Procredit weitet Verlust im Ukraine-Geschäft aus
jsc Frankfurt
Die auf Osteuropa ausgerichtete Bankengruppe Procredit gerät in der Ukraine weiter unter Druck: Im zweiten Quartal erhöhte die Frankfurter Gruppe die Kreditrisikovorsorge allein in dem kriegsgeschüttelten Land um weitere rund 21 Mill. Euro auf 56,5 Mill. Euro, wie die Gesellschaft im Halbjahresbericht schreibt. Der Verlust der Ukraine-Tochter erhöhte sich daher um rund 11 Mill. Euro auf 34,3 Mill. Euro. „Das Kriegsgeschehen in der Ukraine hat wesentliche Auswirkungen auf das Kreditportfolio“, hält die Bank fest.
Weil das Geschäft in anderen Kernmärkten wie Bulgarien und Serbien insgesamt unauffällig verlief, blieb konzernweit noch ein kleiner Gewinn von 7,7 Mill. Euro stehen und damit gut ein Fünftel des Vorjahreswertes. Die gesamte Holding verfügt über ein Kreditportfolio von 6,3 Mrd. Euro, wovon 816 Mill. Euro auf die Ukraine entfallen. Das Institut verortet seine Wurzeln im Mikrofinanzwesen und finanziert heute kleine und mittlere Unternehmen, in der Ukraine insbesondere Landwirte. In Russland ist die Gruppe nicht aktiv.
Grundsätzlich hält die Bank an der Annahme fest, dass ein Großteil der ukrainischen Kunden die Darlehen zurückbezahlen kann. Wegen des Kriegs verhängte das Land ein Kreditmoratorium, so dass die Kunden ihre Darlehen bis zum 23. August nicht bedienen müssen. Mehr als 70% der Kundschaft leisteten aber die Zinszahlungen und mehr als 20% zahlten auch das Darlehen aktuell zurück, hebt die Bank hervor.
Die Risikovorsorge könnte sich aber erneut erhöhen, denn ein Zehntel des Kreditbestands – umgerechnet also rund 82 Mill. Euro – entfällt auf Kunden, die sich auf von Russland besetztem Gebiet befinden oder aber nahe den umkämpften Regionen. Die Bank unterstellt die Kunden einer „Intensivbetreuung“ und vermerkt viele Ausfälle.
Da sich der Krieg laut Bericht auch auf weitere Volkswirtschaften auswirkt und das Angebot an Lebensmitteln und Energieträgern verknappt, sind auch anderswo Kreditkunden potenziell betroffen. Die Bank hat konzernweit ein Kreditportfolio von 93 Mill. Euro ausgemacht, das indirekt vom Krieg betroffen sein könnte. Jenseits der Ukraine lag die Risikovorsorge im ersten Halbjahr unterm Strich nahe null, auch weil einige Kunden bereits abgeschriebene Forderungen noch bedienten.
Die Eigner der Bank, zu denen auch die KfW und die Weltbank-Tochter IFC gehören, sind bereits auf etwaige Rückschläge eingestellt: Der Aktienkurs brach zu Beginn der russischen Invasion um die Hälfte ein und bewegt sich seither seitwärts (siehe Chart). Im Juli bot die Procredit-Gruppe ihren Anleihegläubigern eine Pauschalzahlung von bis zu 1,0% an, wenn sie im Gegenzug geänderten Bedingungen zustimmen und somit ein etwaiger Zahlungsausfall oder eine Insolvenz der Tochter in Kiew bis Mitte 2024 keine vorzeitige Rückzahlung mehr auslösen kann. Das harte Kernkapital der Gruppe erreicht 847 Mill. Euro und liegt damit etwas höher als der gesamte Kreditbestand in der Ukraine. Die zugehörige Quote beträgt 13,7%, was dem Vorjahresniveau entspricht.
Zinswende stärkt den Rücken
Jenseits der Ukraine gedeiht das Geschäft: Die Zinserhöhung der Zentralbanken in etlichen Ländern trieb den Zinsüberschuss gruppenweit um 21% auf 125 Mill. Euro. Der Zahlungsverkehr mit Debit- und Kreditkarten ließ den Provisionsüberschuss um 9% auf 26 Mill. Euro anschwellen. Im Verwaltungsaufwand, der um 16% auf 96 Mill. Euro zulegte, sind neben üblichen Gehaltssteigerungen und IT-Kosten auch Ukraine-Effekte enthalten. Der Konzern veranschlagt hier gesonderte Rechts-, Prüfungs- und Beratungskosten sowie Sonderzahlungen an Beschäftigte, die vom Krieg betroffen sind. Die Gruppe hofft, schon bald das Gröbste hinter sich zu lassen. „Mittelfristig“ strebt Procredit eine Eigenkapitalrendite von 10% an, was aktuell einem Jahresgewinn von ungefähr 85 Mill. Euro entspricht.
Procredit Holding | ||
Kennzahlen nach IFRS | ||
1. Halbjahr | ||
in Mill. Euro | 2022 | 2021 |
Zinsüberschuss | 124,8 | 103,2 |
Provisionsüberschuss | 26,3 | 24,1 |
Verwaltungsaufwand | 96,3 | 83,3 |
Kreditrisikovorsorge | 57,3 | 2,7 |
in der Ukraine | 56,5 | 0,0 |
Konzernergebnis | 7,7 | 36,4 |
in der Ukraine | −34,3 | 10,7 |
Hartes Kernkapital (%) | 13,7 | 13,7 |
Bilanzsumme (Mrd.) | 8,4 | 7,6 |
Börsen-Zeitung |