Beiersdorf droht Dax-Abstieg
Von Christopher Kalbhenn,
Frankfurt
Die Überprüfung der Indizes der Dax-Familie am 3. März ist ein besonderer Termin. Denn mit der Überprüfung wird ein großer Schwung der Indexregelveränderungen umgesetzt, die der zur Deutschen Börse gehörende Indexbetreiber Stoxx im November beschlossen hat. Nachdem bei der Indexüberprüfung im Dezember bereits das neue Profitabilitätskriterium galt, demzufolge ein Unternehmen in den beiden zurückliegenden Geschäftsjahren ein positives Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) erwirtschaftet haben muss, werden nun u.a. weitere Qualitätskriterien, die rechtzeitige Vorlage von Jahres- und Zwischenberichten sowie der Nachweis eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat umgesetzt. Zudem ist nicht mehr die Notierung im Prime Standard Voraussetzung für die Indexmitgliedschaft, sondern die Notierung im General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse. Die vielleicht wichtigste Veränderung: Erstmals findet nun auch im März zusätzlich eine reguläre Überprüfung der Dax-Zusammensetzung statt und nicht nur wie nach den alten Regeln nur eine Überprüfung im September. Die durchgreifendsten Veränderungen für die Dax-Index-Familie, die Vergrößerung des Dax von 30 auf 40 und die Verkleinerung des MDax von 60 auf 50 Aktien sowie die Abschaffung des Handelsumsatzes als Indexkriterium bzw. dessen Ersatz durch eine Mindestliquiditätsanforderung werden erst zur Überprüfung im September umgesetzt.
Allerdings könnte es im März durchaus zu Veränderungen im Dax kommen. Nach den noch gültigen alten Regeln kann eine Aktie regulär aus dem Standardwerteindex entnommen werden, wenn sie entweder nach der Streubesitzmarktkapitalisierung oder nach Handelsumsatz nicht mehr zu den 40 größten Aktien gehört. Voraussetzung für die Entnahme ist allerdings, dass ein Aufnahmekandidat vorhanden ist, der sowohl nach Streubesitzkapitalisierung als auch nach Börsenumsatz zu den 35 größten Werten zählt. Hinzu kommt die Regular-Entry-Regel, nach der eine Aktie in den Dax aufrückt, wenn sie nach beiden Kriterien zu den 30 größten Titeln zählt. Gleichzeitig muss aber ein Dax-Wert vorliegen, der nach einem Kriterium nicht mehr zu den 35 größten Aktien gehört.
„Multi-Grenzproblematik“
In einer Analyse hat die Commerzbank kürzlich die Ersetzung von Beiersdorf durch Siemens Energy im Dax für das wahrscheinlichste Szenario erklärt, und der Kurseinbruch des Unternehmens vom Mittwoch erhöht nun die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktie des Kosmetikkonzerns weichen muss, zusätzlich. Allerdings ist die Gemengelage für den Überprüfungstermin komplex, wie das Institut betont. Durch den Mix aus noch bestehenden und bereits eingeführten neuen Regeln könne es im März zu einer regulären Dax-Anpassung kommen. Da aktuell eine „Multi-Grenzproblematik“ sowohl mit Blick auf einen Regular-Exit- als auch einen Regular-Entry-Status vorliege, könnten sich mehrere Kombinationen aus Dax-Anpassungen ergeben.
Die Bank unterscheidet insgesamt sieben Szenarien. Liegt etwa ein Kandidat für einen Regular Exit vor – das könnte je nach Entwicklung bis zum Monatsende auch HeidelbergCement sein – würde Zalando aufsteigen. Liegt jedoch ein Regular-Entry-Kandidat vor, der sowohl das Profitabilitätskriterium erfüllt als auch den Regular-Entry-Standard vor – und hier ist eben Siemens Energy der wahrscheinlichste Kandidat, würde dieser mit Beiersdorf den kleinsten Kandidaten verdrängen.
Möglich könnte unter anderem auch sein, dass zwei Regular-Entry-Kandidaten vorliegen, wenn nämlich auch Hellofresh das Profitabilitätskriterium erfüllen sollte. Dann könnte Hellofresh Heidelberg Cement verdrängen. Möglicherweise werden aber die Zahlen des Jahres 2020 von Hellofresh und damit der Nachweis zweier Jahre in Folge mit positivem Ebitda nicht rechtzeitig vorliegen. Noch ein Stück komplizierter wird die Einschätzung dadurch, dass Stoxx nicht die von den Unternehmen vorgelegten Zahlen für die Indexentscheidung verwendet, sondern auf Daten zurückgreift, die Refinitiv zur Verfügung stellt. Dabei handelt es sich nicht um das berichtete, sondern um ein „kalkuliertes“ Ebitda, definiert als „pre-tax income with interest expense on debt an depreciation, depletion and amortization added back an interest capitalized subtracted“.
Theoretisch könnten der Commerzbank zufolge sogar drei Titel ausgetauscht werden. Sollte Beiersdorf auf einem Regular-Exit-Rang stehen, würde die Aktie wohl durch Zalando ersetzt. Würden zudem Siemens Energy und Hellofresh den Regular-Entry-Standard erreichen und das Profitabilitätskriterium erfüllen, könnte neben HeidelbergCement auch noch MTU aus dem Dax ausscheiden, falls Letztere bis zum Monatsende bis zum Monatsende noch auf Rang 36 nach Streubesitzkapitalisierung abrutschen sollte.