 25. November 2018. Von Moody’s bewertete Versicherer haben seit 2017 erst RT1-Anleihen im Wert von 3,1 Mrd. Euro auf den Markt gebracht, davon 0,5 Mrd. Euro im laufenden Jahr. Zu den Emittenten gehören etwa Aegon mit 500 Mill. Euro im April 2019, Scor mit 625 Mill. Euro im März 2018 und Direct Line mit 350 Mill. Pfund im Dezember 2017. Alle hätten seit 2016 ihren Bedarf an RT1 reduzieren können, heißt es in dem Bericht.Auf Basis der zum Ende des Vorjahres bestehenden Kapitalstruktur müssten die Unternehmen mindestens Instrumente über weitere 11 Mrd. Euro emittieren, um das bestehende Solvenzniveau zu halten (siehe rote Balken in der Grafik). Dies gelte unter der Annahme, dass die Differenz mit Tier-2- und Tier-3-Instrumenten abgedeckt wird.Moody’s rechnet damit, dass einige Versicherer bestehende Tier-2-Anleihen durch RT1-Instrumente ersetzen werden. Dadurch behielten die Unternehmen auch in Stressphasen Flexibilität. Denn dann hätten sie noch Spielraum für Tier-2-Emissionen, während RT1-Anleihen gerade in einer Krise sehr teuer wären. Teil des KernkapitalsRT1-Instrumente sind nachrangige Anleihen, die von Versicherungsgesellschaften begeben werden und nach Solvency II als Kernkapital gelten. Voraussetzung für die Einstufung als Tier-1-Kapital ist laut GAM-Leitfaden unter anderem, dass die Instrumente keine Laufzeitbegrenzung haben, für mindestens fünf Jahre kein Gläubigerkündigungsrecht besteht und ein Auslöseereignis für die Kapitalabschreibung oder Umwandlung in Aktien vertraglich vereinbart wird.Als Risiken von RT1-Instrumenten für Anleger gelten der Verlust der Kapitalanlage, nämlich durch Abschreibung oder Umwandlung, sowie Kuponausfall bei Verstoß gegen die Solvenzanforderungen und Laufzeitverlängerungen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.