Deutsches Exportplus mit Vorbehalt
rec Frankfurt
Die deutsche Außenwirtschaft hat im April mit satten Zugewinnen im Export wie Import überrascht – doch laut Experten sind die Zahlen mit Vorsicht zu sehen. Laut Statistischem Bundesamt haben sich die Exporte deutlich stärker vom Rückgang im März erholt, als Ökonomen erwartet hatten. Fachleute dämpften allerdings Hoffnungen, dass es sich um eine Trendwende handelt. Auch das verstetigte Wachstum der Importe steht wegen großer Probleme in China unter Vorbehalt.
Die Exporte legten im April saison- und kalenderbereinigt um 4,4% zu, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg um 1,5% gerechnet, nachdem die Ausfuhren im März saison- und kalenderbereinigt um 3% abgesackt waren. Die Importe legten im April mit 3,1% ebenfalls weitaus stärker zu als erwartet und setzten damit vorangegangene Zugewinne in ähnlicher Größenordnung fort.
Für Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING, lindert die positive Überraschung im Außenhandel Sorgen vor einer Rezession. Sein Kollege Alexander Krüger vom Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe atmet „nach dem desaströsen Einzelhandelsergebnis“ im April (−5,4%) auf. Alles in allem überwiegt allerdings Skepsis.
Am deutlichsten wird Volker Treier, Chefvolkswirt des Industrieverbands DIHK: „Das Exportplus im April ist leider keine Trendwende. Es geht allein auf Preissteigerungen bei den Ausfuhren zurück.“ Der DIHK stuft die offiziellen Außenhandelszahlen wegen erheblicher Preiseffekte schon länger als trügerisch ein. In realen Werten, also preisbereinigt, rechnet der DIHK bestenfalls noch mit einer Stagnation der Exporte im laufenden Jahr und warnt vor roten Zahlen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat seine Exportprognose ebenfalls gestutzt, wenngleich bei Weitem nicht so stark: Statt +4% erwartet der BDI für 2022 nun noch +2,5%.
Laut jüngeren Daten aus der globalen Containerschifffahrt, die das Institut für Weltwirtschaft (IfW) regelmäßig auswertet, entwickeln sich Im- und Exporte wichtiger Volkswirtschaften – einschließlich der deutschen – momentan nahe null. Auch Brzeski schränkt ein: „Das Wiederaufleben der Exporte könnte sich als Strohfeuer erweisen, da die deutsche Exportwirtschaft mit mehr Gegenwind zu rechnen hat.“ Krüger relativiert: „Für die nächsten Monate wird es darauf ankommen, dass die Exporte nicht stärker in den Würgegriff stockender Lieferketten geraten.“
Als „erfreulich“ hebt Krüger hervor, dass wieder mehr Produkte aus China geliefert werden. Von dort kamen laut Statistischem Bundesamt im April kalender- und saisonbereinigt Waren im Wert von 18,4 Mrd. Euro bei hiesigen Firmen an. Das sind 12,3% mehr als im März. Die Erholung der Einfuhren aus dem Reich der Mitte, dem wichtigsten Handelspartner Deutschlands, kompensierte den leichten Importschwund aus anderen Wirtschaftsräumen, allen voran den USA.
Drei Viertel der deutschen Firmen klagen derweil laut regelmäßiger Umfrage des Ifo-Instituts über Materialengpässe – ein historisch sehr hoher Wert. Die Mehrheit der betroffenen Unternehmen wiederum gibt an, massive Coronabeschränkungen in China hätten die Situation weiter verschlimmert. Das meldet das Ifo-Institut. „Branchen wie die Automobilindustrie, Chemie, Maschinenbau oder elektrische Ausrüstungen, die eng mit der chinesischen Wirtschaft verflochten sind, sind am stärksten betroffen“, sagte Ifo-Außenwirtschaftschefin Lisandra Flach.
Ein Hoffnungsschimmer ist, dass Peking von seiner Nulltoleranzpolitik in Sachen Corona abgerückt ist. Allen voran die Wirtschafts- und Finanzmetropole Schanghai ist nicht länger abgeriegelt. Schanghai betreibt den weltgrößten Containerhafen. Insbesondere deutsche Unternehmen sind darauf angewiesen, dass dieses und andere Drehkreuze in China reibungslos funktionieren.