Tourismus-Riesen zurück in der Erfolgsspur
Aktienmarkt
Tourismus-Riesen zurück in der Erfolgsspur
BEACH-Titel schlagen breiten Aktienmarkt – Branchenwerte entwickeln sich höchst unterschiedlich – Unternehmen haben hohe Preissetzungsmacht
Während einige Titel den breiten Aktienmarkt zuletzt um Längen schlagen konnten, ist andernorts Katzenjammer angesagt. Gerade deutsche Papiere kämpfen mit einigen Problemen. Dagegen könnte die Rally für Branchenriesen wie Booking durchaus noch weitergehen.
Von Tobias Möllers, Frankfurt
Der Sommerurlaub steht vor der Tür, und damit richtet sich der Blick der Anleger auch auf die Aktien von Flug- und Touristikunternehmen. Nach den Covid-Jahren stehen Flug- und Fernreisen bei vielen Menschen wieder hoch im Kurs. Ein zusätzlicher Treiber für Reisekonzerne dürften in dieser Saison die Europameisterschaft in Deutschland und die Olympischen Spiele in Paris sein.
Andererseits gibt es auch einige Belastungsfaktoren für die Branche. So sind die Kosten für Energie, Gastronomie und weitere Dienstleistungen deutlich gestiegen. Die lange hohe und beispielsweise in den USA längst noch nicht ausgestandene Inflation sorgt für Zurückhaltung bei den Verbrauchern. Auch das noch sehr hohe Zinsniveau und die schwierige geopolitische Lage drücken auf die Urlaubsstimmung.
Kreuzfahrt-Boom nach Corona
Die Stimmung in der Branche ist dann auch sehr unterschiedlich, und die Aktien laufen bei ihren Bewertungen entsprechend auseinander. Im vergangenen Jahr waren nach dem Tech- und KI-Giganten Nvidia und der Facebook-Mutter Meta Royal Caribbean Cruises und Carnival die renditeträchtigsten Titel im amerikanischen S&P 500. Carnival gewannen 2023 125%, Royal Caribbean sogar 143%. Beide Reedereien verzeichneten einen Nach-Corona-Boom, der die Kreuzfahrer zu großen Gewinnern machte.
Ganz anders dürfte die Stimmung bei den Kunden und Aktionären von FTI Touristik sein. Europas drittgrößter Reisekonzern nach Tui und DER Touristik meldetet am Montag Insolvenz an. In den Corona-Jahren hatte das Unternehmen mit 11.000 Beschäftigten noch 595 Mill. Euro aus dem staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bekommen. Zuletzt war eine Übernahme durch den US-Finanzinvestor Certares nach enttäuschenden Buchungszahlen von FTI gescheitert.
BEACH-Aktien heben ab
Eine Analyse von Etoro zeigt dennoch, dass Investments in Touristik-Titel zuletzt eine beeindruckende Rendite lieferten. Die Trading- und Investmentplattform hat sich die sogenannten BEACH-Aktien angeschaut, Papiere aus den Bereichen Buchungen, Unterhaltung, Fluggesellschaften, Kreuzfahrten und Hotels (Booking, Entertainment, Airlines, Cruises and Hotels). Das Ergebnis: Ein Korb der größten globalen Tourismus-Werte erzielte zuletzt eine sechsmal so hohe Rendite wie der breite weltweite Aktienmarkt (46 gegenüber 7%) und schlug so sogar den Nasdaq 100 (+37%). Ein Korb der europäischen BEACH-Branchenführer bringt es immerhin noch auf ein Plus von 24% gegenüber den 7%, die der globale Aktienmarkt im selben Zeitraum zulegte.
Ben Laidler, Global Markets Strategist bei Etoro, erklärt dazu: „BEACH-Aktien haben dank des starken Wachstums im Reise- und Gastgewerbesektor eine erstaunliche Leistung vollbracht. Der Flugverkehr verzeichnete im letzten Jahr einen enormen Anstieg von 37%. Auch die Hotelbuchungen sind um 80% in die Höhe geschnellt, und die Kreuzfahrtbranche verzeichnete einen Anstieg der Passagierzahlen um 50%.“ Das Wachstum könnte sich 2024 durchaus fortsetzen.
Top-Performer bei den globalen Touristik-Werten waren bei Etoro neben den bereits erwähnten Royal Caribbean Delta-Airlines-Papiere, die sich um 54% verteuerten. In Europa zählten Melia Hotels (+31%), das Reisebüro Edreams (+27%) und Accor Hotels (+24%) zu den größten Gewinnern.
„Nach drei aufeinanderfolgenden Jahren mit beeindruckenden Wachstumsraten von 20% ist die Reisebranche nun bereit, die Höchststände von vor der Pandemie weiter zu übertreffen“, so Laidler, der eine ‚neue Normalität‘ mit starker Nachfrage und einer hohen Preissetzungsmacht dank begrenzter Kapazitäten sieht.
Jüngere Generation reist mehr
Grundsätzlich positiv blickt auch Oleksandr Pidlubnyy, Portfoliomanager für thematische Aktieninvestments bei Allianz Global Investors, auf die Branche. Große Volkswirtschaften wie die USA und Europa entwickelten sich gut, auch China dürfte allmählich wieder Boden gutmachen. „Ein Wachstumsmotor für die Branche dürfte die Nachfrage der jüngeren Generationen sein. Diese sind – relativ gesehen – in höherem Maß an Erlebnissen und weniger an materiellem Wohlstand interessiert. Eine Reise zu einem exotischen Ziel oder ein einzigartiges Sporterlebnis scheint für jüngere Generationen attraktiver zu sein als der Kauf eines neuen Autos oder die Renovierung einer Wohnung“, so der AGI-Experte.
Einer von Pidlubnyys Favoriten ist die Aktie von Booking. Das Online-Reiseportal für die Buchung von Flügen, Hotels und Mietwagen hat in vielen Ländern eine monopolartige Marktstellung, bei Hotelbuchungen in Europa kommt es auf einen Marktanteil von 70%. Die Zahl der Übernachtungen, die über Booking gebucht wurden, lag im Jahr 2022 um 52% über der von 2021 und auch 6% über der Zahl von 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie. Sie dürfte 2023 weiter angestiegen sein. Seit ihren Tiefstständen Anfang 2020 hat sich der Wert der Aktie mehr als verdreifacht. Auf Sicht von fünf Jahren steht unter dem Strich ein Plus von 128%.
Ebenfalls im Fokus des Experten ist die Hilton-Aktie, die bereits 2022 ihr Vorkrisenniveau übertroffen und Anfang 2024 ein Allzeithoch markiert hat. Das Unternehmen will seine Zimmerkapazität weiter erhöhen und damit auch Umsatz und Gewinn. Auf Sicht von fünf Jahren hat sich die Aktie um 124% verteuert.
Weltindex geschlagen
Auch Pidlubnyy betont, dass Aktien wie die von Booking oder die der Hilton Group den MSCI ACWI 2023 deutlich übertroffen haben. Mit Blick auf die Zukunft ist der Portfoliomanager gleichwohl etwas vorsichtiger. Zuletzt hätten sich diese Aktien ähnlich wie der allgemeine Aktienmarkt entwickelt. Pidlubnyy erwartet für 2024 für die Touristikbranche ein „solides Jahr“.
Neben Booking ist Airbnb ein Liebling vieler Analysten und Aktionäre. Das erst 2008 gegründete Unternehmen ist weltweit führend bei der Vermittlung von privaten Zimmern und Ferienwohnungen und hat 2022 erstmals die Gewinnzone erreicht. Allerdings fällt die Aktie von Airbnb durch starke Schwankungen auf. Die Papiere starteten nach dem IPO mit einem Preis von 68 Dollar, kletterten dann bis Februar 2021 kräftig auf 220 Dollar, um anschließend rasant bis auf 82 Dollar abzustürzen. Zuletzt zeigte der Trend aber wieder deutlich nach oben.
Deutsche Aktien schwächer
Weniger Kursfantasie entfachten zuletzt deutsche Touristik-Aktien. Papiere von Tui, die vor der Rückkehr in den MDax stehen, verloren auf Fünfjahressicht 72%. Die Titel der Lufthansa, sie sich zuletzt mit Problemen bei der ITA-Übernahme herumschlagen musste, sackten allein in diesem Jahr knapp 20% ab. Gleichwohl rät der Finanzdienstleister Stifel bei der Airline zum Kauf. Die Bewertung sei mittlerweile attraktiv, zudem seien Arbeitskonflikte inzwischen beigelegt und die Sommernachfrage deutlich stärker. Und auch die Aktie des Tui-Konzerns witterte zuletzt Morgenluft: Ausgerechnet in der Woche der FTI-Pleite zog das Papier um knapp 10% an. Blickt man auf das KGV des Hannoveraner Unternehmens, so deutet es mit niedrigen 6,9 weiterhin auf eine Unterbewertung hin.
Wer statt über Einzeltitel lieber über ETFs auf die Reisebranche setzen möchte, der ist mit dem iShares Stoxx Europe 600 Travel & Leisure gut bedient. Alternativ kann man auch auf den Lyxor Stoxx 600 Travel & Leisure setzen. Grundsätzlich könnte sich die Erholungsrally bei finanzstarken Marktführern und Branchenriesen wie Booking noch eine Weile fortsetzen. Ein Blick auf die jüngere Vergangenheit zeigt aber auch, dass nicht jeder Branchentitel einfach mal abheben wird.