Finnlands Scharfschützen verstärken die Nato
Finnlands Scharfschützen verstärken die Nato
Notiert in Brüssel
Scharfschützen im Schnee
Von Stefan Reccius
Seit Dienstag wehen vor dem Nato-Hauptquartier 31 Nationalfahnen. Mit dem Hissen der finnischen Flagge ist der erste Teil der Nato-Norderweiterung formell abgeschlossen. Teil zwei – die Aufnahme Schwedens – verhindern derzeit noch Ungarn und die Türkei. Das Manöver gilt als Wahlkampftaktik von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Insofern setzt nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz darauf, dass die Türkei im Frühsommer ihren Widerstand aufgibt und dann auch Ungarn mitzieht. Mit dem Nato-Gipfel im Juli, so das erklärte Ziel, soll die Norderweiterung besiegelt sein.
Bündnisfreiheit ade
Mit Finnland und Schweden ist die Nato um zwei europäische Länder reicher, die bislang ihre Bündnisfreiheit betont hatten. Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Stimmungslage in Skandinavien komplett verändert. Was vor kaum mehr als einem Jahr utopisch schien, ist nun Realität. Mit Finnlands Beitritt grenzt das Nato-Bündnisgebiet nun auf etwa doppelt so langer Strecke unmittelbar an Russland, denn beide Länder teilen eine mehr als 1300 Kilometer lange Grenze.
Man könnte deshalb auch sagen: Russlands Präsident Wladimir Putin hat genau das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte. Unter Experten ist unstrittig, dass der Neuzugang Finnland die Nato als Ganzes erheblich stärkt und auch Schweden eine Bereicherung für das Bündnis darstellt. Bereits zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs haben sich die Finnen einen ähnlichen Ruf erarbeitet wie nun die Ukrainer: Obwohl zahlenmäßig klar unterlegen, leisteten sie den Angreifern aus Russland im Winter 1939/40 erbitterten Widerstand. Seitdem eilt den Finnen der Ruf voraus, sich besonders effizient tarnen und verteidigen zu können.
Ob Mythos oder Wahrheit: Die US-Botschaft in Prag hat sich diese Legende auf kreative Weise zunutze gemacht, um die Finnen in der Nato zu begrüßen. Im Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichten die Amerikaner das Foto einer Winterlandschaft. Es ist unterteilt in zwölf gleich große Rechtecke. Zu sehen ist viel Wald und viel Schnee, sonst nichts. “Wähle alle Bilder mit finnischen Scharfschützen”, heißt es in der Überschrift. Ausgewählt sind, na klar, alle zwölf Fotoschnipsel. Den Gag versteht jeder, der auf einer Internetseite schon mal nachweisen musste, dass er ein Mensch ist.
Beim Treffen in Brüssel hatten die Außenminister der Nato-Staaten Gelegenheit, ihren finnischen Kollegen Pekka Olavi Haavisto in ihren Reihen zu begrüßen. Auch Finnlands Präsident Sauli Niinistö war angereist. “Die Ära der militärischen Blockfreiheit in unserer Geschichte ist zu Ende gegangen”, sagte Niinistö. Er betonte, wie wichtig es sei, nun auch den Beitritt Schwedens abzuschließen.
Auch sonst ist dieser Tage viel los bei der Nato. Die britische Zeitung “The Sun” streute Gerüchte, wonach EU-Kommissionchefin Ursula von der Leyen eine Kandidatin für die Nato-Spitze ist. Demnach hätten mehrere Nato-Staaten vorgeschlagen, dass von der Leyen im Oktober übernehmen soll. Dann endet die Amtszeit von Jens Stoltenberg. Weit hätte es die gebürtige Brüsselerin nicht: Das Nato-Hauptquartier liegt auf halbem Wege zwischen ihrem derzeitigen Arbeitsplatz im Europaviertel und dem Flughafen der belgischen Hauptstadt. Ein Sprecher der EU-Kommission dementierte: Es handele sich um unbegründete Spekulationen.
