Serie:Kein Stein bleibt auf dem anderen (2)

„Ohne moderne Stromnetze droht der Kollaps“

Die Elektrifizierung der Wirtschaft erfordert neue Infrastrukturen, sagt Stephan Kemper, Chief Investment Strategist bei BNP Paribas. Steigende Stromnachfrage, Digitalisierung und Klimaziele sind enorme Herausforderungen.

„Ohne moderne Stromnetze droht der Kollaps“

Serie: Kein Stein bleibt auf dem anderen (2)

„Ohne moderne Stromnetze droht Kollaps“

Die Elektrifizierung treibt den Wandel voran – Neue Infrastruktur, höhere Stromnachfrage und Investitionschancen

Die Elektrifizierung der Wirtschaft erfordert neue Infrastrukturen, sagt Stephan Kemper, Chief Investment Strategist bei BNP Paribas. Steigende Stromnachfrage, Digitalisierung und Klimaziele sind enorme Herausforderungen, eröffnen aber auch Chancen für nachhaltige Investitionen und eine zukunftssichere Energieversorgung.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

„Wir stehen vor einem Zeitenwechsel. Die Elektrifizierung der Wirtschaft erfordert eine komplett neue Infrastruktur“, erklärt Stephan Kemper, Chief Investment Strategist bei BNP Paribas. Der Fokus auf Elektrifizierung stelle nicht nur technologische, sondern auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen dar. Vor allem in Deutschland drohten Stromnetzen ähnliche Probleme wie den in die Jahre gekommenen Autobahnbrücken – ohne Modernisierung stehe ein infrastruktureller Kollaps bevor. 

Steigender Strombedarf

Der Strombedarf in Deutschland wächst rasant, angetrieben durch Trends wie künstliche Intelligenz und dem Ausbau von Datencentern. „Künstliche Intelligenz und Datencenter haben einen enormen Energiehunger. Diese Technologien treiben die Nachfrage nach Strom erheblich an“, sagt Kemper. Gleichzeitig sei es unerlässlich, ein intelligentes Stromnetz aufzubauen, das flexibel auf Schwankungen reagiert und erneuerbare Energien effizient integriert. 

Hohe Anforderungen an die Netze

Ein solches Netz müsse in der Lage sein, Elektroautos als Speicher zu nutzen oder energieintensive Geräte wie Waschmaschinen nur dann zu betreiben, wenn Solarstrom im Überfluss vorhanden ist. „Der Trend zur Elektrifizierung und zu nachhaltiger Infrastruktur ist nicht mehr aufzuhalten. Die Politik spielt eine Rolle, aber die treibenden Kräfte sind mittlerweile auch wirtschaftlicher Natur“, sagt Kemper. Anders sei die Entwicklung in den USA: „Selbst in republikanisch geprägten US-Bundesstaaten wie Texas sehen wir eine starke Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien.“ 

Seit 2018 hat sich die Anzahl der Energieerzeugungsstellen in Deutschland insbesondere durch Fotovoltaik nahezu verdoppelt. Das belastet die Stromnetze und macht sie kompexer. Vor allem die Fähigkeit, mit den unvermeidlichen Schwankungen von Wind- und Solarenergie umzugehen, sowie die Sicherstellung der Grundlastfähigkeit stehen im Mittelpunkt der Herausforderungen. Hinzu kommt: „Cybersecurity ist ein essenzieller Bestandteil moderner Infrastruktur“, betont Kemper und verweist auf die zunehmende Verwundbarkeit vernetzter Systeme. 

CO2-neutraler Strom

Nicht nur die Stromnetze, sondern auch andere Bereiche wie Autobahnen und das Schienennetz in Deutschland benötigen dringend Sanierungen. Diese infrastrukturellen Engpässe könnten jedoch gleichzeitig eine Chance für Investoren darstellen. 

Immer mehr Unternehmen setzen auf CO2-neutralen Strom und sind bereit, dafür Prämien von bis zu 20 Dollar pro Megawattstunde zu zahlen. Während die Atomenergie in Deutschland weiterhin kontrovers diskutiert wird, sieht Kemper international einen klaren Trend zurück zur Atomkraft: „Atomenergie bietet die Möglichkeit, die Grundlastfähigkeit CO2-neutral sicherzustellen. Diese Entwicklung macht das Thema auch für Investoren interessant.“ 

Chancen für Investoren

Aus Sicht von Investoren sind die größten Potenziale oft indirekter Natur. „Für Investoren bieten sich hier vor allem indirekte Chancen – etwa über Hersteller von Baumaterialien oder Baumaschinen“, erklärt Kemper. Rechenzentren, die als Herzstück der neuen Infrastruktur gelten, seien in vielerlei Hinsicht klassische Immobilien, erfordern jedoch spezifische Technologien wie Kühlung und Elektrifizierung. „Das macht Kupfer zu einem zentralen Rohstoff in diesem Bereich. Allerdings ist der Kupfermarkt durch langfristige Zyklen geprägt. Neue Minen zu erschließen, dauert im Schnitt acht Jahre.“ 

Schlüsselrolle für Baustoffe

Auch Baustoffe wie Zement spielen eine Schlüsselrolle, etwa beim Bau von Windrädern und Fundamenten. „Reale Vermögenswerte wie Infrastruktur haben oft eine inflationsgekoppelte Komponente. Das macht sie auch aus Sicht der Diversifikation interessant“, fügt er hinzu. Kemper weist darauf hin, dass viele Projekte im Bereich der Energie-Infrastruktur, die in den vergangenen Jahren initiiert wurden, mittlerweile erste Erträge lieferten. „In den USA ist der Versorgersektor einer der stärksten im S&P 500“, betont er. „In Europa wird dieser Trend noch unterschätzt.“ 

Zuletzt erschienen: Transformation erfasst Immobilien und Infrastruktur (7.1.)

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