IM INTERVIEW: KURT SCHAPPELWEIN, RAIFFEISEN CAPITAL MANAGEMENT

"Fed wird die Aktienmärkte belasten"

Stratege setzt auf Liquidität und inflationsgestützte Anleihen - Taktisch in Aktien und Renten untergewichtet

"Fed wird die Aktienmärkte belasten"

Mit der ersten Leitzinserhöhung steht den Finanzmärkten ein einschneidendes Ereignis bevor. Für Investoren ergeben sich dadurch Herausforderungen für die Asset-Allokation. Die Börsen-Zeitung hat Kurt Schappelwein, Leiter der Abteilung Multi Asset Strategien bei Raiffeisen Capital Management, zu den Marktaussichten und seiner Strategie befragt.- Herr Schappelwein, wie sind Sie zurzeit an den Finanzmärkten positioniert?Derzeit sind wir sowohl in Aktien als auch in europäischen Staatsanleihen über das gesamte Spektrum untergewichtet. Diese Vorsicht hat sich in den zurückliegenden Monaten bezahlt gemacht. Wir denken aber mittlerweile darüber nach, im Anleihebereich zurückzukaufen. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, die im Frühjahr noch nahe null lag, hat sich in nennenswertem Umfang erhöht, und auch die Renditen in der Peripherie sind gestiegen. Damit sind die Staatsanleihen wieder deutlich interessanter geworden.- Gibt es neben den wieder höheren Renditen weitere Gründe dafür?Die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank sind ein Argument für Staatsanleihen, da sie stützend wirken. Zudem belebt sich die Wirtschaft zwar, aber eben auch nicht sehr stark. Das ist ein Umfeld, in dem Triple-A-Anleihen wieder interessant sind, aber auch z. B. italienische Staatsanleihen, denen die konjunkturelle Erholung zugutekommt.- Denken Sie auch bei Aktien darüber nach, Positionen wieder aufzustocken?Bei Aktien ist die Situation etwas anders. Wir befürchten, dass die Fed die Aktienmärkte belasten wird. Unserer Meinung nach wird es im September zur ersten Zinsanhebung durch die amerikanische Zentralbank kommen, und eventuell wird es in diesem Jahr auch noch eine zweite Erhöhung geben. Das ist aber momentan an den Märkten nicht eingepreist. Die Geldmarkt-Futures haben die erste Zinsanhebung weiter hinausgeschoben bzw. implizieren einen ersten Zinsschritt erst für Anfang kommenden Jahres. Wenn dann die erste Erhöhung im September kommt, wird es zu einem Repricing kommen, dass die Finanzmärkte vorübergehend belastet. Daher sind wir für Aktien im Hinblick auf die kommenden drei bis sechs Monate vorsichtig eingestellt.- Wie sieht Ihre mittel- bis langfristige Einschätzung der Aktienmärkte aus?Wir glauben nicht an eine Trendwende an den Aktienmärkten. Kursschwächen sind nach unserer Meinung für Käufe zu nutzen. Der Beginn der Zinserhöhungen spricht eben nicht für Anleihen, sondern letztlich für Aktien. Der Leitzins wird erhöht, weil sich die Konjunktur und damit auch die Unternehmensgewinne besser entwickeln. Wir glauben, dass wir uns in der Mitte des Aktienmarktzyklus befinden und wir noch zwei bis drei Jahre lang eine gute Entwicklung an den Aktienmärkten haben werden.- Der Markt hat in den zurückliegenden Jahren aber häufig auf gute Daten negativ reagiert, weil ein Ende der ultralockeren Geldpolitik befürchtet wurde. Wird sich das ändern?Das ist sicherlich eine falsche Logik. Aber es ist nun einmal Tatsache, dass die Geldpolitik die Aktienmärkte angetrieben hat. Daher wird es vorübergehend Irritationen geben. Gute Konjunkturdaten könnten daher die Aktienmärkte in nächster Zeit vorübergehend irritieren. Letztlich bilden sie aber die Basis für einen Aufschwung an den Aktienmärkten. Im Jahr 2004 gab es eine vergleichbare Situation. Zu Beginn des Zinsanhebungszyklus ist der Aktienmarkt fünf bis sechs Monate lang leicht gesunken. Als sich nach dem Beginn herausstellte, dass sich die Konjunktur moderat erholt, ist er jedoch gestiegen. Wir erwarten den amerikanischen Leitzins Ende 2016 bei 1,5%. Das ist kein Niveau, das als restriktiv zu bezeichnen wäre, sondern ein stützendes Niveau für Konjunktur und Aktien. Daher sind wir auch auf längere Sicht optimistisch.- Wie wird sich die US-Zinswende denn auf den Bondmarkt auswirken?Wir erwarten relativ geringe Probleme für den Anleihemarkt. Man muss sehen, dass die US-Zinskurve bereits relativ steil ist. Wir können uns vorstellen, dass sich die Zinskurve in den kommenden ein bis zwei Jahren verflachen wird. Das lange Ende wird um 2,50 % verharren, das kurze Ende anziehen. Insofern kann man in den Langläufern investiert bleiben. Das bietet auch die eine oder andere taktische Gelegenheit. Steigt die zehnjährige Treasury-Rendite auf 2,75 %, wäre das eine Kaufgelegenheit. Um 2 % sollte man verkaufen. Einen Anstieg über 3 % hinaus halten wir für wenig wahrscheinlich.- Warum ist das Ihrer Meinung nach wenig wahrscheinlich?Zum einen, weil es eben zu einem langsamen und moderaten Anstieg des US-Leitzinses kommen wird, vielleicht sogar langsamer als beim zurückliegenden Zinserhöhungszyklus. Wir rechnen mit einem Schritt pro Quartal. Von daher glauben wir, dass der Bondmarkt nicht negativ beeinflusst sein wird. Zum anderen entwickelt sich die Wirtschaft auch nicht so stark, dass es zu einem deutlicheren Renditeanstieg kommen muss.- Wenn Sie in Aktien und Renten untergewichtet sind, wo sind Sie denn übergewichtet?Wir sind in Liquidität übergewichtet. Dahinter steht die taktische Überlegung, bei kommenden volatileren Marktphasen Gelegenheiten nutzen zu können.- Wie halten Sie es mit Spread-Produkten?Bei Spread-Produkten haben wir Bedenken. Dabei geht es nicht um Ertragsaussichten, sondern um die sehr eingeschränkte Liquidität. Wir sind zurückhaltend, weil wir nicht in eine Situation geraten wollen, in der der Markt korrigiert und illiquide ist. Bei europäischen Hochzinsanleihen haben wir aber auch aus Bewertungsgründen ein Engagement von null. Mit Renditen um 4 % wird das Risiko einfach nicht adäquat kompensiert. In dieser Hinsicht sieht es in den USA ein wenig besser aus, die Renditen sind etwas höher. Aber auch dort haben wir wegen des Liquiditätsproblems ein Engagement von null.- Gibt es außer Liquidität Bereiche, die Sie übergewichten?Wir sind in inflationsgestützten Anleihen übergewichtet. Die Europäische Zentralbank verfolgt das Ziel, die Inflationserwartungen nach oben zu bringen. Wir rechnen auch damit, dass die Inflation in den kommenden zwölf bis 18 Monaten steigen wird. Das ist ein Umfeld, in dem die Linker nach unserer Einschätzung outperformen werden.- Was halten Sie von den Emerging Markets?Wir sind schon seit längerer Zeit zuversichtlich, insbesondere für die Anleihen und Währungen. Wir haben seit geraumer Zeit eine Allokation, die wir in den zurückliegenden Monaten ausgebaut haben. Die Bewertungen sind attraktiv, auch wenn die Performance der zurückliegenden Quartale das noch nicht widerspiegelt. Zuletzt haben wir Hartwährungsanleihen aufgestockt. Sie haben eine ähnliche Risikolage wie Hochzinsanleihen, aber um zwei bis drei Prozentpunkte bessere Renditen von 6 bis 7 %. Bei den Lokalwährungsanleihen könnte die US-Zinswende Probleme bereiten. Aber wir glauben, dass das vorübergehend sein wird. Wir behandeln die Emerging Markets nicht taktisch, sondern strategisch, weil wir eine gute Performance in den nächsten drei bis fünf Jahren erwarten.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.