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Argentiniens Bonds unter Druck

Von Mauro Toldo *) Börsen-Zeitung, 22.8.2019 Argentinien ist nach den Vorwahlen in eine neue Vertrauenskrise geraten. Ausgelöst wurde diese Krise durch ein überraschend eindeutiges Ergebnis bei den Vorwahlen. Sie lassen erwarten, dass nach den...

Argentiniens Bonds unter Druck

Von Mauro Toldo *)Argentinien ist nach den Vorwahlen in eine neue Vertrauenskrise geraten. Ausgelöst wurde diese Krise durch ein überraschend eindeutiges Ergebnis bei den Vorwahlen. Sie lassen erwarten, dass nach den Präsidentschaftswahlen am 21. Oktober der Reformprozess der vergangenen Jahre nicht fortgeführt wird. Die Märkte reagierten mit deutlichen Kursverlusten. Ein Maßnahmenpaket der Regierung sowie die Zusicherung der Opposition, keine Restrukturierung der Staatsschulden zu planen, halfen nur bedingt, um der Verunsicherung an den Märkten entgegenzuwirken. Am Freitag folgte eine weitere schlechte Nachricht: Zwei Ratingagenturen senkten die Bonitätseinschätzung für das Land. Debakel für MacriBei den Vorwahlen am 11. August erlebte der reformorientierte Präsident Mauricio Macri ein regelrechtes Debakel. Macri konnte nur 32 % der Stimmen für sich gewinnen. Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Alberto Fernández erhielt fast 48 % der Stimmen. Für einen Sieg bereits in der ersten Runde genügt ein Stimmenanteil von 45 % oder ein Vorsprung von 10 Prozentpunkten, wenn mindestens 40 % erreicht werden. Eine Wiederwahl von Macri bei den Präsidentschaftswahlen am 21. Oktober erscheint damit fast unmöglich. Die Deutlichkeit des Ergebnisses war überraschend, denn in den bisher veröffentlichten Umfragen führten die Populisten nur mit einem leichten Vorsprung.An den Märkten kam es nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses zu einer dramatischen Reaktion: Der argentinische Peso wertete im Tagesverlauf auf über 60 ARS/Dollar ab – ein Verlust von über 20 %. Der Peso setzte auch in den darauffolgenden Tagen den negativen Trend fort. Abgeschwächt wurde der Währungsverfall durch Interventionen der argentinischen Zentralbank. Auch der argentinische Aktienindex Merval verlor am ersten Handelstag nach der Vorwahl fast 40 %, wobei er sich in den darauffolgenden Tagen etwas erholen konnte. Der Leitzins schoss in die Höhe und lag bereits am Montag bei 75 %. Der Spread der Argentinien-Anleihen ist von unter 900 auf über 1900 Basispunkte (BP) angestiegen. Auf diesem hohen Niveau verharren die Spreads seitdem, was auf eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Zahlungsausfall hindeutet. Hohe UnsicherheitDie Unsicherheit an den Märkten bleibt hoch. Ein Grund dafür ist, dass zunächst beide Kandidaten wenig Bereitschaft gezeigt haben, die Stimmung durch mäßigende Aussagen zu beruhigen. Präsident Macri stellte aber dann am vergangenen Mittwoch ein Maßnahmenpaket vor, um die Bevölkerung finanziell zu entlasten. In diesem Paket ist unter anderem eine leichte Anhebung der Sozialausgaben und die Anhebung der Mindestlöhne enthalten, sowie das Einfrieren der Kraftstoffpreise für die kommenden 90 Tage. Das Paket dürfte nicht ausreichen, um die Gunst der ärmeren Wähler für sich zu gewinnen. Selbst die personellen Änderungen im Kabinett, wie der Rücktritt des Finanzministers Nicolas Dujovne als Zeichen einer Erneuerung des Kabinetts, dürften die Chancen für eine Wiederwahl von Macri nicht nennenswert erhöhen. Auch von Seiten der Opposition sind die Signale einer Mäßigung nur halbherzig. Der Oppositionskandidat Fernandez beteuerte zwar in einem Zeitungsinterview, dass er keine Restrukturierung der Staatsschulden plane, allerdings kritisierte er weiterhin viele der Reformen von Macri. Trend dürfte anhaltenSollte Macri in den kommenden Wochen die Wende bei den Umfragen nicht schaffen, dann dürfte sich die Abwärtsbewegung sowohl bei den argentinischen Staatsanleihen als auch bei der Währung fortsetzen. Eine positive Wende an den Finanzmärkten könnte auch durch eine pragmatischere Haltung hinsichtlich der Wirtschaftspolitik durch den Kandidaten Fernandez herbeigeführt werden. Diese ist bislang aber nicht erkennbar.Bereits vor der erneuten Verschärfung der Krise war Argentinien kaum in der Lage, sich am Kapitalmarkt zu tragfähigen Konditionen zu finanzieren. Die Zuspitzung der Krise hat die Finanzierungskosten in die Höhe katapultiert. Es ist unwahrscheinlich, dass das Land in den kommenden Monaten überhaupt Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten erlangen kann. Der Internationale Währungsfonds (IWF) könnte zur Überbrückung der Finanzierungsengpässe dienen, allerdings dürfte sich die Zusammenarbeit mit Fernández als problematisch darstellen. Zudem stößt der Fonds nach dem laufenden Programm selber an Grenzen hinsichtlich der Höhe für mögliche Hilfsprogramme. Sollte keine baldige Stabilisierung eintreten, dann könnte es dazu kommen, dass die Krise eine stärkere Eigendynamik entwickelt, die eine Schuldenrestrukturierung notwendig macht. Fitch senkt den DaumenEin Teil dieser Eigendynamik kann nun an der Entscheidung der Ratingagenturen abgelesen werden: Die Ratingagentur Fitch stufte das Land um drei Stufen herab, von “B” auf nun “CCC”. Die Ratingagentur begründete den Schritt mit der gestiegenen Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Wirtschaftspolitik nach einem wahrscheinlichen Regierungswechsel. Eine weitere Begründung liegt in den erschwerten Finanzierungsbedingungen und dem sich verschlechternden wirtschaftlichen Ausblick. Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) senkte ebenfalls das Rating Argentiniens, allerdings nur um eine Stufe von “B” auf “B-“. Gleichzeitig änderte sie den Ratingausblick von “stabil” auf “negativ”. Die Begründung von S&P war ähnlich wie bei Fitch. Sie betonte ebenfalls die Verschlechterung der fiskalischen Lage und der Stabilität Argentiniens als Folge der Währungsabwertung. Die Ratingagentur Moody’s hat bisher keine Änderung vorgenommen. Das Rating liegt aktuell eine Stufe oberhalb der Einschätzung von S&P bei “B2”, allerdings ist der Ratingausblick ebenfalls negativ. Aufgrund der gestiegenen Bonitätsrisiken ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich ebenfalls Moody’s für eine Herabstufung der Bonität Argentiniens entschließt. Geringe AnsteckungseffekteEine positive Nachricht aus den Finanzmarktturbulenzen in Argentinien sind die geringen Ansteckungseffekte in den anderen Emerging Markets. Der bisherige Spread-Anstieg für die Länder in der Region, aber auch der Anstieg der Spreads für Länder mit einer ähnlichen Bonität, ist sehr überschaubar geblieben. Auch für den Fall weiterer Spread-Anstiege von Argentinien-Anleihen sind keine dramatischen Bewegungen bei den anderen Ländern zu erwarten. Die Investoren betrachten die Probleme Argentiniens zu Recht als länderspezifisch. So ist es unwahrscheinlich, dass Investoren ihre Engagements in Emerging Markets als Folge der Argentinien-Krise signifikant abbauen. *) Mauro Toldo, Leiter Emerging Markets / Länderrisikoanalyse im Makro-Research der DekaBank.