Deutsche Konjunktur

Großaufträge drücken Bestellungen ins Minus

Die deutsche Industrie startet mit einem rückläufigen Auftragseingang ins zweite Quartal. Erneut waren es die Großaufträge, die das Bild verzerren.

Großaufträge drücken Bestellungen ins Minus

Großaufträge drücken das Ergebnis

Kerngröße legt um 2,9 Prozent zu − Stimmungsindikatoren sorgen für Zuversicht

Die Auftragsmisere der deutschen Industrie setzt sich fort – im April wird ein Minus von 0,2% verbucht. Allerdings verzerren erneut Großaufträge das Bild, ohne sie ergibt sich ein deutliches Plus. Da Stimmungsumfragen eine höhere Zufriedenheit mit Auftragseingang und -bestand zeigen, scheint das Schlimmste überstanden.

ba Frankfurt

Der Auftragseingang der deutschen Industrie im April liefert Stoff sowohl für Konjunkturoptimisten als auch -pessimisten: Zwar gingen weniger Bestellungen ein als im Vormonat und das März-Ergebnis wurde kräftig nach unten revidiert. Doch wurde ohne die volatilen Großaufträge ein Plus erzielt und Stimmungsindikatoren zeichnen derweil ein freundlicheres Bild der hiesigen Wirtschaft. Ökonomen sind sich allerdings einig, dass dies immer noch keine Wende zum Besseren ist und das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal mau ausfallen wird.

Kerngröße legt deutlich zu

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) hat das verarbeitende Gewerbe im April preis-, saison- und kalenderbereinigt 0,2% weniger Neubestellungen eingesammelt als im Vormonat. Ökonomen hatten für April ein Plus von 0,6% erwartet, verstehen angesichts des deutlichen Orderwachstums von 2,9% ohne die Großaufträge, den Daten aber Positives abzugewinnen. „Die April-Zahl ist für sich genommen keine Katastrophe, denn es war nur ein Mini-Rückgang“, schreibt etwa Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. Dennoch zeige die Zahl, „wie schwer sich die Konjunktur derzeit tut, wieder Tritt zu fassen“. Weitere Indizien sind etwa die deutliche Abwärtsrevision des für März zunächst gemeldeten Rückgangs von 0,4% auf −0,8% oder der erneute Umsatzrückgang. Für April weist Destatis ein Minus von 0,9% aus nach revidiert –0,4 (zunächst: –0,7)% im März.

Im weniger schwankungsanfälligen Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von Februar bis April um 5,4% unter dem Niveau der vorherigen drei Monate. Dies sei „hauptsächlich auf einen Großauftrag im Dezember 2023 zurückzuführen“, erklärten die Statistiker. Ohne Großaufträge ergibt sich ein Minus von 1,4% zu den drei Monaten zuvor.

Die Großaufträge, die in der Regel keinen Einfluss auf die Entwicklung der Produktion in den kommenden Monaten haben, zeigen sich vor allem bei den Bestellungen im sonstigen Fahrzeugbau, zu dem Flugzeuge, Schiffe und Züge zählen. Hier meldet Destatis ein Minus von 15,4% zum Vormonat. Aber „auch die Rückgänge bei der Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (−5,1%), bei der Herstellung von elektrischer Ausrüstung (−4,1%) und im Maschinenbau (−1,5%) sind auf ausgebliebene Großaufträge zurückzuführen“, hieß es in Wiesbaden. In der Autoindustrie gab es hingegen einen Zuwachs um 4,1%.

In diesem Jahr nur Rückgänge

Seit dem Auftragsschub im Dezember sinken die Bestellzahlen. Ökonomen werten die April-Daten zwar als potenzielles Ende des seit zwei Jahren währenden Abwärtstrends. Sie betonen aber, dass die Auftragseingänge deutlicher zulegen müssten, um der Konjunktur auf die Sprünge zu helfen. „Es fehlen die Wachstumsimpulse“, erklärt LBBW-Volkswirt Niklasch. „Sie werden wohl wieder einmal von außen kommen müssen, sprich von den Exporten.“ Im April wurden aus dem Inland 0,3% weniger Bestellungen getätigt, die Auslandsaufträge sanken um 0,1%. Aus den Ländern des Euroraums kamen weniger Aufträge − hier gab es ein Minus von 1,4%, wohingegen die Nachfrage aus dem übrigen Ausland stieg, und zwar um 0,6%. „Vor allem Großaufträge aus dem europäischen Ausland haben zuletzt zu hohen monatlichen Schwankungen geführt“, erinnert das Bundeswirtschaftsministerium. Für den weiteren Jahresverlauf deute sich aber „eine allmähliche Belebung der binnen- und außenwirtschaftlichen Nachfrage an, die auch zu einer Trendumkehr bei den Auftragseingängen führen dürfte“.

Stimmungsindikatoren sorgen für Zuversicht

„Die industrie- und exportlastige deutsche Wirtschaft braucht gut gefüllte Auftragsbücher, um auf einen soliden Wachstumskurs zu kommen“, betont Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. „Man kann es nicht oft genug sagen: Der Auftragseingang ist einer der zentralen Konjunkturindikatoren.“ Das Bild könne sich aber in den kommenden Monaten ändern, sagt Gitzel mit Blick auf die jüngste Ifo-Umfrage. Das Zusammentreffen des Anstiegs der Kerngröße mit steigenden Stimmungsindikatoren sorgt auch bei Ralph Solveen von der Commerzbank für etwas mehr Zuversicht. In den vergangenen zwei Jahren habe es zwar „zwischenzeitlich immer wieder einen Anstieg dieser Kerngröße gegeben, die aber im Rückblick an dem Abwärtstrend nichts geändert haben“. Allerdings bestünden dieses Mal „bessere Chancen, dass der Abwärtstrend endet und die Auftragseingänge in den kommenden Monaten weiter zulegen werden“.

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