Digitalisierung birgt "Sprengpotenzial"

Berenberg und HWWI: Notfalls muss der Staat für ein Grundeinkommen sorgen

Digitalisierung birgt "Sprengpotenzial"

ge Berlin – Die neue digitale Ökonomie könnte die Gesellschaft, wie wir sie kennen, komplett verändern und einem Großteil der Bevölkerung die Lebensgrundlage entziehen. In einer Studie zur “Digitalökonomie” halten die Privatbank Berenberg und das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) dieses “20:80-Szenario” zwar nur für ein Nebenszenario, jedoch für nicht ausgeschlossen. Hier wären die (US-)Internet-Giganten in der Lage, ihre marktbeherrschende Stellung auszunutzen. Das hiesige Bruttoinlandsprodukt (BIP) wäre im Jahr 2030 zwar deutlich höher als heute. Und dank der hochproduktiven digitalisierten Wirtschaft gebe es keinen Mangel an Gütern und Dienstleistungen.Allerdings wären 80 % der Bevölkerung von der Möglichkeit ausgeschlossen, Einkommen zu erzielen. Weil damit Kaufkraft und Nachfrage fehlten müsste der Staat für eine Grundsicherung, zum Beispiel in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens, sorgen, schreiben die Studienautoren.Doch selbst beim wahrscheinlicheren “Strukturwandel-Szenario”, bei dem es zu keinen gesellschaftssprengenden Transformationen kommen dürfte, werde die Einkommensverteilung ungleicher, ist sich Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau sicher. So richtig die Digitale Agenda der Bundesregierung sei, zeige sich Berlin doch “völlig blank”, wenn die Annahme nicht stimmt, dass die Digitalisierung mehr Arbeitsplätze schafft als vernichtet – “und da bin ich mir nicht sicher”, gesteht Quitzau, “die Regierung ist von Optimismus geprägt”. Wertschöpfung steigtEntsprechend skeptisch sind die Autoren, ob ihre Berechnung der zusätzlichen jährlichen Wertschöpfungspotenziale bis zum Jahr 2030 durch die “Industrie 4.0” von 17 bis 25 Mrd. Euro auch stimmen. Jegliche Zahlen seien wenig wert, weil die Veränderungen durch die Digitalisierung “fundamental” seien, räumt HWWI-Direktor Henning Vöpel ein. Sollte zudem der 3-D-Druck schneller und billiger werden, so berge die Technologie nicht nur Chancen für die hiesige Exportindustrie, sondern auch “volkswirtschaftliches Sprengpotenzial”, heißt es in der Studie.Zwar sei die deutsche Industrie mit ihren geschlossenen Wertschöpfungsketten und ihrer konsequenten Weltmarkt- und Innovationsorientierung für den digitalen Wandel grundsätzlich gut aufgestellt. Gleichwohl gebe es eine ganze Reihe “gravierender Schwachstellen” – wie etwa Rückstände in der digitalen Infrastruktur und bei der Softwareentwicklung -, die dazu führen könnten, dass die hiesige Volkswirtschaft den Anschluss an die Digitalisierung verpasst. Wegen der zunehmenden Lernfähigkeit von Computern gerieten auch höher qualifizierte Tätigkeiten unter Druck. “Ein Risiko der technologischen Arbeitslosigkeit im Zuge von Industrie 4.0 ist nicht von der Hand zu weisen.”