LEITARTIKEL

Was die Post bringt

In London läuft die größte Privatisierung seit dem Verkauf der Bahn in den 90er Jahren. Royal Mail soll bei dem Börsengang mit bis zu 3,9 Mrd. Euro bewertet werden. Am Freitag ist die Erstnotiz des Staatskonzerns, der auf einen vor fast 500 Jahren...

Was die Post bringt

In London läuft die größte Privatisierung seit dem Verkauf der Bahn in den 90er Jahren. Royal Mail soll bei dem Börsengang mit bis zu 3,9 Mrd. Euro bewertet werden. Am Freitag ist die Erstnotiz des Staatskonzerns, der auf einen vor fast 500 Jahren gegründeten Zustellservice zurückgeht und im Jahr 9 Mrd. Pfund erlöst. Die “Roten” aus Großbritannien sind verglichen mit den “Gelben” aus Bonn aber eine kleine Nummer. Die Deutsche Post, seit dem Jahr 2000 auf dem Kurszettel, bringt bei 55 Mrd. Euro Umsatz knapp 30 Mrd. Euro auf die Waage. Sie verfügt über ein modernes Netz in Brief und Logistik, die Queen benötigt erst einmal Milliarden zur Sanierung.Eine privatisierte königliche Post muss der Dax-Konzern Post nicht fürchten – weder im Briefgeschäft noch in der Paketzustellung, wo die Briten mit GLS aktiv sind. Und in der Logistik erst recht nicht. Der Konzern – die staatliche KfW ist mit 21 % größter Anteilseigner – ist mit DHL heute global die Nummer 1, Royal Mail ist auf globaler Ebene quasi nicht existent. Zwar ist in Großbritannien ein regelrechter Hype um das Initial Public Offering entbrannt, doch institutionelles Geld dürfte sich nicht an vorderster Front um die Papiere reißen. Dass die Aktie Gelb jüngst in den Euro Stoxx 50 aufgenommen wurde, wertet sie indessen gerade bei diesen Investoren auf, zu deren Liebling sie in jüngerer Zeit mutierte.Und bei ihnen wollen Frank Appel und sein für Finanzen zuständiger Kollege Larry Rosen weiter punkten. Sie halten den Konzern, anders als in den Jahren zuvor, aus den Schlagzeilen heraus, fahren eine auf freien Cash-flow und Erhalt des Investment-Grade-Ratings ausgerichtete Strategie, setzen auf Evolution und erteilen Übernahmen stets vehement Absagen – anders als in der Vergangenheit. M & A habe die Gruppe nicht nötig, denn es gebe keine Lücken im Netz mehr, die mit Akquisitionen geschlossen werden müssten, lautet das Credo.In Asien war der Konzern Logistikpionier, was sich in einer führenden Position gerade auch in China auszahlt. In den USA, wo die Post im vorigen Jahrzehnt Milliarde um Milliarde versenkte, zieht das Geschäft wieder an. Zwar wächst die Branche nurmehr im Gleichschritt mit der Weltwirtschaft. Doch die zunehmende Mittelschicht in Schwellenländern stützt das Frachtgeschäft. Und DHL luchst Rivalen Marktanteile ab. Derzeit sind die Treiber Europa, Afrika und Lateinamerika. In der Heimat profitiert der Konzern vom Boom im Onlinehandel, hier bringt’s die Post im wahrsten Sinne des Wortes – und gleicht mit der Päckchenlieferung das sinkende Briefgeschäft aus. Da lässt sich ein Flop wie der E-Postbrief verschmerzen und auch mal ins Fernbusgeschäft schnuppern. Intern sind die Hausaufgaben gemacht und Problembaustellen abgearbeitet. Und es werden rigide Kosten gesenkt.Die Post rechnet 2013 mit einem Anstieg des operativen Ergebnisses auf knapp 3 Mrd. Euro. DHL mit Express-, Fracht- und Kundenlogistikgeschäft soll mit gut 2 Mrd. Euro den Großteil beisteuern, vom deutschen Brief- und Paketgeschäft werden 1,2 Mrd. erwartet. Appels Ansage lautet: 2015 sollen operativ 3,5 Mrd. Euro verdient werden.Der Vorstandschef positioniert den Konzern als die Post für Deutschland und den Logistikdienstleister für die Welt. Mit der griffigen Formel hat er Kritikern Wind aus den Segeln genommen, die meinen, dass eine Trennung mehr Wert für Aktionäre schaffen würde. Nachdem die Zerschlagung der holländischen TNT im Fiasko endete, sind solche Rechenexempel zunächst vom Tisch.Doch Appel muss liefern. Und die Luft wird dünner, auch wenn zwei von drei Analysten, die sich mit der Aktie beschäftigen, den Kauf empfehlen und noch um die 20 % Aufwärtspotenzial auf der Rechnung haben. In den vergangenen zwölf Monaten hat das Papier mit plus 45 % alle anderen Dax-Werte hinter sich gelassen und notiert deutlich über dem Emissionspreis von 2000. Mit dem Kursanstieg sinkt optisch die Dividendenrendite auf etwa 3 %, wobei 40 und 60 % des Gewinns ausgeschüttet werden, bestritten aus dem freien Cash-flow. Das auf Basis der Ergebnisschätzungen für 2014 ermittelte Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 15 zeigt, dass die Aktie zwar kein Schnäppchen mehr ist, aber die erwartete Margenexpansion noch nicht voll eingepreist ist. Aufholbedarf herrscht auch mit Blick auf Rivalen: Der Bewertungsabschlag liegt noch bei einem Fünftel. Doch der Investor zahlt schon den zweieinhalbfachen Buchwert.Auf jeden Fall gilt: Solange die Großaktionärin KfW an ihrem 21 % Paket festhält, ist der Verkauf zu früh.——–Von Walther BeckerRoyal Mail geht an die Börse, die Deutsche Post ist längst da. Doch die Luft in der Bewertung wird nach der Kursrally immer dünner.——-