Ukraine-Krieg

Konjunkturpessimismus nimmt zu

Die Sorge vor den ökonomischen Folgen des Ukraine-Kriegs lässt Börsianer so pessimistisch auf die Euro-Konjunktur blicken wie seit zwei Jahren nicht mehr. Deutschland als starke Exportnation ist besonders betroffen.

Konjunkturpessimismus nimmt zu

ba Frankfurt

Börsianer blicken wegen der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs und erneuter Lockdowns in Asien so pessimistisch auf die Konjunktur im Euroraum wie seit bald zwei Jahren nicht mehr. Noch düsterer wird die Lage für die größte Euro-Volkswirtschaft, Deutschland, eingeschätzt. Aber auch der Blick auf die anderen Wirtschaftsräume fällt trübe aus: „Der Wirtschaftsabschwung ist überall auf der Welt spürbar“, kommentierte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 1267 Investoren. Der Gesamtindex für die USA fiel auf den niedrigsten Wert seit September 2020 und die Lockdowns in China belasteten die asiatische Region „erheblich“.

Das vom Analysehaus Sentix erhobene Konjunkturbarometer rutschte im Mai um 4,6 auf −22,6 Punkte (siehe Grafik). Dies ist der niedrigste Wert seit Juni 2020 – der Zeit der ersten Coronawelle – und laut Sentix ein klares Rezessionssignal. Ökonomen hatten zwar den dritten Rückgang in Folge erwartet, allerdings nur auf −20,8 Zähler. Sowohl Lage als auch Erwartungen wurden schwächer als im Vormonat eingeschätzt – die jeweiligen Indizes sanken um rund 5 Punkte. „Damit ist klar, dass der Wirtschaftsabschwung nun eine Dimension annimmt, welche zu erheblichen Verwerfungen bei Aktien, aber auch zu einem Anstieg in der Risikovorsorge für Banken führen dürfte“, betonte Hübner. Ähnlich besorgniserregende Konjunkturda­ten seien nur in der 2008er-Finanzkrise zu verzeichnen gewesen.

Der Blick auf die Konjunkturerwartungen für Deutschland „zeigt die ganze Dramatik“, so Hübner. Auch hier ging der Gesamtindex den dritten Monat in Folge zurück – auf nun minus 20,5 Punkte. Dass sowohl der Lageindikator (−2,5 auf −7,3 Punkte) ebenso wie die Erwartungskomponente (−4 auf −32,8 Zähler) zugleich zurückfiel und beide im Negativterritorium festsitzen, wird gemeinhin als negatives Signal für die am heutigen Dienstag anstehende ZEW-Umfrage und das Ifo-Geschäftsklima in der übernächsten Woche gesehen. Zudem ist der Erwartungswert auf ein Allzeittief gefallen und der vergleichsweise geringe Rückgang der Lagekomponente beruht lediglich auf den Öffnungsschritten nach dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen und dem Überhang bei den privaten Ersparnissen in den letzten beiden Jahren, betonte Hübner. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe recht, wenn er zu den erheblichen Sanktionen gegen Russland sage: „Wir schaden uns auch selbst“ und das in erheblichem Umfang.

Weniger Lkw unterwegs

Insbesondere die stark exportorientierte deutsche Industrie leidet mehrfach unter den ökonomischen Folgen von Krieg und Sanktionen: den hohen Energie- und Rohstoffpreisen und verstärktem Materialmangel, auch wegen der strikten Coronapolitik in China. Dass im April erneut weniger Lkw auf den hiesigen Autobahnen unterwegs waren, spricht ebenfalls gegen eine baldige Besserung – der Lkw-Maut-Index gibt einen frühen Fingerzeig auf die Industrieproduktion, da wirtschaftliche Aktivität Verkehrsleistungen erzeugt und benötigt. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) ging der Lkw-Verkehr um 0,8% im Monatsvergleich zurück. Im Vorjahr waren noch 1,5% mehr Lkw unterwegs gewesen. Erstmals wurden auch Daten zu grenzüberschreitenden Fahrten veröffentlicht. Der Verkehr von und nach Polen legte mit 1,1% am kräftigsten zu, den stärksten Rückgang verzeichneten tschechische Grenzübergänge (−1,2%). Auch der grenzüberschreitende Lkw-Verkehr aus der und in die Schweiz (−0,9%) sowie aus und nach Frankreich (−0,8%) ist laut den Wiesbadener Statistikern vergleichsweise stark rückläufig gewesen.