GASTBEITRAG

Fragmentierung behindert Transparenz am Derivatemarkt

Börsen-Zeitung, 7.8.2014 Die Rolle der Marktinfrastruktur bei der Unterstützung der Reformen des globalen Finanzmarktes ist wichtiger denn je. Ohne internationale Zusammenarbeit besteht die Gefahr, dass diese Reformen nicht zu der Transparenz...

Fragmentierung behindert Transparenz am Derivatemarkt

Die Rolle der Marktinfrastruktur bei der Unterstützung der Reformen des globalen Finanzmarktes ist wichtiger denn je. Ohne internationale Zusammenarbeit besteht die Gefahr, dass diese Reformen nicht zu der Transparenz führen, die für die Identifizierung und das Management künftiger Risiken erforderlich ist. Vor fünf Jahren in PittsburghVor fünf Jahren trafen sich die G 20 in Pittsburgh, um einen neuen Rahmen für die Reform der globalen Finanzmärkte zu setzen. Es wurde beschlossen, die Integrität des globalen Finanzsystems über die verstärkte Transparenz der Derivatemärkte zu verbessern. Auf diesen Beschluss folgte eine Reihe von Reformen in den Vereinigten Staaten, in Europa und in den bedeutenden Ländern des asiatisch-pazifischen Raums.Diese Reformen stützen sich im Wesentlichen auf drei Säulen, die alle die Verbesserung der Stabilität der Derivatemärkte zum Ziel haben: Handel aller standardisierten Derivate über regulierte Handelsplattformen, zentrales Clearing und Meldung an ein Transaktionsregister. Die Rolle der Marktinfrastruktur bei der Umsetzung dieser Reformen ist in diesen Zusammenhang von grundlegender Bedeutung.Während Handels- und Clearing-Vorschriften in allen wichtigen Derivatemärkten noch vollständig implementiert werden müssen, bestehen in Europa, den Vereinigten Staaten und in mehreren asiatischen Ländern bereits die gesetzlichen Grundlagen für die Meldepflicht für Derivate. Eine Vielzahl von Transaktionsregistern aggregiert schon heute riesige Datenmengen über Derivate-Transaktionen.Politische Entscheidungsträger und Regulierungsstellen verdienen Anerkennung für die Arbeit der vergangenen fünf Jahre, die Mobilisierung von Ressourcen, die Verabschiedung von Gesetzesvorschriften und die Verfassung ausführlicher Vorschriften in einer relativ kurzen Zeit. Heute haben Regulierungsstellen Zugriff auf weit mehr Transaktionsdaten als je zuvor. Das sollte viel zur Verhinderung einer Marktpanik beitragen, wie wir sie bei der Krise von 2008 erlebten. Die Regulierer haben auch ein makroprudenzielles Instrumentarium entwickelt, das sie in die Lage versetzt, Puffer gegen Marktschocks in Form von strengeren Kapital- und Liquiditätsanforderungen zu schaffen.Ungeachtet der erfassten Datenmenge sind nach wie vor bedeutende Hürden aus dem Weg zu räumen, ehe Regulierungsstellen in der Lage sein werden, diese Daten zu Informationen zu verarbeiten, die ihnen bei der Identifizierung und Begrenzung der Systemrisiken helfen. Diese Hürden sind sowohl struktureller als auch rechtlicher Art.Die erste Hürde für die Transparenz ist die Existenz divergierender Meldeanforderungen. Der derzeitige Ordnungsrahmen entwickelte sich im lokalen Kontext und ignoriert die Grenzenlosigkeit der OTC-Derivatemärkte. Es besteht die Gefahr eines Regulierungsumfelds, das von sich überschneidenden oder repetitiven Vorschriften oder Unterlassungen bei der Datenmeldung geprägt ist. Eine weitere Folge sind höhere Compliance-Kosten und Schwierigkeiten bei der Befolgung grenzüberschreitender Meldevorschriften durch die Marktteilnehmer mit Hilfe von einheitlichen Lösungen.Die zweite Hürde für die Transparenz ist das Fehlen international vereinbarter Standards. Obwohl sich Transaktionsmeldungen seit Beginn der globalen Finanzkrise zu einem der wichtigsten Instrumente für das Risikomanagement entwickelt haben, das den Regulierungsstellen zur Verfügung steht, sind globale Standards für die Meldung unerlässlich, um das volle Potenzial dieser Infrastrukturen zu realisieren. Nur so werden politische Entscheidungsträger und Marktteilnehmer in der Lage sein, die ihnen zur Verfügung stehenden Daten einfach zu aggregieren und auszuwerten. Rechtliche HürdenZu guter Letzt sind die rechtlichen Hürden zu nennen, die der Transparenz im Wege stehen, so unter anderem die Datenschutzgesetze und Freistellungsklauseln einiger Länder. Der US-Dodd-Frank-Act beinhaltet zum Beispiel eine Freistellungsklausel, welche Regulierungsstellen außerhalb der USA de facto den Zugriff auf Daten von US-Transaktionsregistern verunmöglicht. Wenn sich zum Beispiel europäische Regulierungsstellen kein vollständiges Bild von den grenzüberschreitenden Engagements europäischer Banken machen können, sind sie angesichts der globalen Dimension der Derivatemärkte nur schwer in der Lage, mögliche Risiken zu verstehen, zu identifizieren und zu begrenzen. Die Ausräumung rechtlicher Hürden würde den Bestrebungen zur Verbesserung der Transparenz einen starken Impuls geben. Wir befinden uns in einer wichtigen Phase, in der die Regulierungsstellen sich mit der Herausforderung konfrontiert sehen, die Derivatedaten zu aggregieren und zu aussagekräftigen Informationen zu verarbeiten. Daten-Aggregierung nötigDamit diese Daten für die Regulierungsstellen von Nutzen sind, müssen sie rechtzeitig, richtig und auf globaler Basis aggregiert werde. Letzteres ist von größter Bedeutung: Derivatemärkte gehören zu den global am stärksten vernetzten Märkten und sind anfällig für Kettenreaktionen. Die wirksame Überwachung dieser Ketten ist somit für die finanzielle Stabilität von entscheidender Bedeutung.Die größte Herausforderung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit besteht darin, die nationalen regulatorischen Interessen unter einen Hut zu bringen mit der erforderlichen Überwachung der Risiken auf dem ganzen globalen Markt. Nationale Regulierungsstellen sind verantwortlich für den Schutz der Investoren und Märkte in ihrem Hoheitsgebiet, dürfen dabei aber auch nie vergessen, dass sie in einem globalen Rahmen agieren.Dem Financial Stability Board, der die Bemühungen in Sachen Datenaggregation anführt, kommt in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle zu. Nach Ansicht des Clearinghauses Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) muss der Prozess damit beginnen, die zur Erfüllung der G 20-Transparenzvorgaben erforderlichen Daten zu identifizieren, die bereits bestehenden Regulierungsabkommen über den Datenaustausch zwischen den Regulierungsstellen zu verstehen und alle Datenschutzfragen zu klären und letztlich die Datenaggregation zu implementieren, bei der Infrastrukturen wie DTCC eine aktive Rolle spielen können.Die Einführung der Meldevorschrift für Transaktionen war ein erster wichtiger Schritt hin zur Transparenz. Es wird aber immer klarer, dass das bestehende System mit seinen nach Regionen fragmentierten Daten das von der G 20 zur Sicherung der Finanzstabilität für erforderlich erachtete Transparenzniveau nicht garantieren kann. Damit das Transaktionsregister sein volles Potenzial als Instrument für die Risikobegrenzung entfalten kann, ist die Zusammenarbeit zwischen Regulierungsstellen und Branchengruppen unerlässlich. Nur so wird dem übergeordneten Interesse der Marktstabilität und -integrität zum Durchbruch verholfen und den Regulierungsstellen das Instrumentarium zur Identifizierung und Begrenzung der Ursachen der finanziellen Instabilität an die Hand gegeben.—-Larry Thompson, General Counsel, DTCC und Chairman des globalen Transaktionsregisters von DTCC