IM INTERVIEW: CLYDE ROSSOUW, INVESTEC

"Chinas Wachstum liegt bei null"

Fondsmanager: Dollar-Befestigung vor dem Ende - Derzeit defensivere Positionierung angesagt

"Chinas Wachstum liegt bei null"

Die Akteure an den Aktienmärkten erholen sich allmählich von dem Schrecken, der ihnen durch den weltweiten Kurseinbruch im August in die Glieder gefahren ist. Nach wie vor treiben die Unsicherheiten vor allem über China und die bevorstehende US-Leitzinserhöhung die Gemüter um. Die Börsen-Zeitung hat Clyde Rossouw, Head of Quality bei Investec Asset Management und Portfoliomanager des Investec GSF Global Franchise Funds, zu seiner Einschätzung der Märkte und Strategie befrag.- Herr Rossouw, wie bewerten Sie den Rückschlag an den Aktienmärkten?Die Aktienmärkte hatten eine Phase von mehr als 1 000 Tagen ohne eine Korrektur von mehr als 10 % hinter sich. Nun haben wir eine solche Korrektur erlebt. Allerdings halten viele Leute ein solches Ereignis mittlerweile für ungewöhnlich. Viele der vermeintlichen Belastungen werden von den Medien derzeit übertrieben dargestellt beziehungsweise überbewertet.- Sind die Belastungen denn nicht real?Es gibt durchaus Abwärtsrisiken, die beachtet werden müssen. Griechenland gehört zu den Themen, die überbewertet werden. Dagegen ist China ein echtes Problem. Die vielen und massiven Maßnahmen wie die Leitzinssenkungen und die Währungsabwertung zeigen, dass die chinesischen Behörden in Panik geraten sind. Wir haben erhebliche Zweifel an den offiziellen Wirtschaftsdaten. Das Wachstum Chinas liegt unserer Einschätzung nach tatsächlich bei null. Viele Zahlen aus China passen einfach nicht mit einem angeblich bei ungefähr 7 % liegenden Wachstum zusammen. So hat beispielsweise jetzt der Brauereikonzern Tsingtao für das erste Halbjahr einen Umsatzrückgang um 10 % bekannt gegeben. China ist kein Wachstumstreiber mehr, was erhebliche Auswirkungen für die Schwellenländer, aber auch für entwickelte Volkswirtschaften wie die USA und Deutschland hat.- Für Nervosität sorgt auch der kommende Lift-off des US-Leitzinses. Wie kann sich das auswirken?Wir gehen davon aus, dass die Zinsen angesichts der Abwärtsrisiken insgesamt niedrig bleiben werden und das von uns erwartete Ende der Dollar-Befestigung die Märkte stärker treiben wird als der Beginn der Leitzinserhöhungen. Wir haben eine massive Umkehr der globalen Kapitalflüsse raus aus den Emerging Markets, den Rohstoffwährungen et cetera und rein in den Dollar gesehen. Nun sehen wir aber Anzeichen dafür, dass der Dollar den Zenit erreicht hat. So hat der Euro begonnen zu steigen, ebenso der Yen. Das ist unserer Meinung nach ein positives Signal, dass es in absehbarer Zeit zu einer Erholung der Emerging-Market-Währungen, von Schwellenländeranlagen allgemein und auch des Rohstoffbereiches kommen kann.- Wie positionieren Sie sich in dem gegenwärtigen Umfeld?Wir haben derzeit einen betont defensiven Ansatz. Das bedeutet, dass wir in unserem Aktienportfolio Extremrisiken und hohe potenzielle Abwärtsrisiken vermeiden. Kapitalerhalt hat für uns zurzeit absolute Priorität. Wir können uns aber vorstellen, dass gegen Ende des Jahres oder Anfang 2016 der Zeitpunkt für eine etwas aggressivere Positionierung kommen könnte.- Wie sieht Ihre grundsätzliche Anlagephilosophie aus?Wir setzen für die Verwaltung von Kapital schon seit vielen Jahren unseren auf Qualität ausgerichteten Anlagestil an, der inzwischen eine beeindruckende Erfolgsbilanz vorweisen kann. Wir halten nach Unternehmen Ausschau, die über seltene und außergewöhnliche Qualitäten verfügen, die für nachhaltige Wettbewerbsvorteile sorgen und damit in der Lage sind, eine stetige Wertsteigerung zu liefern. Unserer Meinung nach können vor allem Unternehmen, die eine ideale, ausgewogene Kombination von Qualität, Wachstum und Anlageertrag aufweisen, langfristig Wert für die Aktionäre schaffen. Unser Ziel ist es, mit einem attraktiv bewerteten Portfolio aus diesen Qualitätsunternehmen hohe langfristige Erträge bei unterdurchschnittlichen Risiken zu erzielen. Ferner streben wir ein konzentriertes Portfolio aus zumeist großen Qualitätsunternehmen an, von denen wir glauben, dass wir sie über einen langen Zeitraum halten können.- Nach welchen Kriterien wählen Sie die Unternehmen konkret aus?Wir untersuchen Aktien nach mehreren Kriterien aus. Zunächst schauen wir uns das Geschäftsmodell an. Uns gefallen Unternehmen, die hohe und nachhaltige Renditen mit attraktiven Wachstumsraten bieten. Sie müssen daher in stabil wachsenden Branchen tätig sei, über nachhaltige Wettbewerbsvorteile wie zum Beispiel Marken, Patente und Vertriebsnetze verfügen und ein interessantes langfristiges Wachstumspotenzial aufweisen. Ferner schauen wir uns die Finanzen an. Hier achten wir unter anderem auf zuverlässige Erlöse aus einem diversifizierten und defensiven Geschäft sowie eine niedrige Verschuldung und Kapitalintensität. Die Kapitalallokation ist ebenfalls entscheidend. Wir wollen eine disziplinierte Verwendung des Cash-flow zur Finanzierung des zukünftigen Wachstums und zur Generierung von Wert für die Aktionäre sehen. 80 % des freien Cash-Flow sollten in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an die Aktionäre ausgekehrt werden. Die Anreize der Unternehmensleitung sollten mit den Interessen der Anteilseigner in Einklang stehen. Zu guter Letzt wollen wir natürlich nicht zu viel für ein Unternehmen zahlen, das heißt, es kommt entscheidend auch auf die Bewertung an.- Können sie ein Beispiel für ein Unternehmen mit einem attraktiven Geschäftsmodell nennen?Uns gefällt beispielsweise Visa sehr gut. Das Unternehmen verfügt über das größte Zahlungsabwicklungsnetzwerk mit 2,1 Milliarden Kreditkarten, einem Gesamtabwicklungsvolumen von 6,3 Bill. Dollar und 80 Milliarden Transaktionen pro Jahr. Aufgrund ihrer konkurrenzlosen Präsenz bei Verbrauchern, Händlern und Banken sind die Eintrittsbarrieren für Wettbewerber sehr hoch. Hinzu kommen unter anderem starke Branchentrends. Nach wie vor werden 85 % der weltweiten Transaktionen in bar, per Scheck oder im Mobilhandel getätigt. Visa erhält für jede Kreditkartentransaktion eine Gebühr in Höhe von 15 bis 20 Basispunkten.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.