CursivStandort Deutschland

Reparaturversuch an der deutschen Klimatransformation

Die IG Metall will den Standort Deutschland retten und hält der Ampel ihre Fehler vor. IG-Metall-Vize Jürgen Kerner fordert einen Brückenstrompreis. Warum wieder nur punktuelle Industriepolitik? Warum keinen Neustart, wie es angemessen wäre?

Reparaturversuch an der deutschen Klimatransformation

Reparaturversuch an der deutschen Klimatransformation

Die IG Metall will den Standort Deutschland retten und hält der Ampel ihre Fehler vor. Doch statt neuer Konzepte setzt sie wieder auf punktuelle Industriepolitik.

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Die Bundesregierung hat die Klimatransformation vor die Wand gefahren. Jetzt bröckelt der unausgesprochene Konsens zwischen Wirtschaft und Politik, wonach Klimaschutz und Industriearbeit kein Widerspruch ist. Voraussetzung wäre gewesen, dass die Schritte hin zu einer CO2-freien Zukunft aufeinander abgestimmt worden wären, pragmatisch, jenseits ideologischer Verblendung. Das ist nicht geschehen. Und dann hatte Karlsruhe mit seinem Urteilsspruch obendrein noch alle Finanzierungspläne durchkreuzt, weshalb die Ampel kurzerhand bereits versprochene Fördergelder gestrichen hatte. Später brachte das Heizungsgesetz noch halb Deutschland gegen diese Politik auf.

IG-Metall-Vize Jürgen Kerner hält die aktuelle Situation für den Standort durchaus für „dramatisch", wie er beim Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW) darlegte, weil der Kern der Wertschöpfung in Deutschland betroffen sei. Die Ampelregierung habe ihre Glaubwürdigkeit verloren, Verunsicherung mache sich allenthalben breit, Unternehmen bremsten bei Investitionen und fielen nun in „alte Muster“ zurück: Optimierung und Verlagerung der Produktion, Entlassungen, Verlangsamung der Klimatransformation. Es fehle an politischen Impulsen, am Grundvertrauen in die Politik. Diese Gesamtsituation spiele zudem nur rechtspopulistischen Parteien in die Hände.

Die Klimatransformation bleibt stecken

An seiner Überzeugung, dass die Klimatransformation notwendig und letzten Endes gut für den Wirtschaftsstandort ist, rüttelt das aber nicht. Wie auch wohl die meisten Menschen und Unternehmen den erneuerbaren Energien und einem ökologischen Umbau der Wirtschaft positiv gegenüberstehen. Sie müssen es nur verstehen, überzeugt werden und das Vorhaben muss pragmatisch angegangen werden, alles ineinander passen; so wie aus einem Bauplan eine Werkzeugmaschine entsteht. Deutsche Ingenieurkunst eben, nur in „politisch“.

So aber bleibt die Transformation mitten im Nirgendwo stecken. Am Beispiel der deutschen Autoindustrie zeigt Kerner, wie fatal die Situation ist. Plötzlich würden wieder Verbrenner verstärkt nachgefragt. Dabei sei die Elektrifizierung nachweislich die Zukunft. Und wenn deutsche Hersteller keine erschwinglichen Modelle liefern könnten, sondern nur auf Luxusautos setzten, würden das eben künftig die Chinesen tun. Damit verlöre die heimische Industrie insgesamt an Akzeptanz bei den Bürgern. Schon bald würden ganze Wertschöpfungsketten ausbluten. Insofern sind es auch viele Managemententscheidungen, die in den Unternehmen selbstkritisch überprüft werden müssen.

Fehlende Konzepte

Das einzige Konkrete, was Kerner allerdings einfällt, wenn es darum geht, das Momentum der Transformation wieder in Gang zu bringen, ist Industriepolitik und – auch wegen transformationsbedingt hoher Industriestrompreise – die Förderung energieintensiver Industrien mit einem Brückenstrompreis. Dies in der Annahme und Hoffnung, dass es später bei Vollausbau erneuerbarer Energien dann wieder billiger werden würde.

Die Konzentration auf den Brückenstrompreis erklärt Kerner mit der großen Bedeutung, welche die energieintensive Industrie für die ganze deutsche Wirtschaft hat. Und, weil europaweit ein „Unterbietungswettbewerb“ bei den Strompreisen stattfindet. Ersteres ist wegen der von großen Konzernen abhängigen Zulieferer tatsächlich ein wichtiger Punkt. Letzteres aber läuft darauf hinaus, dass es nach unten kein Halten geben würde. Und weil Deutschland mit die höchsten Strompreise verlangt, käme das für den Staat teurer als anderswo.

Gewerkschaften als Vermittler

Letztlich liegt die schlechte Wettbewerbsposition Deutschlands eben auch an schludriger politischer Planung und falscher Schwerpunktsetzung. Das umschreibt Kerner mit den „Dominosteinen“ der Klimatransformation, welche die Politik „kreuz und quer“ und nicht in Reihe aufgestellt habe. Die Bürger könnten nicht sehen, wohin es geht, was es kostet und was es letztendlich bringt.

Da sich aber auch die Opposition der Klimatransformation eigentlich nicht verweigern kann: Warum nicht tatsächlich einen Neustart wagen, und ein Klima-Sondervermögen auflegen für den größten Umbau eines Industriestaats seit der Industrialisierung. Angemessen wäre das bei diesem Vorhaben. Die Gewerkschaften könnten sich hier durchaus als Vermittler ins Spiel bringen zwischen Regierung, Opposition und Wirtschaft.

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