Reifenhersteller

China und Italien ringen um die Macht bei Pirelli

Pirelli-Chef Marco Tronchetti Provera ist das Stehaufmännchen unter Italiens Spitzenmanagern. Seit 1992 steht er an der Spitze des Reifenherstellers Pirelli und überstand selbst schwierigste Zeiten. Nun hilft ihm der Staat dabei, seinen und den italienischen Einfluss bei dem Reifenhersteller zu sichern.

China und Italien ringen um die Macht bei Pirelli

Pirelli-CEO Tronchetti Provera fürchtet um sein Lebenswerk

Von Gerhard Bläske, Mailand

Dass er mit 75 noch mal um sein Lebenswerk fürchten muss, hat sich Pirelli-CEO Marco Tronchetti Provera wohl nicht träumen lassen. Noch vor zwei Jahren sagte er der Börsen-Zeitung, dass sich der chinesische Großaktionär Sinochem/Chemchina, der 37% der Anteile des börsennotierten Reifenherstellers hält, nicht in die Unternehmenspolitik einmische.

Nun musste sich der hoch gewachsene und stets elegante CEO, der einst mit dem legendären Fiat-Chef und Eigner Gianni Agnelli, dem „Avvocato“, verglichen wurde, jedoch Hilfe beim italienischen Staat holen. Denn der mehr und mehr unter dem Einfluss des chinesischen Staats stehende Anteilseigner mischte sich immer stärker bei Pirelli ein und wollte im Rahmen des neuen Aktionärspakts auch mehr Befugnisse etwa bei der Bestimmung des Spitzenpersonals.

Dem schob der CEO, der nach bisherigen Plänen das Zepter in diesem Jahr an Giorgio Bruno abgeben will, jetzt einen Riegel vor. Bei einer Anhörung der Regierung in Rom, die den neuen Aktionärspakt absegnen sollte, hat er sich angeblich sehr besorgt über die Entwicklung gezeigt. Die Regierung machte nun von der Möglichkeit Gebrauch, im Rahmen einer seit 2012 bestehenden Golden-Power-Regelung die Befugnisse des Aktionärs zu begrenzen und damit den Einfluss der italienischen Seite zu sichern. Begründet wurde dies mit der Notwendigkeit, strategische Interessen wahren zu müssen.

Tronchetti Provera, der 1978 in zweiter Ehe Cecilia Pirelli, Urenkelin des Firmengründers Giovanni Battista Pirelli und Tochter des damaligen CEO Leopoldo Pirelli, geheiratet hatte, wird die Entwicklung weiter genau beobachten. „Pirelli war immer Teil meines Lebens und wird es immer sein“, sagte er vor zwei Jahren der Börsen-Zeitung. Der aus einer Unternehmerfamilie stammende Manager hatte 1992 von seinem Schwiegervater die Führung des nach der gescheiterten Continental-Übernahme hoch verschuldeten Konzerns übernommen. In der Rezession Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts war Pirelli dann zusätzlich in Turbulenzen geraten. Tronchetti Provera, Vater von drei Kindern, der inzwischen eine weitere Ehe mit dem tunesischen Model Anif Jnifen hinter sich hat, brachte den Reifenhersteller schließlich mit einer Rosskur auf Kurs: Er verkaufte die Glasfasersparte und vereinfachte die komplizierte Konzernstruktur.

Doch dann erwies sich der Einstieg bei Telecom Italia (TIM) als fataler Fehlschlag. Pirelli stieg mit hohen Verlusten aus. Tronchetti Provera trennte sich vom Kabelgeschäft (Prysmian), später auch von der Industriereifensparte, und wurde vom Jäger zum Gejagten. Die russische Rosneft stieg ein. 2015 erwarb Sinochem für 7 Mrd. Euro die Mehrheit, brachte Pirelli 2017 an die Börse und reduzierte auf 37%. Das Statut schien Tronchetti Provera die ideale Möglichkeit zu sein, seinen Einfluss zu sichern. Der CEO, der bei all diesen Wendungen stets an der Spitze blieb, verfügte über seine Holding Camfin, die 14% der Anteile hält, über ein Vetorecht. Doch diese Lösung hatte schließlich nicht Bestand. Diesmal hilft Tronchetti Provera der italienische Staat aus der Patsche und sichert ihm und seiner Camfin weiterhin zentralen Einfluss.

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