Weidmann-Rücktritt

Ringen um Zukunft der Bundes­bank

Die überraschende Ankündigung eines vorzeitigen Rückzugs von Bundesbankpräsident Jens Weidmann zum Jahresende hat einen Richtungsstreit über die Zukunft der Notenbank ausgelöst. Ex-Notenbanker Otmar Issing warnt vor einem Kurswechsel.

Ringen um Zukunft der Bundes­bank

ms Frankfurt

In der Diskussion über die Zukunft der Bundesbank nach dem angekündigten Rücktritt von Bundesbankpräsident Jens Weidmann zum Jahresende warnt Ex-EZB- und Ex-Bundesbank-Chefvolkswirt Otmar Issing vor falschen Weichenstellungen und einem Kurswechsel. „Wenn mit ,Modernisierung’ gemeint ist, sie solle sich dem Zeitgeist einer laxen Geldpolitik anschließen, kann man nur warnen“, sagte Issing der Börsen-Zeitung. Ge­rade in der aktuellen Phase mit stark steigender Inflation brauche es den „Stabilitätsanker Bundesbank“. Auch andere Ökonomen beurteilen Forderungen nach ei­ner Neuaufstellung der Bundesbank kritisch.

Bundesbankpräsident Weidmann hatte am Mittwoch völlig unerwartet seinen Rücktritt zum 31. Dezember 2021 angekündigt. Grund dafür ist auch Frustration über die EZB-Geldpolitik. Der Schritt löste sogleich ei­nen Richtungsstreit über die Zukunft der Bundesbank aus – insbesondere unter den Partnern einer künftigen Ampel-Koalition. FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einem Kurswechsel. Der grüne Co-Vorsitzende Robert Habeck mahnte einen Neuanfang an: „Für die Zukunft braucht es eine Bundesbank, die auf der Höhe der Herausforderungen der Zeit agiert.“

Issing, von 1990 bis 2006 erst Chefökonom der Bundesbank und dann der Europäischen Zentralbank (EZB), sieht solche Aussagen kritisch. „Die Bundesbank ist in allen Bereichen, von der Forschung bis zur Bankenaufsicht, hervorragend aufgestellt“, so Issing. „Gerade in dieser schwierigen Phase sollte man nicht das Vertrauen in den Stabilitätsanker Bundesbank gefährden – im Interesse Deutschlands und Europas.“

Ähnlich beurteilt das Friedrich Heinemann, Finanzwissenschaftler beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). „In der Diskussion um eine mögliche Neuausrichtung der Bundesbank verwechseln einige ,modernisieren‘ mit ,politisieren‘“, sagte Heinemann der Börsen-Zeitung. Es „drängt sich der Verdacht auf, dass Politiker und Ökonomen, die jetzt nach einer Modernisierung der Bundesbank-Positionen rufen, in Wahrheit eher die geldpolitische Flankierung hoher Staatsdefizite meinen“, so Heinemann.

„Die Reputation der Bundesbank und ihres Vertreters im EZB-Rat hat seit 1999 mit dazu beigetragen, dass das EZB-Versprechen, die Geldwertstabilität zu bewahren, bislang Glaubwürdigkeit genossen hat. Dieses hohe Gut sollte die nächste Bundesregierung vor Augen haben, wenn sie einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin bestimmt“, so Heinemann. „Kandidaten, die in den makroökonomischen Debatten weit im Lager der Befürworter hoher schuldenfinanzierter Ausgabeprogramme stehen und Inflationsrisiken andauernd negieren, wären für diesen Job gänzlich ungeeignet.“

Nach dem vorzeitigen Rücktritt Weidmanns hatten Spekulationen zugenommen, die neue Bundesregierung könne einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin bestellen, der oder die weniger im Gegensatz zur Mehrheitsposition im EZB-Rat steht als Weidmann häufig. Als solche Kandidaten gelten etwa EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel oder DIW-Chef Marcel Fratzscher (vgl. BZ vom 21. Oktober). Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Donnerstag aus Kreisen der Ampel-Partner, dass es bei der Bundesbank „keine Revolution“ geben solle.

Forderungen, die Bundesbank solle künftig etwa grüne Themen stärker forcieren, lehnt Heinemann ab: „Das Modell unabhängiger Notenbanken kommt unweigerlich unter Druck, wenn der Geldpolitik immer neue Ziele von Klima- bis Sozialpolitik auferlegt werden.“ Es fehlten da „zielgenaue Instrumente“ und die „demokratische Legitimität“.

Häufig wird der Bundesbank auch vorgeworfen, sie sei etwa mit ihrer Skepsis gegenüber Staatsanleihekäufen und einer Kooperation von Geld- und Fiskalpolitik aus der Zeit ge­fallen. Dieser Vorwurf kommt vor al­lem aus dem angelsächsischen Raum. Heinemann sieht das aber genau wie Issing nicht so. Es sei „un­fair“, der Bundesbank zu unterstellen, sie hätte den Anschluss an die geldpolitische Forschung verloren. „Ganz im Gegenteil hat sie ihr Engagement im Bereich der Forschung immer weiter gesteigert“, sagte er.

Auch Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank und langjähriger Beobachter der Geldpolitik, hält es für „übertrieben“ zu sagen, die Bundesbank müsse sich insgesamt modernisieren. Sie müsse aber an ihrer Kommunikation arbeiten. „Sie sollte tatsächlich darauf achten, dass sie in der internationalen Debatte nicht ins Abseits gerät“, sagte Schmieding der Börsen-Zeitung. „Gerade da Weidmann sich durch eine etwas zu laute Kritik an der EZB-Politik selbst etwas in Abseits manövriert hat, war sein Einfluss auf geldpolitische Entscheidungen wahrscheinlich geringer, als es manchmal wünschenswert gewesen sein könnte.“