Börsianer erwarten Rezession im Euroraum
ba Frankfurt
Zu Beginn des zweiten Quartals zeigt sich bereits, wie stark der Ukraine-Krieg auf der Wirtschaft lastet – nicht nur in Deutschland und in der gesamten Eurozone, sondern auch in allen anderen größeren Wirtschaftsregionen. Gemessen an den vom Institut Sentix gemessenen Konjunkturerwartungen zeigt sich ein rundum düsteres Bild. Für den Euroraum und für Deutschland sei vom Beginn einer Rezession auszugehen und auch wenn die Abschläge international geringer ausfielen, vermochte sich keine Region dem negativen Momentum entgegenzustellen, hieß es beim Analysehaus Sentix. „Selbst die wichtige asiatische Region kämpft bereits mit einer Stagnation“, kommentierte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 1249 Anlegern.
Das Sentix-Barometer für den Euroraum ist im April das zweite Mal in Folge gefallen, um 11 auf −18,0 Punkte. Das ist der niedrigste Wert seit Juli 2020, der Zeit der ersten Coronawelle. Nicht nur, dass die aktuelle Lage mittlerweile so schwach bewertet wird wie seit einem Jahr nicht – die Erwartungen sind sogar auf den niedrigsten Stand seit Dezember 2011 eingebrochen (siehe Grafik). Dass sich Lage- und Erwartungskomponente zugleich im Negativterritorium befinden, signalisiert, dass die Wirtschaft zu schrumpfen beginnt.
„Die Wirtschaft Eurolands wird damit durch den Ukraine-Konflikt sowie die damit einhergehenden Sanktionen und Unsicherheiten in die Rezession befördert“, mahnte Hübner. Bedingt durch die nach wie vor erhebliche Dynamik bei der Inflation erwarteten die Anleger zudem nicht, dass die EZB durch eine lockere, gar noch expansivere Geldpolitik zu Hilfe eilen könne.
Im März ist die Inflationsrate auf 7,5% gesprungen, den mit Abstand höchsten Wert seit Einführung des Euro 1999. Dies schürt die Erwartungen auf ein baldiges Ende der Negativzinsen. Die nächste EZB-Ratssitzung Mitte April dürfte daher ganz im Zeichen des erneut unerwartet kräftigen Preisschubs stehen.
Der Blick der Börsianer für Deutschland fällt gleichfalls düster aus. Der Gesamtindex ist um 11,9 auf −17,1 Punkte gefallen und somit auf das Niveau von Juni 2020. Sowohl Erwartungs- als auch Lagekomponente haben kräftig nachgegeben – Erstere sogar auf den schlechtesten Wert seit Januar 2009, also der Zeit der globalen Finanzmarktkrise. Zudem ist in den Daten ein etwaiger Lieferstopp russischer Energie nicht berücksichtigt, mahnt Hübner.
„Eine Störung bei den russischen Gaseinfuhren bleibt eine große Gefahr“, heißt es denn auch beim Industrieverband BDI, „sie droht über komplexe Kaskadeneffekte Produktionsstörungen in vielen Branchen auszulösen“. Wegen der immensen Unsicherheiten und immer neuer Engpässe in der Produktion verzichtet der Verband auf eine aktuelle Prognose. Erwartet wird, dass die Ausrüstungsinvestitionen 2022 stagnieren und die privaten Konsumausgaben nur geringfügig zulegen, da die hohen Energiepreise erhebliche Kaufkraftverluste verursachen, hieß es beim BDI. Auch die Außenwirtschaft dürfte das Wachstum belasten.