In Therapie bei Private Equity
Investmentbanker aus der Abteilung für Fusionen und Übernahmen haben in diesem Jahr in Deutschland bisher etwas weniger zu tun gehabt als noch vor kurzem. Der Krieg, die Inflation und die steigenden Zinsen bremsen das Geschäft mit der Transaktionsberatung. Zu den Ausnahmen gehören die Deals der Finanzinvestoren. Die Kassen der Private-Equity-Häuser sind derart voll mit billionenschweren Kapitalzusagen institutioneller Investoren, dass sie weiter Unternehmen kaufen. Im inflationären Umfeld erscheint alles besser, als Bargeld herumliegen zu lassen. Besonders beliebt sind Investments im Gesundheitssektor. Das Geschäft ist nahezu konjunkturunabhängig und wirft für die Eigentümer recht verlässlich im Voraus berechenbare Erträge ab.
So reiht sich ein Milliardendeal an den nächsten. Gerade erst hatte Nordic Capital die Augenheilkundegruppe Veonet an den Ontario Teachers’ Pension Plan verkauft. Jetzt erwirbt die belgische Group Bruxelles Lambert das Radiologennetzwerk Affidea und die Augenarztkette Sanoptis. Die nächsten Transaktionen sind bereits in der Pipeline: Im Schaufenster stehen die Gruppe psychiatrischer Einrichtungen namens Oberberg Kliniken aus Berlin sowie Deutschlands zweitgrößter Altenheimbetreiber Alloheim und die Pflegedienst-Softwarefirma Medifox – allesamt aus Finanzinvestorenhand an Finanzinvestoren abzugeben. Darüber hinaus steht der Gesundheitskonzern Fresenius davor, eine 20-%-Beteiligung an den Helios Kliniken an Private Equity abzugeben – und trifft damit auf großes Interesse.
Ein Selbstläufer sind die Transaktionen allerdings nicht. Dafür liegen die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern zu weit auseinander. Niemand weiß, wie sich die Pandemie, die das Geschäft vieler Krankenhäuser beeinträchtigt hat, weiter entwickelt oder wie stark der Krieg die Konjunktur dämpfen wird. Außerdem handelt es sich um gesellschaftlich brisante Unternehmen. Niemand möchte einen der eigenen Verwandten oder Freunde bei einem Arzt oder einer Klinik aufgehoben wissen, die Rendite als erstes Ziel verfolgt. Es wäre ungerecht, dies nur Finanzinvestoren zu unterstellen. Da aber genau das geschieht, müssen die Private-Equity-Häuser besonders wachsam sein und fürchten kaum etwas mehr, als sich mit einem Zukauf im Gesundheitssektor ein Compliance-Problem ins Haus zu holen.
Das dürfte einer der Gründe sein, warum Nordic Capital für den Altenheimbetreiber Alloheim ein halbes Jahr nach dem Auftrag für den Verkauf an die UBS noch keinen Käufer präsentieren kann. Auf die gesamte Branche haben die Skandale beim französischen Altenheimbetreiber Orpea abschreckend gewirkt. In dem Konzern, der auch Reha-Kliniken in Deutschland betreibt, wurde gewerkschaftliche Organisation systematisch unterdrückt, Personal übermäßig reduziert, die Pflegequalität zugunsten der Kostensenkung vernachlässigt, und viele Bewohner und Patienten wurden vernachlässigt. Auch dem Aktienkurs hat das nicht gut getan. Der Börsenwert des Konzerns hat sich seit Jahresbeginn um zwei Drittel auf 2 Mrd. Euro reduziert. Wer auch immer sich für den Kauf des Altenheimbetreibers Alloheim interessiert, wird vorher ausschließen wollen, dass sich hier Ähnliches ereignet.
Ein ähnlich heißes Eisen als Investment sind medizinische Versorgungszentren geworden. In investorengeführten Arztpraxen sind Behandlungen angeblich teurer als bei selbständigen Medizinern. Das ist zumindest das Ergebnis einer Studie der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern. Demnach liegt das abgerechnete Honorar im Durchschnitt um 10% höher als bei Einzelpraxen – bei vergleichbaren Patienten und Erkrankungen. Infrage steht nun, ob die angestellten Ärzte in investorengeführten Praxen bei ihren Therapieentscheidungen stärker auf Profitabilität getrimmt werden. Da der Bereich reguliert ist, erhalten ja alle Leistungserbringer dieselbe Vergütung – eine Konzentration von Praxen muss deshalb noch lange kein Fall für das Kartellamt sein. Aber die Ärzte können natürlich, gesteuert durch Anreize („Kick-back“), zur Verschreibung unnötiger, aber lukrativer Therapien angehalten werden. Solchen Missbrauch gab es jedoch schon immer – und er geschieht auch ohne Finanzinvestoren als Eigentümer.
So wird der Gesetzgeber wohl weiterhin davon absehen, brisante Bereiche des Gesundheitswesens gegen Investitionen der Private-Equity-Häuser zu sperren. Ihr Geld wird gebraucht für Investitionen in Labore, medizintechnische Diagnosegeräte und Kliniken. Wer sie aussperrt, wird erklären müssen, wie das nötige Kapital vom Staat aufgebracht wird. Im Moment dürfte sich das kein Politiker antun.