EZB STEIGT INS QUANTITATIVE EASING EIN

Ökonomenumfrage zur politischen Rolle der EZB in der Eurozone

Meinungen schwanken zwischen Verdammung und Lob für die EZB - Volkswirte sind sich aber einig, dass die Politik ihrer Verantwortung nicht gerecht wird

Ökonomenumfrage zur politischen Rolle der EZB in der Eurozone

——Die Fragen an die Ökonomen:1) Halten Sie die QE-Entscheidung der EZB für einen Irrweg der Geldpolitik?2) Ist die EZB inzwischen zur heimlichen Regierung Europas geworden?——Peter Bofinger, Sachverständigenrat, Universität WürzburgZu Frage 1: Grundsätzlich hat die EZB im Sommer 2014 richtig entschieden, als sie eine deutliche Bilanzausweitung beschlossen hatte. Doch sind die damit zu erzielenden Impulse auf die langfristigen Zinsen und den Wechselkurs bereits durch Ankündigungseffekte erzielt worden. Deshalb sollte die EZB das Programm zunächst im “Btand-by” halten (…).Zu Frage 2: Leider ja, aber nur deshalb, weil die Regierungen nicht das Nötige tun, um im Euroraum über mehr Zukunftsinvestitionen mehr Wachstum zu entfalten.Michael Burda, Humboldt-Universität Berlin:Zu Frage 1: Ich halte QE im US-amerikanischen Stil für überflüssig, wenn nicht gar gefährlich.Zu Frage 2: Bekanntlich gilt der Spruch “Geld regiert”. Die EZB hat in der Krise Stärke und Augenmaß – und Führung – gezeigt. (…) Ich ziehe eine Regierung der Zentralbanken der einer der Finanzmärkte vor.Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft (IW)Zu Frage 1: Nein, denn in der gegenwärtigen Situation mit einer deutlichen Verfehlung ihres Inflationsziels muss die EZB auch unkonventionelle Maßnahmen erwägen und die Risiken des Nichthandelns würdigen, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden.Zu Frage 2: Nein, aber die EZB ist die einzig konsistent handlungsfähige Institution der Währungsunion.Lars Feld, Sachverständigenrat, Walther-Eucken-InstitutZu Frage 1: Grundsätzlich gehören unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen zum Instrumentenkasten der Geldpolitik. Anleihekäufe durch die Notenbank sind somit kein Irrweg, selbst wenn es sich um Staatsanleihen handelt. Die Frage ist vielmehr, mit welchem Ziel, auf welche Weise und mit welchen Nebenwirkungen eine Notenbank Staatsanleihen kauft.Zu Frage 2: Eine Regierung ist sie nicht. Aber man muss feststellen, dass die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten die EZB in der Bewältigung der Euro-Krise haben im Regen stehen lassen.Clemens Fuest, ZEWZu Frage 1: Ich halte die Entscheidung der EZB heute nicht für einen Irrweg, sondern für einen akzeptablen Kompromiss. Die EZB wird nur Investment-Grade-Anleihen kaufen, also keine griechischen Anleihen. Und die nationalen Notenbanken werden für 80 % eventueller Verluste haften. Man hat Sorgen über eine unerwünschte Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden also ernst genommen.Zu Frage 2: Die EZB bewegt sich hier im Rahmen ihres Mandats.Gerhard Hofmann, BVRZu Frage 1: Die Finanzmärkte jubeln und bilden unbeirrt Blasen nicht zuletzt bei Staatsanleihen, während Kreditvergabe und Wirtschaftswachstum in Südeuropa lethargisch bleiben; QE wäre überzeugender, wenn es mit einer wirksamen Reform- und Modernisierungspolitik in Europa flankiert würde.Zu Frage 2: Nein, EU-Kommission und nationale Regierungen bestimmen die Politik wesentlich stärker, wenngleich die EZB als wichtigster Krisenmanager in der Eurozone Gefahr läuft, an Legitimität zu verlieren und sich selbst zu überfordern.Ulrich Kater, DekaBankZu Frage 1: Nach ihrem Mandat kann die EZB kaum anders handeln, aber Geldpolitik in Euroland traut sich zu viel zu, denn sie wird gegen realwirtschaftliche Probleme eingesetzt, die sie mit ihren Instrumenten nicht mehr erreichen kann, auch nicht mit neuen wie QE.Zu Frage 2: Die EZB ersetzt teilweise eine fehlende europäische Finanzpolitik und füllt damit das Vakuum, das bei Gründung der Währungsunion entstanden ist.Hans Werner Sinn, Ifo-InstitutZu Frage 1: Ja, weil sie eine verbotene Monetisierung der Staatsschulden bedeutet, welche die Staaten ermuntert, sich immer weiter zu verschulden. (…)Zu Frage 2: Unter dem Deckmantel geldpolitischer Ziele betreibt der EZB-Rat eine fiskalische Kreditpolitik. Er lenkt die Ersparnisse der Deutschen gen Südeuropa (…). Hätten die Landesvertreter im EZB-Rat ein Stimmrecht nach der Größe ihrer Länder beziehungsweise der Haftung, käme die Entscheidung für QE nicht zustande.Christoph M. Schmidt, Sachverständigenrat, RWIZu Frage 1: Ich sehe zumindest zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit für diesen Schritt und halte bereits ergriffene Maßnahmen der EZB derzeit für ausreichend.Zu Frage 2: Sie begibt sich mit ihren Maßnahmen sicherlich in einen Grenzbereich zwischen Geld- und Finanzpolitik, ist allerdings durch die unzureichende Reformaktivität der fiskalpolitisch Verantwortlichen im Euroraum auch geradezu in diese Rolle gedrängt worden.Dennis Snower, Institut der WeltwirtschaftZu Frage 1: Prinzipiell ja, zumal eine dauerhafte Deflation im Euroraum unwahrscheinlich ist. (…) QE ist eine Verzweiflungstat zur Unterstützung der Krisenstaaten und behebt die Ursachen der Krise nicht.Zu Frage 2: Nein, doch aktuell fehlen die politischen Reformen zur dauerhaften Überwindung der Krise. Die EZB sieht angesichts des Zinsniveaus nahe null keine anderen Handlungsoptionen mehr, als selbst Staatsanleihen zu kaufen. Nötig sind stattdessen eine angemessene Strukturpolitik, eine vollständige europäische Bankenunion und glaubwürdige Fiskalpläne, deren Nichteinhaltung auch eine geordnete Staatsinsolvenz zu Folge haben kann.Jürgen Stark, Ex-Chefvolkswirt der EZBZu Frage 1: Diese Maßnahme hat unter den gegenwärtigen Bedingungen nichts mehr mit Geldpolitik zu tun – es ist Fiskalpolitik.Zu Frage 2: Da die Regierungen nicht ihre Hausaufgaben machen, füllt die EZB außerhalb ihres Mandats ein politisches Vakuum.Henning Voepel, HWWI:Zu Frage 1: Kein Irrweg, aber ein gefährlicher Weg, weil QE zwar das letzte Mittel der direkten geldpolitischen Transmission ist, aber gleichzeitig das Mandat der EZB verletzt.Zu Frage 2: Ja, denn die EZB übernimmt quasifiskalische Aufgaben zur Überbrückung der politischen und institutionellen Handlungsunfähigkeit in der Eurozone.Volker Wieland, Sachverständigenrat, House of Finance FrankfurtZu Frage 1: Anleihekäufe sind zwar die logische Fortsetzung der Geldpolitik bei einem Zins nahe null. Die vorangegangene geldpolitische Lockerung wäre jedoch bereits mehr als ausreichend, um den Deflationsrisiken entgegenzuwirken.Zu Frage 2: Zum einen hat die EZB mit Banken- und makroprudenzieller Aufsicht zu viel Macht erhalten, die besser bei einer separaten europäischen Aufsicht aufgehoben wäre. Zum anderen hat sie mit neuen Maßnahmen wie der Ankündigung der OMT einen sehr großen Einfluss auf die Staatsfinanzierung der Krisenstaaten gewonnen und ist massiven politischen Interessen und Angriffen ausgesetzt.Adalbert Winkler, Frankfurt SchoolZu Frage 1: Nein, es handelt sich um den Einsatz eines geldpolitischen Instruments nach Erreichung der Nullzinsgrenze.Zu Frage 2: Nein, im Gegenteil, sie kommt ihrem engen, im Maastrichter Vertrag vorgeschriebenen Mandat nach: der Wahrung von Preisstabilität.—-Zusammenstellung: Stephan Lorz und Mark Schrörs