Japanische Aktien

Japans Aktienmarkt startet Aufholrally

Trotz der Unsicherheiten um die Nachfolge von Premierminister Yoshihide Suga hat der japanische Aktienmarkt seine Aufholjagd in dieser Woche fortgesetzt.

Japans Aktienmarkt startet Aufholrally

Von Martin Fritz, Tokio

Nach dem De-facto-Rücktritt von Premier Yoshihide Suga vor einer Woche hat der Nikkei die Schwelle von 30000 Yen erstmals seit fünf Monaten zurückerobert. Der breiter gefasste Topix mit knapp 2000 Titeln stieg auf neue Jahreshochs und zugleich den höchsten Stand seit August 1991. Die Avancen passen eigentlich nicht zum aktuellen Machtvakuum in Japan: Trotz Aufgabe regiert Suga noch bis zum 4. Oktober weiter, da sein Nachfolger der neue Vorsitzende der Regierungspartei LDP sein wird. Dessen Wahl findet jedoch erst am 29. September statt. Zudem gibt es bei der Abstimmung keinen klaren Favoriten. Dass die Anleger trotz solcher Unsicherheiten so viel kaufen, begründen Analysten mit mehreren Faktoren.

Erstens hinkte Japan laut der Investmentbank Jefferies Europa und den USA zuletzt so weit hinterher wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die Aufholrally setzte allerdings schon Mitte August ein. Denn zu diesem Zeitpunkt begannen die Infektionszahlen zu stagnieren, während die Impfquote schneller als erwartet nach oben geklettert war. Inzwischen haben 50% der Bevölkerung eine Zweitimpfung erhalten. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass im Herbst ein zyklischer Aufschwung einsetzt.

Wahl bis Ende November

Zweitens gehen die Anleger davon aus, dass die Regierung im Oktober, unabhängig von der Person des Premierministers, ein großes Konjunkturpaket im Bereich von 30 Bill. Yen (231 Mrd. Euro) schnüren wird. Zum einen dürfte die Impfquote dann so hoch sein, dass sich der Corona-Notstand endlich aufheben lässt, was wiederum frische Stimuli erlauben würde. Zum anderen wird die Koalition aus LDP und Komeito versuchen, ihre Chancen bei der Parlamentswahl durch das Versprechen von Konjunkturhilfen zu verbessern. Der Urnengang muss laut Wahlgesetz bis Ende November stattfinden.

Wie schon im Vorjahr könnte der Staat wieder Restaurantbesuche und Binnenreisen direkt subventionieren. Ohnehin verfügt der künftige Regierungschef noch über schon bewilligte Ausgabenmittel von 30 Bill. Yen. Insofern wettet die Börse hier auf ein ziemlich sicheres Ereignis. Ihr Fokus dürfte auf den Unternehmen liegen, die unter der Pandemie besonders gelitten haben. Zugleich gehen die Anleger davon aus, dass die Geldpolitik der Bank of Japan extrem locker bleiben wird. Bei Sugas Schritt zuckten der Anleihe- und der Devisenmarkt jedenfalls kaum. Gouverneur Haruhiko Kuroda bekräftigte am Mittwoch die Fortsetzung seiner Geldpolitik und verwies dabei auf die niedrige Inflationsrate. Drittens spielt die bevorstehende Wahl auch in den Überlegungen der Anleger eine Rolle. In der Vergangenheit legten die Aktienkurse häufig in den zwei Monaten vor dem Wahltag überdurchschnittlich zu, weil sich ausländische Investoren kurzfristig positionierten. Als weiteres Argument gilt der saisonale Faktor: Im vierten Quartal neigt der Yen zur Schwäche, was die Kurse in Japan oft bis zum Jahresende beflügelt.

Angesichts dieser positiven Um­stände konzentriert sich das Interesse auf die mögliche Wirtschafts­politik der drei wahrscheinlichsten Suga-Nachfolger. Ex-Außenminister Fumio Kishida, der Kandidat des Establishments, kündigte überraschend einen Abschied vom Neoliberalismus der letzten 20 Jahre und eine Schließung der „wachsenden Einkommenslücke“ an. Sein Vorschlag für ein Pandemie-Krisenzentrum bescherte Medizinaktien wie M3 und Takara Bio Kursgewinne. Der Favorit in Wählerumfragen, Taro Kono, propagierte zunächst Grün- statt Atomstrom, aber korrigierte sich dann. AKWs würden für die Klimaziele noch gebraucht. Darauf gaben die Aktien von Stromversorgern wie Kansai Electric Power (Kepco) zuerst kräftig nach und sprangen dann wieder hoch. Die dritte Kandidatin Sanae Takaichi versprach eine Fortsetzung der Abenomics und eine verstärkte Katastrophenvorsorge für 100 Bill. Yen (769 Mrd. Euro) in zehn Jahren. Die Ausgaben würden den Baufirmen und Baumaschinenherstellern nützen.

Einige Analysten sehen Kurspotenzial über die Parlamentswahl hinaus: UBS erwartet ein starkes Gewinnwachstum der Unternehmen von 42% 2021 und 8% 2022. „Die Bewertungen sehen bescheiden aus“, sagte Mark Haefele, CIO von UBS Global Wealth Management. Laut Morgan Stanley ist Japan der zweitgrößte Standort für Shareholder-Aktivisten. Im Schnitt würden sie ihre Aktien 22 Monate halten und 13,4% Rendite erzielen. T. Rowe Price beschreibt Japan als den „offensten und zyklischsten Markt der Welt“, der besonders vom postpandemischen Aufschwung profitieren werde. Der Vermögensverwalter Nikko AM nennt die gestärkte Governance und den geplanten Börsenumbau im April 2022 als längerfristige Kaufgründe.

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