GASTBEITRAG

Kapitalmarktunion: Anleger sollen im Mittelpunkt stehen

Börsen-Zeitung, 28.7.2015 Noch in diesem Jahr will die EU-Kommission einen konkreten Aktionsplan zur Umsetzung einer europäischen Kapitalmarktunion liefern. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte diese bereits in seiner Antrittsrede im Juli...

Kapitalmarktunion: Anleger sollen im Mittelpunkt stehen

Noch in diesem Jahr will die EU-Kommission einen konkreten Aktionsplan zur Umsetzung einer europäischen Kapitalmarktunion liefern. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte diese bereits in seiner Antrittsrede im Juli 2014 zum Ziel und zu einem der Kernbestandteile seiner umfassenden Investitionsoffensive erklärt. Die Realisierung soll bereits bis 2019 erfolgen.Um Wachstum ebenso wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze innerhalb der EU zu fördern, soll die Kapitalmarktunion “durch die Beseitigung von Hindernissen für grenzüberschreitende Investitionen einen Binnenmarkt für Kapital schaffen” und “Zugang zu Finanzmitteln für alle Unternehmen in Europa verbessern”. Zentraler Faktor ist eine Diversifizierung der Finanzierungsmöglichkeiten, die insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) neue Wachstumschancen bieten kann. Bessere KMU-FinanzierungAlternative Finanzierungsformen gewinnen im Lichte erhöhter Kapital- und Liquiditätsanforderungen für Banken an Bedeutung. Denn während in Deutschland derzeit keine Kreditklemme besteht, haben doch viele der circa 20 Millionen KMU in Europa nur erschwerten Zugang zu Innovations- und Wachstumskapital. Diese Unternehmen tragen allerdings zusammen 58 Cent pro Euro der EU-Gesamtwertschöpfung bei (Quelle: EU-Kommission). Der Handlungsbedarf ist also offenkundig.Manche Schätzungen gehen davon aus, dass nahezu 80 % der europäischen Finanzierungen von Banken kommen – in den USA sind es lediglich etwa 50 %. Ein wichtiges Ziel der EU-Kommission ist es daher, mehr Unabhängigkeit von klassischen Bankdarlehen zu schaffen. Doch Europas Unternehmensanleihemärkte sind unterentwickelt. Gerade in der Entwicklung und Integration der europäischen Anleihemärkte lassen sich deshalb kurzfristig die größten Fortschritte erzielen.Die EU-Kommission stellte im Februar ein Grünbuch zur öffentlichen Konsultation vor. Das CFA Institute, ein globaler Non-Profit-Berufsverband für die Investmentbranche, bringt nun auf Basis einer Umfrage unter seinen Verbandsmitgliedern eine Reihe an Empfehlungen in den Diskurs ein. Befragt wurden knapp 700 Investment Manager, Finanzanalysten und professionelle Anleger aus der EU und der Schweiz. 14 % der Befragten stammen aus Deutschland, 91 % haben mindestens sechs Jahre Berufserfahrung in der Investment- und Finanzbranche.Nach Überzeugung des Verbands müssen die Interessen und Bedürfnisse der Anleger Ausgangspunkt der Reformen sein. Denn die Incentivierung von Kapitalgebern (ob Kleinanleger und Sparer oder institutionelle Investoren) und deren Vernetzung mit Kapitalnehmern (Firmen) wird erfolgsentscheidend für die Kapitalmarktunion sein. Nationale BesonderheitenAls größtes Hindernis für einen paneuropäischen Kapitalmarkt identifizieren 65 % der Umfrageteilnehmer länderabhängig divergierende Steuergesetzgebungen. Dazu gehören die unterschiedlich hohe Besteuerung von Finanzinstrumenten innerhalb der Mitgliedstaaten ebenso wie Steueranreize für langfristige Investitionen, die nur von wenigen EU-Ländern gewährt werden. Das CFA Institute spricht sich für Steuerreformen aus, die Anreize für Investitionen in Start-ups, Venture Capital sowie KMU schaffen. Allerdings sind Steuerreformen Sache der nationalen Jurisdiktionen, im Rahmen der EU-Pläne für die Kapitalmarktunion kann hier also keine bindende Vorgabe gemacht werden.Auch bestehende Regelungen zu Besitz und Übertragung von Wertpapieren erschweren den grenzübergreifenden Kapitalfluss (dies gaben 63 % der Befragten an). So berichten Verbandsmitglieder, dass es nach wie vor nicht aus allen Mitgliedsländern heraus problemlos möglich ist, Staatsanleihen anderer EU-Länder zu erwerben.Abhilfe kann hier zum Beispiel die konsequente Umsetzung der Ucits-Direktive schaffen. Obwohl diese inzwischen bereits ihre sechste Revision erfährt, weichen die EU-Mitgliedstaaten diesbezüglich noch stark voneinander ab. Eine konsistente Implementierung der Direktive würde Berichts- und Meldepflichten standardisieren und so auch die Risikobewertung erleichtern. Dies sind ausschlaggebende Faktoren, um Vertrauen und Bereitschaft zum Erwerb von Kapitalanlagen auch außerhalb des heimischen Markts zu generieren. Standardisierung erwünschtMangelnde Liquidität in Sekundärmärkten für Unternehmensanleihen und -verbriefungen erscheint knapp der Hälfte der Befragten (47 %) als weitere Schwachstelle, während unter den deutschen Befragten nur 32 % dem zustimmen. Die Standardisierung von Anleihebegebungsverfahren, etwa hinsichtlich Prospekt- und Offenlegungspflichten, Kupons und Laufzeitstrukturen, wäre hier förderlich.Ebenso kann größere Preistransparenz zu besserer Liquidität beitragen, da Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern aufgehoben werden. Das ermutigt Investoren. Im Rahmen der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II) werden bereits entsprechende Veränderungen angestoßen. Der Verband unterstützt die Einführung angemessener Transparenzvorschriften für den Vor- und den Nachhandel am Anleihemarkt.Außerdem sollte der Handel mit Unternehmensanleihen im Sekundärmarkt auf elektronischen Handelsplattformen vereinfacht werden. Derzeit funktionieren Anleihemärkte vornehmlich im Austausch zwischen Anlegern und Händlern (Banken). Das schafft Abhängigkeit von der Angebotspalette der Banken. Um Märkte nachhaltig zu stärken, wäre daher die Etablierung multilateraler Handelsplattformen begrüßenswert, die Anbieter und Anleger direkt zusammenführen. Wichtige Rolle für ABSEinen Schwerpunkt der EU-Reformpläne rund um die Kapitalmarktunion bildet die Etablierung eines robusten und geordneten Verbriefungsmarktes. Obwohl Verbriefungsinstrumente in der Finanzkrise teilweise eine unrühmliche Rolle spielten (man denke an Subprime-Hypothekendarlehen), herrscht ein breiter Konsens unter den Entscheidungsträgern, dass gut strukturierte Verbriefungsmärkte Wirtschaftswachstum anregen und den Finanzierungszugang insbesondere für KMU erleichtern können. Gerade Asset-Backed Securities (ABS) müssen nun unter Beweis stellen, dass sie als Refinanzierungsmittel eine produktive Rolle für die Realwirtschaft spielen können.Von der Konsultation bis zur Realisierung einer funktionierenden Kapitalmarktunion haben sich die Experten rund um EU-Kommissionspräsident Juncker und den zuständigen Kommissar Jonathan Hill einen straffen Zeitplan gesteckt. Nächster Schritt wird die Veröffentlichung eines Aktionsplans in der zweiten Jahreshälfte sein. Das klare Bekenntnis zu Anlegerinteressen, einheitlichen Standards, Vergleichbarkeit und Transparenz wird über die Erfolgsaussichten der Initiative entscheiden.—-Rhodri Preece, CFA, Head of Capital Markets Policy EMEA