Ein Dinosaurier zur Besänftigung
Notiert in London
Ein Dinosaurier zur Besänftigung
Von Andreas Hippin
Im Café der Royal Mint geht es hoch her. Eine Seniorenreisegruppe will ihren Afternoon Tea. Das hektische Treiben und die gut gelaunten Servicekräfte lassen fast vergessen, dass man sich in einer Hochsicherheitszone befindet. Denn hier wird alles Münzgeld geprägt, das in Großbritannien im Umlauf ist.
Hier liegen auch die Reserven, die das Schatzamt in Notfällen einsetzt. Zuletzt war das angeblich nach dem Ende der Pandemie der Fall. Als nach Aufhebung der Ausgangssperren im ganzen Land zu viele Münzen in den Spielautomaten der Seebäder verschwanden, machten sich Laster aus Llantrisant im Nordwesten von Cardiff auf den Weg, die Geldversorgung sicherzustellen. So erzählt es zumindest einer der Mitarbeiter des Museums auf dem Werksgelände.
Hinter reichlich Stacheldraht
Die Royal Mint liegt hinter reichlich Stacheldraht in einem Industriegebiet, in dem sich auch die Glamorgan-Brauerei angesiedelt hat, bekannt für Biere wie „Welsh Cake Stout“. Gäbe es keine Hinweisschilder, würde man nicht darauf kommen, was sich in den Fabrikhallen aus den 1970er Jahren befindet.
Durch die Führungen der Royal Mint erfährt man, warum die Produktion von Tower Hill in London in die südlichen Ausläufer der ehemaligen Bergbauregion Rhondda Valley verlegt wurde. Auf dem Gelände in Tower Hill soll nun die neue Botschaft der Volksrepublik China entstehen. Die Notwendigkeit eines Umzugs war bereits seit den 1950er Jahren klar. Die für 1971 geplante Dezimalisierung der imperialen Währung erzwang ihn schließlich. Man brauchte Platz für die Produktion von Hunderten Millionen von Münzen. Die Münzanstalt hat in Westeuropa die größten Kapazitäten.
Weniger Münzen benötigt
Von hier kamen neben britischem Kleingeld auch einmal die Rohlinge für irische Euro-Münzen. Die Royal Mint produzierte auch für eine ganze Reihe ausländischer Kunden, deren Flaggen die Wände der Produktionshalle zieren. Dort stehen unter anderem Schuler-Pressen herum. Es tut sich aber nicht viel.
Denn inzwischen hat den Staatsbetrieb ein anderer Strukturwandel eingeholt: die Digitalisierung des Bezahlens. Die findet nicht nur in Großbritannien statt, sondern auch bei vielen internationalen Auftraggebern. Entsprechend weniger Münzen werden benötigt. Da bedarf es neuer Ideen.
Tourismus als Ausweg
Der Tourismus könnte sich zur einträglichen Einnahmequelle entwickeln. Noch sind es vor allem Eltern, die ihren Kindern zeigen wollen, wo das Geld herkommt. Sie dürfen an einer dafür abgestellten Presse selbst eine Münze schlagen. Doch müsste mehr für die Besucher zugänglich sein. Derzeit ist es nur die Kleingeld-Halle. Und selbst deren Betreten hängt davon ab, ob gerade jemand da ist. Sie ist nahezu menschenleer. Der Führer der Gruppe schenkt zum Trost allen Besuchern eine handkolorierte 50-Pence-Sondermünze mit einem Dinosaurier. Die Kinder sind zufrieden. Die Erwachsenen hätten vermutlich lieber die Goldverarbeitung gesehen.