Fünf Fragen an Rene Repasi, SPD

„Die Kontrolle über die Innovation darf nicht verloren gehen“

Die EU-Gesetzgeber sollten über Gesellschaftsrechtsformen nachdenken, die Kapital mobilisieren, ohne dass Kontrolle über das Unternehmen abgegeben werden muss, fordert der SPD-Europaabgeordnete Prof. Rene Repasi.

„Die Kontrolle über die Innovation darf nicht verloren gehen“

„Die Kontrolle über die Innovation darf nicht verloren gehen“

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Was steht aus Ihrer Perspektive im Zentrum der Finanzmarktregulierung in der nächsten Amtsperiode?

Kapitalmarktunion. Kapitalmarktunion. Kapitalmarktunion. Die Bausteine sind längst bekannt: Die Harmonisierung des Insolvenzrechts ist anhängig, aber längst noch nicht abgeschlossen. Der Wirtschaftsausschuss hat seine Position unter meiner Federführung dazu bereits mit breiter Mehrheit eingenommen. Der zuständige Rechtsausschuss hat noch nicht geliefert. Daneben erinnere ich an die Schaffung eines grenzüberschreitenden Sparprodukts oder die Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts – das ist wichtig und dringlich. Auch die Stärkung der Finanzmarktaufsicht durch mehr Kompetenzen für die EU-Wertpapierbehörde ESMA. Die ESMA macht einen guten Job. Dort, wo sie an der Aufsicht beteiligt ist, hat sie Vertrauen geschaffen. Und genau dieses Vertrauen suchen Investoren, die grenzüberschreitend tätig sind.

Gibt es darüber hinaus noch wichtige Elemente, die die Kapitalmarktunion voranbringen könnten?

Ja. Besonders wichtig finde ich, dass wir uns intensiver mit Start-up- und Risikofinanzierungen beschäftigen. Wir können die Wettbewerbsfähigkeit Europas nur über Innovationen herstellen. Aber wir haben nicht die fiskalische Kraft der USA und können nicht mit den Unterstützungen mithalten, die die Vereinigten Staaten unter anderem durch den Inflation Reduction Act gewähren. Deswegen müssen wir auf andere Art dazu beitragen, die Chance zu wahren, dass wir, frei nach Schumpeter, den nächsten kreativen Zerstörer in Europa haben. Dazu muss einerseits viel an Universitäten und in der Forschungsförderung passieren. Aber da muss auch im Übergang von Innovationen in die Marktreife etwas geschehen.

Was genau könnten Sie sich vorstellen?

Ich bin überzeugt, dass bereits auf der ersten Stufe, also bei der Finanzierung von Start-ups und Gründungen, mehr möglich ist. Aber ich teile die Einschätzung, dass die große Lücke vor allem bei der Finanzierung der Skalierung von Geschäftsmodellen klafft. Und übrigens: Selbst wenn uns das scaling-up gelingt, dann ist das, was dadurch entstanden ist, im globalen Wettbewerb noch relativ klein. Und dann besteht das Risiko, dass das von US-Big-Tech-Konzernen sofort aufgekauft wird, Stichwort: Killer acquisitions.

Wie sollte Europas Politik darauf reagieren?

Hier ist das Wettbewerbsrecht gefordert, die Unternehmen zu schützen. Außerdem müssen wir über eine besondere Gesellschaftsrechtsform nachdenken, die Start-ups schützt, indem sie Killer acquisitions verhindert und gleichzeitig privates Kapital zu Verfügung stellen hilft, um sicherzustellen, dass die Idee nicht den Schöpfer verlässt. Die Kontrolle über die Innovation darf nicht verloren gehen. Das muss austariert werden. Ziel ist Kapitalzugang ohne Kontrollverlust: Wir müssen über Gesellschaftsrechtsformen nachdenken, die Kapital mobilisieren, ohne dass Kontrolle über das Unternehmen abgegeben werden muss.

Wie lässt sich das gesetzlich fassen?

Ich hatte gerade den Bericht des Rechtsausschusses zu den Multiple-Vote-Share-Structures zu verantworten und habe dort vorgeschlagen, das Konzept der Mehrstimmrechtsaktien auszuweiten. Zu der Debatte gehört aber auch das, was in Deutschland als Gesellschaft mit gebundenem Vermögen diskutiert wird, ebenso wie „asset locks“, also das in der Gesellschaft gebundene Vermögen. Man muss zumindest temporär dafür sorgen können, dass Vermögen in einer Gesellschaft gebunden bleibt und gleichzeitig für Investitionen einsetzbar ist.