Geldpolitik

EZB-Tauben treten auf die Zinsbremse

Am Donnerstag hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde wegen der nach wie vor zu hohen Inflation eine weitere „erhebliche Straffung“ der Euro-Geldpolitik in Aussicht gestellt. Tags darauf klingen andere Notenbanker sehr viel vorsichrtiger.

EZB-Tauben treten auf die Zinsbremse

EZB-Tauben treten auf die Zinsbremse

Villeroy de Galhau: Weitere Erhöhungen „relativ marginal“ – Panetta: Ende in Sicht

ms Frankfurt

Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau und EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta haben in der Debatte über weitere Leitzinserhöhungen im Euroraum auf die Bremse getreten. Villeroy de Galhau sagte am Freitag, dass weitere Zinsschritte „relativ marginal“ sein dürften, und Panetta erklärte, dass das Ende der jüngsten Zinserhöhungen nicht mehr weit sei. Tags zuvor, am Donnerstag, hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde wegen der nach wie vor zu hohen Inflation eine weitere „erhebliche Straffung“ in Aussicht gestellt.

Seit Juli vergangenen Jahres hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen so aggressiv erhöht wie nie – um 375 Basispunkte. Grund war die zeitweise bis auf den absoluten Rekordwert von 10,6% hochgeschnellte Inflation. Jetzt ist der weitere Kurs aber zunehmend unklar und umstritten: Die Hardliner im EZB-Rat („Falken“) pochen auf weitere Zinsschritte wegen der hohen Inflation. Die „Tauben“ mahnen zur Vorsicht, zumal sich die Euro-Wirtschaft bereits deutlich abschwächt und Zinserhöhungen mit Verzug voll wirken. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass die Euro-Inflation im Mai von 7,0% auf 6,1% gesunken ist.

„Die Geldpolitik beginnt zu wirken“, sagte Villeroy nun auf einer Konferenz in Toulouse, auch mit Blick auf die Mai-Inflationszahlen, die neben dem unerwartet starken Rückgang der Gesamtrate auch einen überraschend deutlichen Rücksetzer bei der Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel) ergeben hatten – von 5,6% auf 5,3%. „Es ist das erste Mal, dass wir einen so spürbaren Rückgang der zugrunde liegenden Inflation haben“, sagte Villeroy de Galhau. Die zugrunde liegende Inflation gilt als besserer Gradmesser für die weitere Inflationsentwicklung. Villeroy de Galhau gilt tendenziell eher als „Taube“ im EZB-Rat, aber zugleich als Notenbanker, der häufig künftige Entwicklungen vorzeichnet.

EZB-Direktoriumsmitglied Panetta sagte am Freitag, dass seiner Meinung nach die EZB nicht mehr allzu viele Zinsanhebungen vor sich habe. „Wir haben das endgültige Ziel noch nicht erreicht, aber wir sind nicht mehr weit davon entfernt“, sagte er der französischen Tageszeitung „Le Monde“. „Ich denke, es ist jetzt nicht die Zeit, zu schnell vorzugehen, denn wir haben bereits einen weiten Weg zurückgelegt.” Der Italiener gilt als klarer Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik.

Am Donnerstag hatte EZB-Chefin Lagarde trotz der nachlassenden Inflation im Euroraum mehrere weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. „Heute ist die Inflation zu hoch und dürfte es noch zu lange bleiben. Wir sind entschlossen, sie zeitnah auf unser mittelfristiges Ziel von 2% zurückzuführen.“ Die EZB wisse, dass trotz der „starken und raschen Zinserhöhungen“ noch eine erhebliche Straffung der Geldpolitik anstehe.

Unterdessen hat der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, Marcel Fratzscher, der EZB einen Strategiewechsel nahegelegt. Die US-Notenbank habe mit ihrem dualen Mandat von Preisstabilität und Vollbeschäftigung deutlich mehr Flexibilität als die EZB, die sich auf ein symmetrisches Mandat von 2% Inflation in der mittleren Frist festgelegt hat: „Viele Zentralbanken werden sich weiter schwertun, Preisstabilität zu erreichen. Die EZB sollte ihr quantitatives Inflationsziel daher besser aufgeben“, so Fratzscher in einem Gastbeitrag im „Handelsblatt”.

Dagegen hatte der Chef der Kapitalmarktabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF), Tobias Adrian, unlängst im Interview der Börsen-Zeitung vor jeder Änderung am verbreiteten Inflationsziel von 2% gewarnt. „Jetzt an den Inflationszielen herumzudoktern, würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken nachhaltig schwächen würde“, sagte er (vgl. BZ vom 26. Mai).

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