Bayer sitzt in der Strategiefalle
BAYER
In der Strategiefalle
Von Annette Becker
Bill Anderson setzt den eingeschlagenen Kurs fort und räumt auch auf dem Kapitalmarkttag von Bayer mit so manch gewohnter Übung auf. Eine mittelfristige Prognose gibt es nicht – überflüssig, es kommt in aller Regel doch anders. Gerade bezogen auf Bayer hat der seit Juni amtierende Vorstandschef mit dieser Aussage sicherlich recht. Doch den Investoren gar nichts an die Hand zu geben ist zumindest einmal bemerkenswert. Sicher, es gab viele schöne Worte und die Aussicht auf Einsparungen von 2 Mrd. Euro, die das neue Organisationsmodell bis Ende 2026 zeitigen soll. Das war es dann aber auch.
Natürlich dauert es eine gewisse Zeit, bis das neue Modell eingeführt ist. Doch der Ausblick auf 2024 fällt mau aus, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass im laufenden Turnus schon 500 Mill. Euro eingespart werden sollen. Das operative Ergebnis schmilzt weiter ab, nach einem Rückgang um 13% im vorigen Geschäftsjahr. Obwohl die Dividende für drei Jahre auf das gesetzlich vorgeschriebene Minimum gekürzt wird und somit jährlich grosso modo 2 Mrd. Euro Cash-Abflüsse entfallen, wird die Nettoverschuldung Ende 2024 bestenfalls 2 Mrd. niedriger sein als Ende des vorigen Jahres. Zu Ende gedacht hieße das, aus dem operativen Geschäft käme nichts im freien Cashflow an.
Das hat auch an der Börse für Ernüchterung gesorgt. Der Kursverfall beschleunigte sich parallel zu den Ausführungen des Vorstands auf dem Kapitalmarkttag, den Bayer auf den Nachmittag gelegt hatte. Den ersten Zahn hatte Anderson den Investoren gleich schon am Morgen gezogen: „Nicht jetzt.“ So lautet Andersons Antwort auf die Frage nach Strukturveränderungen. Wenngleich Anderson seine Sicht wortreich verteidigte, verfangen hat sie nicht.
Anderson sprach von vier Herausforderungen, die der Konzern bewältigen muss. Tatsächlich sind es aber vor allem die Rechtsstreitigkeiten, welche die Leverkusener einfach nicht in den Griff bekommen. Ausgezahlt wurden bislang 13 Mrd. Euro, weitere 6,7 Mrd. Euro sind zurückgestellt. Das Ende der Fahnenstange kann, muss damit aber nicht erreicht sein. Von daher ist es richtig, wenn die Strategie zum Umgang mit den Rechtsstreitigkeiten überdacht wird, auch wenn mit Details noch geknausert wird.
Bayer steckt in der Strategiefalle. Einen Befreiungsschlag will Anderson nicht wagen. Doch ohne diesen dürfte es schwer werden, den drei Divisionen ausreichend Mittel zur Weiterentwicklung zur Verfügung zu stellen.
Bayer steckt strategisch in der Sackgasse. Einen Befreiungsschlag, um Schulden abzubauen, will Konzernchef Anderson nicht wagen.