Brexit

Nordirland-Einigung deutet sich an

Irlands neuer Premierminister Leo Varadkar hat Fehler im Umgang mit dem Brexit zugegeben. Das deutet auf ernsthafte Bestrebungen hin, den Streit mit London um das Nordirland-Protokoll zu beenden.

Nordirland-Einigung deutet sich an

hip London

Irlands neuer Premierminister Leo Varadkar hat zugegeben, dass die in Nordirland nach dem Brexit auferlegten Arrangements „vielleicht ein bisschen zu strikt“ ausgefallen sind. „Ich bin mir sicher, dass wir alle im Umgang mit dem Brexit Fehler gemacht haben“, sagte er vor Journalisten in Dublin. Es habe keine Road Map und kein Handbuch dafür gegeben. Man habe nicht erwartet, dass es zum Brexit kommen würde und am Ende hätten alle ihr Bestes getan, um damit klarzukommen. „Wir sind bereit, Flexibilität zu zeigen und Kompromisse zu machen“, sagte der irische Politiker, der in seiner ersten Amtszeit das umstrittene Nordirland-Protokoll der EU-Austrittsvereinbarung mit ausgehandelt hat. „Wir wollen, dass es zu einer Einigung kommt.“ Das sei auch die Position von Ursula von der Leyen, der Präsidentin der EU-Kommission, und Maros Sefkovic, ihres Vizepräsidenten. Varadkar sagte, er verstehe die Gefühle der Unionisten und wolle Nordirland in den kommenden Wochen besuchen.

Jeffrey Donaldson, der Führer der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), die aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll die Regierungsbildung in der ehemaligen Unruheprovinz blockiert, begrüßte Varadkars „Eingeständnis“, dass Fehler gemacht worden seien. „Es war ein Fehler der Autoren, eine Übereinkunft voranzutreiben, die Nordirlands gesetzmäßigem und wirtschaftlichem Status innerhalb des Vereinigten Königreichs geschadet hat“, sagte Donaldson. Varadkars Äußerungen ließen zwar darauf schließen, dass er die politische Realität in Ulster nunmehr anerkenne. „Um ein dauerhaftes Ergebnis zu erreichen, müssten wir allerdings eine grundlegende Veränderung des Verhaltens in den Verhandlungen sehen“, sagte Donaldson.

Das Protokoll sollte eine harte Grenze quer durch die Grüne Insel verhindern. Stattdessen entstand eine Zollgrenze durch das Vereinigte Königreich – auf dem Grund der Irischen See. Alle Bemühungen, sich auf einen gemeinsamen Umgang mit den daraus resultierenden Schwierigkeiten im innerbritischen Warenverkehr zu einigen, sind bislang gescheitert.

Versöhnliche Töne

Seit dem Abgang des britischen Premierministers Boris Johnson hat sich das Verhältnis zwischen London und Brüssel etwas verbessert. Johnsons Nachfolger Rishi Sunak legte das Northern Ireland Protocol Bill auf Eis, um Zeit für weitere Gespräche zu gewinnen. Johnson hatte es an den Start gebracht, um gegebenenfalls das Zusatzprotokoll zur Brexit-Vereinbarung juristisch auszuhebeln. In der Downing Street begrüßte man den versöhnlichen Ton aus Dublin.

Man habe immer den Eindruck gehabt, „dass es möglich sei, das Protokoll auf flexible Weise anzuwenden“. Die rigorosen Kontrollen machten es britischen Supermarktketten zeitweise nahezu unmöglich, ihre Niederlassungen in Ulster zu versorgen. Britische Saatkartoffeln und Blumenzwiebeln durften nicht eingeführt werden, weil noch britische Erde an ihnen klebte. Aus dem Streit um die Lieferung von gekühlten Fleischwaren nach Nordirland ohne Einfuhrkontrollen entwickelte sich ein „Würstchenkrieg“. Nun zeigen sich beide Seiten versöhnlich. Das könnte auch damit zu tun haben, dass US-Präsident Joe Biden klargemacht hat, dass er bis zum 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens im April eine Lösung sehen will.

Der ehemalige britische Nordirlandminister Julian Smith forderte via Twitter „eine radikale politische und praktische Lösung“. Dafür sei noch eine Menge Arbeit nötig. „In den kommenden Wochen wird eine kreative Politik aller Seiten benötigt, kein legalistisches Klein-Klein“, schrieb er. Allerdings ist fraglich, ob eine Einigung zwischen Brüssel und London die nordirischen Unionisten zufriedenstellen kann. Derzeit bewegt sich Ulster auf Neuwahlen zu, die an den Machtverhältnissen nicht viel ändern dürften.