Brücke oder KrückeKünstliche Intelligenz

Der Akt mit der KI

Europa gibt künstlicher Intelligenz in Paris eine große Bühne. Die EU muss aber noch daran arbeiten, außer Nebenrollen auch einen Hauptdarsteller zu besetzen.

Der Akt mit der KI

Der Akt
mit der AI

Von Heidi Rohde

Sollten wir uns die KI-Revolution als Drama in fünf Akten vorstellen, hebt sich wohl nächste Woche der Vorhang für einen ebenso glanzvollen wie spannenden dritten Akt in Paris. Dort bittet die sturmerprobte Grande Nation zu einem Rendezvous der Superlative, um die künstlichen Superhirne auf nicht weniger als „soziale, ökonomische und umweltpolitische“ Interessen der Menschheit auszurichten. Auf der Bühne deklamieren Staats- und Regierungschefs Seite an Seite mit Unternehmenslenkern und einem breiten Panoptikum aus Wissenschaft und Gesellschaft.

Retardierendes Element

Allerdings sind die Hauptprotagonisten naturgemäß bereits im ersten Akt aufgetreten, und zwar im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ – ein Titel, den die USA bei KI mehr denn je verteidigen –, mit ungebremster Innovation und Investitionen aus privater Initiative. Dagegen profilierte sich die EU im zweiten Akt, der hier den vierten vorwegnahm, mit dem retardierenden Element. Man mühte sich mit der regulatorischen Einhegung einer Technologie, bei der „Zurückhaltung“ in Europa kaum geboten ist.

Denn der Abstand zu West und Ost erweckt nicht zufällig die Assoziation von Haupt- und Nebendarstellern. Die Rolle des Antagonisten, der im klassischen Drama nicht fehlen darf, ist nämlich schon vergeben: Während der Auftritt von DeepSeek auf der globalen KI-Bühne Schockwellen durch die Aktienmärkte sandte, haben zuvor weder die deutsche Aleph Alpha noch Frankreichs Hoffnungsträger Mistral den Anlegern bei Big Tech auch nur ein Zucken entlockt.

Augenmaß nötig

Der vermeintliche Weckruf aus China sollte deshalb nicht primär Big Tech in den USA in den Ohren klingen, sondern eher Europa zu denken geben, und zwar bei der Frage, warum hier trotz Forschungsexzellenz und Anschubfinanzierung so vielen Hoffnungsträgern der Sprung auf die Weltbühne misslingt. Ein Grund kann sein, dass die Entwicklung und der Einsatz von KI nach dem AI Act buchstäblich zum Kraft-Akt wird. Die Akteure in Paris brauchen bei ihren hehren Zielen Augenmaß, damit die Tech-Szene in Europa nicht von der Bühne in den Zuschauerraum wechselt und von dort den Showdown zwischen Big Tech in den USA und China verfolgt.

In der Kolumne „Brücke oder Krücke“ befassen wir uns künftig jeden Freitag pointiert mit einem aktuellen Thema, das aus unserer Sicht entweder nicht ausreichend beleuchtet wurde oder noch eine neue Perspektive verdient hat. Anregungen und Kommentare sind willkommen. Einfach mailen an: redaktion@boersen-zeitung.de.

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