GROSSBRITANNIEN

Starkstrom im Zaun

Andrew Tyrie, der konservative Vorsitzende der Bankenkommission des britischen Parlaments, ist unerbittlich. Mit dem bereits zweiten, in Sprache und Form schonungslos klaren Bericht zur laufenden Bankenreform deckt die Kommission gefährliche...

Starkstrom im Zaun

Andrew Tyrie, der konservative Vorsitzende der Bankenkommission des britischen Parlaments, ist unerbittlich. Mit dem bereits zweiten, in Sprache und Form schonungslos klaren Bericht zur laufenden Bankenreform deckt die Kommission gefährliche Aufweichungstendenzen auf. Zwar stehen die Parlamentarier explizit hinter dem maßvollen Ansatz der Regierung, die Stabilität am Finanzmarkt durch eine bloß organisatorische und rechtliche statt eine vollständige Trennung zwischen elementaren Bankfunktionen und dem riskanteren Investment Banking zu stärken. Doch sie fordern zusätzliche Vorkehrungen, um ein allmähliches Durchlöchern und Umgehen dieses Zauns zu verhindern.Die Regierung hat im Februar auf einen ersten, im Dezember vorgelegten Bericht der Kommission hin versprochen, den Zaun “unter Strom” zu setzen. Dabei handelt es sich nach Vorlage des Gesetzesentwurfs jedoch bloß um Schwachstrom, während die Parlamentarier auf Starkstrom pochen. Diesen versuchen sie mit eigenen Formulierungsvorschlägen gleich selbst anzuschließen.Der Bericht reflektiert in erster Linie das große Misstrauen, das die Erfahrung der Finanzkrise gegenüber den Banken, der Finanzaufsicht und der Politik gesät hat. Vielen Bürgern klingt noch das Eigenlob der letzten Labour-Regierung und der vor ihrer Auflösung stehenden Finanzaufsicht Financial Services Authority (FSA) über die angeblich weltweit führende Regulierung der City in den Ohren – bis jene von der Lawine der Finanzkrise überrollt wurde. Auch jetzt wieder möchte sich die Regierung maximale Flexibilität bewahren und möglichst viele Details und Kompetenzen offenhalten. Doch die Parlamentarier verweisen auf die historisch belegte Innovationskraft der Branche beim Umgehen von Regulierungen und fordern eine periodische Überprüfung des Zauns durch eine unabhängige Instanz. Sanktionen bis hin zur Zwangsaufspaltung der Banken sollen gesetzlich vorgesehen werden.Das Misstrauen der Parlamentarier ist berechtigt. Zwar würden die Sanktionen ohnehin nur durch einen künftigen politischen Entscheid greifen. Ihr Einsatz bliebe damit höchst ungewiss. Doch die unabhängige Überprüfung der Einhaltung der Reform sowie ein gesetzlich vorgeschriebener Sanktionsweg bei Verstößen machen es künftigen Regierungen und Kontrolleuren schwieriger, im nächsten Krisenfall erneut der Ahnungslosigkeit und Verantwortungslosigkeit zu frönen. Das könnte stabilisierend wirken.