Auftragslage

Boom and Bust bei Siemens

Wer Ware will, der muss warten. So geht es vielen Kunden. Die Unternehmen freuen sich über die Auftragsschwemme. Eigentlich. Aber die Frage ist: Wie lange geht das noch gut?

Boom and Bust bei Siemens

Viele Vorstände gehen in diesen Monaten in Deckung. Sie verstecken sich aber weder vor einem Shitstorm wegen Entlassungen noch wegen gesenkter Prognosen vor wütenden Aktionären. Sie ducken sich vielmehr vor ihren Kunden weg. Denn die eigentlich umworbene Klientel bombardiert reihenweise Unternehmen derart mit Aufträgen, dass es manchmal eher an Attacken als an geordnete Bestellungen erinnert. Der Ansturm mag im Normalfall hochwillkommen sein. Doch manchem Manager wird der Boom unheimlich. Denn der große Knall scheint programmiert angesichts der Nachfrage-Orgie. Folgt der Bust?

Siemens steht pars pro toto für wichtige Teile der Wirtschaft. Der Auftragsbestand hat mit 99 Mrd. Euro einen Rekordwert erreicht. Sogar Kurzzykliker, die sonst gleich nach Ordervergabe gefertigt werden, müssen auf Slots für die Produktion warten. Allerorten wird der Boom bestätigt. Firmen wie Krones als Hersteller von Getränkeabfüllanlagen sehen es als eine zentrale Herausforderung, akzeptable Lieferzeiten zu bieten.

Klar: Fehlende Komponenten lassen häufig die Fabrikauslastung zurückgehen, auch dies führt zu anschwellenden Auftragsbüchern. Aber letztlich ist dies nur die halbe Geschichte. Die andere Hälfte besteht aus einer Nachfrage ohnegleichen.

Ob die expansive Geldpolitik oder Vorzieheffekte wegen steigender Preise den Ansturm verursachen, das ist letztlich egal. Manager müssen tun, wofür sie da sind: die Sache managen. Gut beraten ist, wer sich Vorauszahlungen geben lässt, die den Kunden zumindest etwas an seine Order binden, wenn der Wind sich dreht. Und – EZB, aufgepasst: Natürlich ist es die richtige Zeit, die Preise für die eigenen Produkte hochzusetzen. Der Markt gibt dies in dem Hyperboom her. Wieder einmal das Beispiel Siemens: Der Konzern kann nach eigenem Bekunden in diesem Geschäftsjahr seine Absatzpreise stärker erhöhen, als die Einkaufskosten steigen.

Auf den Boom folgt der Bust, keine Frage. Wer in der Finanzkrise in entleerte Excel-Sheets für die Order geblickt hat, der weiß, wie abrupt sich die Lage ändern kann. Sofern die Energieversorgung nicht zusammenbricht, ist ein derart schockartiger Rückzug jedoch im Jahr 2022 unwahrscheinlich, zumindest für jene Firmen, die ihre Produkte eng mit den Bedürfnissen der Kunden verzahnt haben. Zusätzlich ist der – wegen langer Lieferzeiten – aufgestaute Er­satzbedarf der Kunden enorm.

Es gilt: Unternehmen, die unverzichtbar geworden sind, stehen auf der sicheren Seite. Alle anderen müssen zittern.

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