Freibrief für britische Banken
Die Bank of England geht davon aus, dass das britische Bankensystem sowohl der Coronavirus-Pandemie als auch den Folgen des EU-Austritts standhalten wird. Der antizyklische Kapitalpuffer bleibt ausgesetzt, um die Kreditvergabe nicht zu gefährden. Dividenden dürfen wieder gezahlt werden. hip London – Das britische Bankensystem wird sowohl der Coronavirus-Pandemie als auch den möglichen negativen Folgen des Brexits standhalten. Zu diesem Schluss kam das Finanzstabilitätskomitee (FPC) der Bank of England auf seiner jüngsten Sitzung. Die aggregierte Kernkapitalquote der großen Institute sei per Ende September auf 15,8 % gestiegen – mehr als das Dreifache des Niveaus, mit dem die Branche in die Finanzkrise ging. Wenn nötig seien sie dazu in der Lage, Verluste von 200 Mrd. Pfund wegzustecken. Um solche Verluste auszulösen, wäre ein wirtschaftlicher Absturz nötig, der zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf mehr als 15 % führen würde, heißt es im gestern ebenfalls vorgelegten Finanzstabilitätsbericht. Es könne allerdings nach dem Ende der Brexit-Übergangsphase zu Volatilität an den Märkten kommen, etwa wenn Nutzer von Derivaten noch nicht dafür bereit seien, mit EU-Gegenparteien oder von der EU anerkannten Handelsplätzen zu handeln. Es könne auch zu Störungen bei Finanzdienstleistungen kommen, insbesondere für Kunden mit Sitz in der EU.Wie dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen ist, erwartet das FPC, dass, falls erforderlich, alle Elemente der Kapitalpuffer genutzt werden, um der Wirtschaft weiterhin zur Seite zu stehen. Seit Jahresbeginn haben britische Unternehmen zusätzliche Bankfinanzierungen im Volumen von netto mehr als 77 Mrd. Pfund in Anspruch genommen – ein Vielfaches der sonst üblichen Höhe. Den Großteil davon machten Corona-Hilfskredite der Regierung aus. Der sogenannte antizyklische Puffer soll nun mindestens bis zum Schlussquartal 2021 auf 0 % der risikogewichteten Aktiva gehalten werden. Berücksichtigt man, dass es üblicherweise zwölf Monate dauert, bis eine Erhöhung greift, können die Banken bis zum Schlussquartal 2022 von 0 % ausgehen. “Es wäre kostspielig für die Wirtschaft und letztlich für die Banken selbst, wenn sie der Wirtschaft die Unterstützung verweigern würden, um Kapitalpuffer nicht in Anspruch nehmen zu müssen”, heißt es im Protokoll. Das Tempo einer eventuellen Rückkehr zum bisher üblichen Niveau von 2 % hänge davon ab, wie schnell die Institute Kapital aufbauen könnten, während sie Unternehmen und Haushalte unterstützten. Schneller als die EZBDas Komitee stellte sich voll und ganz hinter die Bankenaufsicht PRA (Prudential Regulation Authority), die den Instituten die Wiederaufnahme von Dividendenzahlungen erlaubt hatte. Die Behörde war in dieser Sache eine Woche schneller als die Europäische Zentralbank (EZB), die sich am Donnerstag dazu äußern will. Im Vorgehen der PRA spiegelten sich eine Reduzierung der Ungewissheit rund um die Pandemie und die Fähigkeit der Banken wider, signifikante Verluste wegzustecken, urteilte das FPC.Die US-Investmentbank Jefferies rechnete schon einmal aus, wie hoch die Dividendenrendite führender EU-Banken für dieses Jahr gewesen wäre, wenn die Maßstäbe der britischen Aufsicht für sie gelten würden (siehe Grafik). Die PRA gab vor, dass die Ausschüttungen von Großbanken in Summe nicht höher liegen dürften als 20 Basispunkte der risikogewichteten Assets oder 25 % der kumulierten Gewinne der acht Quartale von 2019 und 2020 nach Abzug von Dividenden, die bereits an die Anteilseigner ausgekehrt wurden. Das gilt für Barclays, HSBC, Lloyds Banking Group, Natwest (zuvor: RBS), Santander UK und Standard Chartered. Kleinere Institute wie die Onesavings Bank sind davon nicht betroffen. Im Vergleich zu den EU-Banken nehmen sich die von den Branchenexperten von Barclays für die britischen Rivalen errechneten impliziten Dividendenrenditen bescheiden aus. Für HSBC haben sie maximal 2,9 % angesetzt, für Lloyds Banking Group 1,6 %, für Natwest (zuvor: RBS) 1,8 % und für Standard Chartered 2,7 %. Dem eigenen Arbeitgeber trauen sie 2,5 % zu. Die britische Aufsicht sei aus der Reihe getanzt, urteilte das Team um Aman Rakkar. Den EU-Regulierern unterstellen sie eine vorsichtigere Herangehensweise. – Nebenstehender Kommentar