LeitartikelÖlindustrie

Konsolidierung auf hohem Niveau

Der im Herbst 2020 gestartete Aufwärtstrend in der Ölindustrie läuft aus. Nun folgt eine Konsolidierung der Ergebnisse und Aktienkurse von Exxon, Shell & Co.

Konsolidierung auf hohem Niveau

Ölindustrie

Konsolidierung auf hohem Niveau

Von Martin Dunzendorfer

Der im Herbst 2020 gestartete Aufwärtstrend in der Ölbranche läuft aus. Nun folgt eine Konsolidierung.

In der abgelaufenen Woche ist der Kurs des französischen Ölriesen Total Energies auf ein Rekordhoch gestiegen. Auch für Aktien von Wettbewerbern wie Shell, BP und ExxonMobil wurden in den vergangenen zwei Monaten die höchsten jemals erreichten Preise bezahlt. Dabei ist es nur drei Jahre her, dass die Bewertungen auf dem niedrigsten Niveau seit der Jahrtausendwende lagen. Seither haben sich die Notierungen der großen integrierten Konzerne, die von der Suche nach Öl und Gas bis zum Verkauf an der Tankstelle die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, mindestens um den Faktor 2,5 (BP) erhöht; in der Spitze um das Vierfache (ExxonMobil). In anderen Dimensionen legten Zulieferer zu: So verteuerten sich die beiden weltgrößten Ölfeldausrüster Schlumberger und Halliburton seit den Tiefs von 2020 um das Fünf- bzw. Zehnfache. Nun dürfte die Hausse, die als Erholung begann, aber vor ihrem Ende stehen.

UnternehmenMarktkapitalisierung in Mrd. Euro
ExxonMobil405
Chevron263
Shell208
Total Energies153
BP98
Schlumberger77
Halliburton35
Quelle: eigene Recherchen

Ein Rückblick: 2020 hatte der Hype um erneuerbare Energien einen Höhepunkt erreicht. Damals glaubten viele, dass in überschaubarer Zeit das Geschäft mit fossilen Brennstoffen (Öl, Kohle, Gas) dramatisch zurückgehen werde. Autoexperten behaupteten, Elektromotoren würden schon innerhalb von zehn Jahren Verbrennermotoren weitgehend aus dem Straßenbild verdrängt haben. Ganz real kam hinzu, dass die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu deren Eindämmung zu einem weltweiten Konjunktureinbruch führten. In der Folge ging die Ölnachfrage stark zurück. Auf der Angebotsseite war die Lage schon vor Ausbreitung der Pandemie auskömmlich. Als der Verbrauch an Öl und Gas sank, förderten die Opec-Mitglieder sowie Russland sogar mehr, um durch die Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen ihre Staatshaushalte halbwegs im Zaum zu halten. Die Preise für fossile Energieträger kollabierten, und Investoren fassten Öl- und Gasaktien nicht mal mehr mit der Beißzange an.

2022 war für Öl- und Gaskonzerne ein Ausnahmejahr

Je mehr die Corona-Pandemie ihren Schrecken verlor und die Weltwirtschaft sich erholte, desto stärker ging es mit Öl und Gas bergauf. Gleichzeitig gewann eine realistischere Einschätzung die Oberhand, was die Verbreitung von Elektroautos anging, ebenso die Substitution von fossilen Brennstoffen durch erneuerbare Energien und die dafür notwendigen Zeitspannen. Es fanden Absprachen zwischen der Opec und Russland über die Fördermengen statt, die auch eingehalten wurden. Schließlich erschütterte der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 die Öl- und Gasmärkte. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent sprang zeitweilig über 120 Dollar. Da die meisten Unternehmen der Ölindustrie die vergangenen drei Jahre durch Modernisierung der Ausrüstung oder Personaleinsparungen zu Produktivitätssteigerungen nutzten, führte dies in Kombination mit den sehr festen Preisen zu rekordhohen Gewinnen und Cashflows.

Doch nun scheinen die internen Optimierungsmöglichkeiten ausgereizt zu sein. Und nachdem immer deutlicher wird, dass noch Jahrzehnte vergehen werden, bis die Welt ohne Öl und Gas auskommt, bremsen die Unternehmen einerseits ihre Ambitionen, ihre Geschäftsmodelle anzupassen, andererseits geht es wieder darum, sich Reserven zu sichern wie in den Jahren vor der Treibhausgasdebatte. So hat jüngst ExxonMobil die Übernahme von Pioneer Natural Resources für rund 60 Mrd. Dollar angekündigt. Kurz darauf zog Rivale Chevron mit dem avisierten Kauf des Wettbewerbers Hess für 53 Mrd. Dollar nach.

Die Akteure auf dem Ölmarkt sind abgestumpft

Zudem pendelt die Notierung für ein Barrel Brent seit September vorigen Jahres nur noch zwischen 70 und 100 Dollar; das ist für eine Phase der Polykrisen – zuletzt kam der Nahost-Konflikt hinzu – und einen solch volatilen Rohstoff keine besonders weite Spanne. Die Akteure auf dem Ölmarkt sind offenbar abgestumpft. Solange die Weltwirtschaft nicht spürbar an Fahrt gewinnt, sind deutlich festere Ölpreise unwahrscheinlich. Feste Öl- und Gaspreise sind aber das Schmiermittel für steigende Gewinne. Die jüngsten Quartalsberichte zeigen, dass die Multis zwar weiterhin gut verdienen, aber Rekordergebnisse sind vorerst passé. Entsprechend ist mit einer Konsolidierung der Aktienkurse von Exxon, Shell & Co. zu rechnen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.