Notiert InBerlin

Machtwechsel unter (Oldenburger) Palmen

Boris Pistorius ist neuer Oldenburger Grünkohlkönig. Die bisherige Majestät Christian Lindner musste abtreten. War das für den beliebten Sozialdemokraten schon der letzte große Karriereschritt?

Machtwechsel unter (Oldenburger) Palmen

Notiert in Berlin

Machtwechsel unter Palmen

Von Andreas Heitker

Boris Pistorius hat einen Lauf. Der Sozialdemokrat ist mittlerweile der beliebteste Politiker im Land. Und viele trauen ihm sogar die Kanzlerschaft zu. Vereinzelt machen in Berlin schon Spekulationen die Runde, der 63-Jährige könne das Amt noch vor der nächsten Bundestagswahl übernehmen, um die SPD rechtzeitig wieder zu revitalisieren. Fakt ist, dass Pistorius am Dienstagabend bereits eine Regentschaft übernommen hat – nicht von Olaf Scholz, sondern vom Finanzminister: Pistorius wurde in Berlin nämlich zum neuen Oldenburger Grünkohlkönig ernannt. Dass nach Robert Habeck (2019) und Christian Lindner (2023) in diesem Jahr nicht auch der dritte Alphamann der Ampel-Koalition zur Kohlmajestät gekürt wurde, sondern sein Verteidigungsminister, ist sicher bezeichnend.

„Richtig Bock auf den Job“ habe er, betonte Pistorius, nachdem er die Requisiten seiner Regentschaft erhalten hatte: eine eindrucksvolle Kette sowie als Zepter-Ersatz eine „Oldenburger Palme“, wie die Grünkohlpflanze auch genannt wird. Einige Sorten des Wintergemüses können immerhin bis zu zwei Meter groß werden. Dass Pistorius seiner Aufgabe gewachsen ist, dürfte klar sein: Vor zehn Jahren war er schließlich schon einmal Grünkohlkönig in seiner Heimatstadt gewesen. Wer die Rivalitäten zwischen den gut 100 Kilometer auseinanderliegenden Städten Osnabrück und Oldenburg kennt, weiß aber um den Konfliktstoff, den die jetzige Wahl birgt. Der neue König ist hingegen überzeugt: Jetzt wachse zusammen, was zusammengehöre.

Lindner tritt mit Wehmut ab

Lindner war bereits die 64. Oldenburger Kohlmajestät. Er gehe mit Wehmut, sagte er den 300 geladenen Gästen, die während der Inthronisierung 200 Kilo Grünkohl und noch mehr „Pinkel“-Würste und andere deftige Fleischspezialitäten verputzten. Als bereichernd hatte er vor allem eine Kutschfahrt auf dem Oldenburger Kramermarkt empfunden. Auf dem Volksfest hatte er mit vollen Händen Kamelle unters Volk gebracht: „einen Tag mal Sozialdemokrat sein“. Linder räumte aber ein, dass er panische Angst gehabt habe, dass ihm vor Ende des Umzugs die Kamelle ausgehen könnten – wie es dem Wirtschaftsminister schon passiert sei. „Lindner blank – diese Schlagzeile wäre ein Rücktrittsgrund gewesen“, so der FDP-Chef. „Dass Robert Habeck die Mittel ausgehen, kennen die Leute ja.“

Die Berliner Spekulationsküche kokett ignorierend sieht Pistorius mit seinem neuen Amt bereits den Höhepunkt seines politischen Daseins erreicht. Dietmar Wischmeyer („Günther, der Treckerfahrer“) machte sich dagegen schon Gedanken darüber, was mit dem neuen Herrscher über die Oldenburger Palmen passiert, wenn es mit der Ampel-Regierung denn einmal vorbei ist: So einen Mann könne man ja nicht einfach bei der Friedrich-Ebert-Stiftung zwischenlagern, so der Comedian. Lindner warnte derweil, dass Grünkohlkönig nicht zwingend ein Karriereturbo sei: Er selbst sei vor einem Jahr „ein Politiker mit Zukunft“ gewesen. Heute liege sein Rating auf dem Niveau italienischer Staatsanleihen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.