Mit Reform der Volksbanken endet eine Epoche

Regierungsdekret im Kreuzfeuer der Kritik - Konsolidierung im Kreditsektor soll beschleunigt werden

Mit Reform der Volksbanken endet eine Epoche

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandDie in der letzten Woche von Roms Regierung verabschiedete Reform der Volksbanken hat in Italien großen Wirbel verursacht. Der Verband der Volksbanken Assopopolari hat sich gegen die Reform ausgesprochen und kündigt Widerstand an. Der ausländische Einfluss auf die Volksbanken könnte zunehmen. Die Gewerkschaften befürchten einen Arbeitsplatzabbau und rufen zu Protesten auf. Und zu guter Letzt ermittelt die Börsenaufsicht Consob wegen Verdachts auf Insiderhandel. InsiderverdachtDenn angeblich ist der Inhalt der Reform in Londoner Finanzkreisen schon einige Tage vor der Verabschiedung des Gesetzesdekrets am 20. Januar bekannt geworden. Die überdurchschnittlichen Kursgewinne bei den börsennotierten Volksbanken vor der Verabschiedung des Gesetzesdekrets begründen den Verdacht auf Insiderhandel. Die Konsolidierung und Sanierung im italienischen Banksektor soll nicht nur auf die Reform bei den Volksbanken beschränkt bleiben. Finanzminister Pier Carlo Padoan hat weitere Maßnahmen angekündigt, um den Banken bei ihren massenhaften faulen Krediten unter die Arme zu greifen.Auch wenn die Reform im Kreuzfeuer der Kritik steht und zweifellos noch in manch einem Punkt verändert wird, weist sie mehr Vor- als Nachteile auf: Sie beschleunigt die längst fällige Konsolidierung in dem mit über 700 Banken stark zersplitterten italienischen Kreditsystem und trennt die Spreu vom Weizen. Verwässerung drohtEs besteht jedoch die Gefahr, dass die von der Regierung Renzi verabschiedete und von Banca-d’Italia-Präsident Ignazio Visco unterstützte Reform im Parlament verwässert wird. Von der Reform profitieren nicht nur die Banken selbst. Sie kommt auch den Aktionären zugute, die nicht mehr monatelang warten müssen, bis sie ihre Aktien verkaufen können. Die Ratingagentur Fitch erwartet positive Effekte auf die Konsolidierung und auf die Governance. Denn bei einer Vielzahl der Volksbanken sind die Präsidenten seit 20 Jahren und mehr im Amt. Sie stehen meist dem lokalpolitischen Einfluss offen, der Modernisierung eher verschlossen gegenüber.Die zwei wichtigsten Punkte der Reform sind die Umwandlung der Gesellschaftsstruktur in eine Aktiengesellschaft und die Änderungen des Stimmrechtes je nach Beteiligung der einzelnen Aktionäre. Sollte dies nicht innerhalb von 18 Monaten erfolgen, so droht die Gesellschaft aufgelöst zu werden. Die Reform betrifft nur jene zehn Banken, die eine Bilanzsumme von je über 8 Mrd. Euro aufweisen. Insgesamt gibt es 70 Volksbanken und 325 genossenschaftlich organisierte Banken in Italien. Auch wenn seit 20 Jahren über die Notwendigkeit diskutiert wird, Italiens Volksbankwesen zu reformieren und obwohl Regierungschef Matteo Renzi seit Monaten eine entsprechende Reform ankündigte, zeigten sich die betroffenen Banken überrascht. “Mit der Reform geht unsere Welt zu Ende”, klagt der seit 1995 amtierende Präsident der Volksbank von Vicenza, Gianni Zonin. “Wir hatten selbst einen Reformvorschlag in Ausarbeitung, der bei weitem nicht so drastisch ist wie die von der Regierung verabschiedeten Maßnahmen. Unter anderem wollten wir das eigentliche Bankgeschäft vom Immobilienvermögen der Volksbanken und von den Beteiligungen trennen und nur das Bankgeschäft in eine Aktiengesellschaft wandeln.” Aber auch Zonin bestätigte, dass Änderungen in den jahrzehntealten Strukturen der italienischen Volksbanken nötig seien. Die Volksbank von Vicenza hält nach Veneto Banco Ausschau. Fusionen möglichWährend populistische Politparteien, der Fachverband und die Gewerkschaften die Reform kritisieren, sind sich Finanzanalysten über deren Vorteile einig. Bei Mediobanca Securities werden Synergien bis zu 30 % der Marktkapitalisierung erwartet. Und Equita Sim schätzt die durch die Reform bedingten Kosteneinsparungen auf 9 %. Die Analysten der Schweizer UBS sehen Ubi Banca und Banco Popolare als Protagonisten für eine oder mehrere bevorstehende Fusionen. Ubi Banca mit 1 600 Filialen weist einen Kapitalüberschuss von 1,7 Mrd. Euro auf. Spekulationen werden laut, wonach Ubi Banca die Zweigstellen der Problembank aus Siena, MPS, in Nordostitalien übernehmen könnte. Banco Popolare flirtet angeblich mit der Mailänder Volksbank Popolare di Milano (BPM), auf die auch BNP Paribas ein Auge geworfen haben soll. Die Ratingagentur Moody’s sieht BPM als Gewinner der Reform.