Sparkassen

Sprung­fusionen schrecken den Land­kreis­tag

Zu groß, zu weit weg: Sparkassen, die zum Sprung über Geschäftsgebiete Dritter ansetzen, um sich zusammenzutun, oder die sich territorial zu ungeahnter Größe aufschwingen, sind dem Deutschen Landkreistag suspekt. Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke ruft derlei fusionswillige Sparkassen und ihre Träger zur Mäßigung auf. Die allerdings sehen das Recht auf ihrer Seite.

Sprung­fusionen schrecken den Land­kreis­tag

Von Carsten Steevens, Hamburg, und Tobias Fischer, Frankfurt

Der Deutsche Landkreistag stößt sich an möglichen Fusionen von Sparkassen, deren Geschäftsgebiete nicht aneinandergrenzen oder aus denen Institute hervorgehen, welche die Dimension von Regionalbanken annehmen. Die lokale Verankerung samt Kundennähe und demokratischer Legitimation kommunaler Sparkassen gehe flöten, wenn etwa – wie in Schleswig-Holstein angedacht – ein langgestrecktes Gebilde von rund 4000 Quadratkilometern entstehe, befürchtet der kommunale Spitzenverband der 294 Landkreise.

Einheitlicher Wirtschaftsraum

„Es gibt Grundprinzipien im Interesse der Gesamtheit der kommunalen, öffentlich-rechtlichen Sparkassen, die gewahrt bleiben müssen“, sagt Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Dazu gehört, dass es kommunale Sparkassen nur in einem zusammenhängenden Ge­schäftsgebiet innerhalb eines Wirtschaftsraums geben kann. Das schließt zum Beispiel Sprungfusionen von kreisgetragenen Sparkassen, deren Geschäftsgebiete nicht aneinander grenzen, aus.“

Appell ans „Wächteramt“

Großfusionen und Sprungfusionen gab es in der Vergangenheit zwar hin und wieder. Der Landkreistag befürchtet aber, dass das Vorgehen Schule macht. Dabei ist ihm klar, dass der Landkreistag hier kaum eine Handhabe hat. Anders als bei der abgesagten Fusion der öffentlich-rechtlichen Förde-Sparkasse mit der freien Sparkasse Mittelholstein AG, der Henneke zufolge die rechtliche Grundlage fehlte, versucht der Landkreistag deshalb, an die Protagonisten zu appellieren.

In einer in der vergangenen Woche versandten Pressemitteilung kehrte er die Verantwortung der Träger vor Ort hervor, die über Fusionen zu entscheiden haben. „Ihre Überlegungen müssen sich aber in die Gesamtstrukturen des jeweiligen Sparkassenverbandes einfügen. Insoweit haben die Sparkassenregionalverbände und auch die Sparkassenaufsicht der Länder ein wichtiges Wächteramt“, wird der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, zitiert.

Henneke will „im Sinne verabredeter Selbstbindung erreichen, dass es in den einzelnen Ländern nicht zu Dominosteineffekten kommt“. Auch an die Verbände richtet sich der Aufruf, mehr zu tun: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn die Sparkassenverbände solche Leitlinien für die Struktur der öffentlich-rechtlichen Sparkassen ebenfalls beschließen“, appelliert Henneke. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) äußert sich auf Anfrage nicht zu Fusionsüberlegungen einzelner Sparkassen. Er verweist darauf, dass dies Sache der beteiligten Institute, ihrer kommunalen Träger sowie der zuständigen regionalen Sparkassenverbände sei.

200 Kilometer Entfernung

Kommt es, wie in Bayern angedacht, zur Verschmelzung der bereits aus einer Sprungfusion hervorgegangenen Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim mit der angrenzenden Kreissparkasse Augsburg (vgl. BZ vom 24. April), werden die Grenzen des Geschäftsgebiets bis zu 200 Kilometer auseinanderliegen, wie Henneke berichtet. In  Schleswig-Holstein streben die öffentlich-rechtlichen Institute Sparkasse Holstein und Sparkasse Südholstein ihre Vereinigung zu einem Gebilde an, das sich vom Kreis Pinneberg, nordwestlich von Hamburg, bis zur Insel Fehmarn in der Ostsee erstrecken würde. Auch mit einer Nordseeinsel im Geschäftsgebiet kann die Sparkasse Südholstein aufwarten: Fernab vom Rest zählt Helgoland dazu.

Eine waschechte Sprungfusion bahnt sich hingegen in Rheinland-Pfalz an: Die Sparkasse Rhein-Nahe mit Sitz in Bad Kreuznach und die Sparkasse Koblenz haben im April beschlossen, mit einer Kooperation den Weg für eine potenzielle Fusion zu ebnen. Anpassungen und Optimierungen würden nun in den beiden Häusern vorgenommen, „um langfristig ein gemeinsames Haus auf ein stabiles Fundament stellen zu können“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung.

„Verantwortung der Träger“

Kritik wollen die Partner nicht auf sich sitzen lassen. Auf aktuelle Anfrage hin verweisen die beiden Häuser – wiederum in einer gemeinsamen Stellungnahme – darauf, dass auch im Falle einer Fusion, so sie denn zustande käme, der öffentliche Auftrag keineswegs verloren gehe. In der Replik auf den Landkreistag lassen sie keinen Zweifel daran, sich im Recht zu sehen: Demnach lässt das rheinland-pfälzische Sparkassenrecht auch den Zusammenschluss nicht benachbarter Sparkassen nach Genehmigung durch die Sparkassenaufsicht des Landes zu. „Wie der Landkreistag richtigerweise feststellt, liegt die Entscheidung über eine Fusion in der Verantwortung der Träger.“ Diesen und den Aufsichtsbehörden müsse es möglich sein, „die Freiheit der Gestaltung im Rahmen der Sparkassengesetze der Länder zu nutzen“, heißt es weiter.

Bettina Dickes, Landrätin des Landkreises Bad Kreuznach, der Mitglied des Zweckverbands Sparkasse Rhein-Nahe als Träger des Instituts ist, legt Wert auf die Feststellung, dass ein Zusammenschluss im Moment kein Thema sei. So sei mitnichten ein Beschluss zur Kooperation mit dem Ziel einer Fusion gefasst worden. „Der Vorstand hat keine Prokura, über eine Fusion zu sprechen, sondern nur über eine Kooperation“, sagt sie der Börsen-Zeitung.

Angekündigt hatten die beiden sich als „kerngesund“ bezeichnenden Institute, in den nächsten beiden Jahren eng miteinander kooperieren und ihre Arbeitsweisen synchronisieren zu wollen. Eine Fusion sei danach nicht zwingend, sehr wohl aber „eine attraktive Option, um sich gemeinsam für die Zukunft zu rüsten“, heißt es seitens der Sparkassen. Landrätin Dickes sieht diese Möglichkeit jedenfalls als rechtlich gedeckt und auch die Sparkassenaufsicht in Mainz auf ihrer Seite. Die ist im Wirtschaftsministerium angesiedelt.

Regionalverband ist skeptisch

Hält sich der DSGV zu Fusionsüberlegungen bedeckt, so schlägt sich der Sparkassenverband Rheinland-Pfalz auf die Seite des Landkreistages. „Grundsätzlich sind aus unserer Sicht Fusionen von Sparkassen, deren Geschäftsgebiete nicht aneinander angrenzen und auch nicht zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum gehören, nicht mit den Strukturprinzipien der Sparkassen-Finanzgruppe vereinbar“, heißt es von dem Regionalverband. Allerdings seien pauschale Urteile schwierig, da immer der konkrete Einzelfall geprüft werden müsse. Einzuholen sei die Genehmigung der Aufsichtsbehörde, die im Einvernehmen mit dem für das Kommunalrecht zuständigen Ministerium und nach Anhörung des Sparkassenverbandes entscheide, heißt es zum Prozedere. Für Kommunalrecht ist in Mainz das Innenministerium zuständig.

Kein Fusionsgegner

Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages betont, dass Zusammenschlüsse öffentlich-rechtlicher Institute gerade angesichts von Niedrigzins und regulatorischen Anforderungen sinnvoll sein könnten. Doch dürfe dies nicht zu „unkoordinierten Ausfallschritten“ führen, so Henneke. Ihm fielen jedenfalls keine Argumente für die Fusion zweier wirtschaftlich gesunder Sparkassen ein, deren Geschäftsgebiete nicht aneinander liegen. Das Gefälle im Binnenverhältnis der Sparkassen werde dadurch verstärkt, und es drohe eine Sogwirkung einzusetzen, die nicht erwünscht sein könne.

20 Sparkassen weniger

Die Zahl der rheinland-pfälzischen Sparkassen hat sich ihm zufolge in den vergangenen 20 Jahren bereits auf 20 halbiert. „Wir wollen nicht, dass im Sinne des Gesamtsystems unvernünftige, durch möglicherweise isolierte Eigeninteressen hervorgerufene Strukturen entstehen. Es darf nicht die eine Sparkasse so groß werden, dass die andere daneben keine Chance hat“, verdeutlicht Henneke. „Öffentlich-rechtliche Sparkassen dürfen größenmäßig nicht aus der kommunalen Bindung herauswachsen und zu Regionalbanken werden.“

Wenn sich zwei gesunde Sparkassen, wie in Schleswig-Holstein angedacht, zu einem langgestreckten, riesigen Gebilde zusammentun wollten, könne von einem einheitlichen Wirtschaftsraum nicht die Rede sein. Zwar sei es nicht Anliegen des Landkreistages, dass diese Fusion nicht zustande kommt, sagt Henneke. Dafür fehlten Legitimation und Mandat. „Wegen der Größe und der Folgewirkungen haben wir aber ein flaues Gefühl und raten dazu, Überschaubarkeit von Strukturen in einheitlichen Wirtschaftsräumen zu erhalten, auch wenn die bisherigen Geschäftsgebiete der beteiligten Sparkassen zusammenliegen.“

Wertberichtigt Seite 6