Louis Hagen

Pfandbriefbanken kontra EZB

Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) hält die Warnungen der EZB über Risiken auf den Immobilienmärkten für übertrieben. Die deutschen Wohn- und Gewerbeimmobilienmärkte seien krisenresistent.

Pfandbriefbanken kontra EZB

Von Thomas List, Frankfurt

Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) wehrt sich gegen eine aus seiner Warte zu negative Sicht der deutschen Immobilienmärkte durch die EZB. In ihrem dritten Financial Stability Review (FSR) vom Mai 2021 warnen die Notenbanker vor dem Risiko eines Preisrückgangs bei Wohnimmobilien und verweisen bei den gewerblichen Immobilien auf die Risiken für die Bankbilanzen und die Finanzmarktstabilität durch einen noch schärferen Preisrückgang als bisher im Laufe der Pandemie verzeichnet (vgl. BZ vom 20. Mai).

Verbandspräsident Louis Hagen zeigt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zwar durchaus Verständnis dafür, dass die EZB einen eher kritischen Blick auf die Zukunft werfen muss. Aus Sicht der EZB wurden große Finanzkrisen häufig durch Probleme am Wohnimmobilienmarkt oder durch die Wohnimmobilienfinanzierung ausgelöst. „Deshalb legt die EZB ein großes Augenmerk auf die Wohnimmobilienmärkte. Das ist nachvollziehbar und für uns durchaus relevant.“ Hagen sieht die Kreditinstitute aber näher am Markt als die EZB, weil sie laufend mit ihren Bestands- und Neukunden, aber auch mit anderen Markt­teilnehmern wie Bauträgern und Maklern in Kontakt stünden. Die Zentralbank sei hingegen auf aggregierte In­formationen und Daten angewiesen.

„Weiterhin gesund“

Der VDP-Präsident vermisst auch eine stärkere Differenzierung nach Ländern und Immobiliensegmenten. „Der Blick auf Deutschland fällt positiver aus. Nach unserer Meinung ist der Trend im Wohnimmobilienmarkt weiterhin gesund. Wir haben nicht den Eindruck, dass deutsche Wohnimmobilien wie im jüngsten FSR beschrieben stark überbewertet sind.“ Das zeige sich an mehreren Fundamentalfaktoren. Dazu gehören die ungebrochene Nachfrage nach Wohnimmobilien, die steigenden Einkommen, die niedrigen Zinsen und die zunehmenden Bau- und Grundstückskosten. „All das spricht aus unserer Sicht dafür, dass die Wohnimmobilienpreise weiter steigen werden, wenn auch wahrscheinlich nicht im gleichen Maß wie bisher.“

Zunächst werde sich der Preisanstieg abflachen, dann werde es zu einer Seitwärtsbewegung kommen. „Ein massives Abfallen der Preise könnte aus unserer Sicht nur dann eintreten, wenn viele Immobilien auf den Markt geworfen werden.“ Für Hagen ist das dann denkbar, wenn die privaten Darlehensnehmer ihre Kredite nicht mehr bedienen können und die Banken die Immobilien zwangsverwerten. Das daraus resultierende Überangebot würde bei einem häufig zeitgleichen Konjunktureinbruch zu einem massiven Preisverfall führen.

Wahrscheinlich sei dieses Szenario aber nicht: „Für eine solche Sorge sehen wir momentan keinen Anlass.“ Die wirtschaftlichen Aussichten seien gut, und Käufer, die ihre Immobilien selbst nutzen, hätten sich langfristig niedrige Zinsen gesichert. „Das nutzen sie für höhere Tilgungen. Deshalb werden auch bei einer sich verschlechternden Konjunktur nicht gleich massenweise Immobilien auf den Markt kommen.“ Aber auch die Kapitalanleger müssen nicht bei Preisrückgängen ihre Wohnimmobilien abstoßen, wenn sie diese langfristig finanziert haben und der Cashflow für die Bedienung des Kredites ausreicht. Außerdem brächten Kapitalanleger viel Eigenkapital mit. Dieser Puffer schütze vor Notverkäufen.

„Stark differenzieren“

Die Aussagen im Finanzstabilitätsbericht zum gewerblichen Immobilienmarkt hält Hagen in ihrer Generalität für wenig aussagekräftig. „Da muss man stark differenzieren nach den einzelnen Segmenten.“ Die Gewerbeimmobilienmärkte sind insgesamt seit Ausbruch der Corona-Pandemie rückläufig, allerdings zumindest in Deutschland nur in einem sehr niedrigen einstelligen Bereich. Getrieben wurde der Rückgang vor allem durch die Hotelimmobilienpreise und einzelne Einzelhandelssegmente. Dagegen bewegten sich die Büropreise seitwärts. „Das ist nicht besorgniserregend und ist keinesfalls ein Risiko für die Stabilität der Kreditinstitute.“

Immobilienmarktkrisen, die dann zu Finanzmarktstabilitätskrisen ge­führt haben, sind in der Vergangenheit oft ausgelöst worden durch eine sehr großzügige Kreditvergabe für spekulative Investments, aufgeweichte Beleihungsgrundsätze und die Vergabe hoher Kredite an bonitätsschwache Kunden. „Das alles trifft nicht auf die heutige Situation zu“, betont Hagen. „Die Banken haben ihre Kreditpolitik nicht verändert. Die Finanzierungsstrukturen sind sehr vernünftig.“

Wirkt sich die Risikoeinschätzung der Notenbanker auf die Aufsichtspraxis von EZB, Bundesbank und BaFin aus? Hagen beobachtet in den Jahresgesprächen, die der Verband mit der Bundesbank und der BaFin führt, seit geraumer Zeit kritische Nachfragen zur Immobilienfinanzierung. „Aus Gesprächen mit einzelnen EZB-Vertretern wissen wir, dass bei der EZB die Sorge um den gewerblichen Immobilienmarkt sehr viel größer ist als bei den nationalen Aufsehern.“ In der laufenden Aufsicht sei die EZB gerade seit Ausbruch der Pandemie noch kritischer geworden. Diese kritische Haltung kann der VDP-Präsident jedoch – zumindest für Deutschland – nicht nachvollziehen: „Im europäischen Vergleich zeigen sich die Immobilienmärkte hierzulande sehr krisenresistent.“