Neue Rettungsmission für Thorsten Dirks
Von Heidi Rohde, FrankfurtHeikle Missionen sind für Thorsten Dirks nichts Neues. Schon der Wechsel in den Lufthansa-Konzern, wo der Diplomingenieur der Elektro- und Nachrichtentechnik 2016 die Leitung der Low-Cost-Tochter Eurowings übernahm, galt vielen als eine solche – allein deshalb, weil Dirks nach rund 20 Jahren in der Telekommunikationsbranche den Sprung in ganz neue Gefilde wagte. Überdies hatte der heute 57-Jährige damals eine wahrhaft “steile Lernkurve” zu bewältigen, wie er selbst einmal sagte. Denn 105 Tage nach seiner Ankunft bei Eurowings ging Konkurrent Air Berlin pleite und die Lufthansa-Tochter übernahm einen großen Teil der Flieger und Crews, deren Integration schon an sich eine Mammutaufgabe darstellte. Sie wurde nochmals größer durch einen in den Jahren zuvor stark angeschwollenen Flugverkehr, der im Sommer 2018 in einem regelrechten Flugchaos bei zahlreichen Airlines zur Ferienzeit gipfelte.Von derlei “Wachstumsschmerzen” ist die Lufthansa heute weit entfernt. Stattdessen leidet die gesamte Branche durch Covid-19 unter einem Nachfrageeinbruch, der sich zur größten Krise der Luftfahrt in der Nachkriegszeit ausgewachsen hat. In dieser Situation ist Dirks nun erneut unterwegs in heikler Mission. Der Manager, der erst im Dezember die Führung von Eurowings abgegeben hat, um im Vorstand die Themen IT, Digitales und Innovation zu verantworten, ist zugleich derjenige, dem wichtige Aufgaben aus dem Ressort des krankheitsbedingt Anfang April ausgeschiedenen CFO Ulrik Svensson zugefallen sind. Feuertaufe bestandenSeine Feuertaufe in dieser neuen Rolle hat der “Flugschüler”, wie ihn der eine oder andere alteingesessene Lufthanseat schon gelegentlich nannte, bei der Vorstellung der jüngsten Quartalsergebnisse ohne Probleme bestanden. Stets unaufgeregt und verbindlich im Ton, aber ebenso schonungslos in der Analyse präsentierte er die katastrophalen Folgen der Coronakrise in der Konzernbilanz – und stimmte auf Schlimmeres im laufenden Quartal ein.Mit dem Hinweis auf die “zeitnah” zur außerordentlichen Hauptversammlung am 25. Juni drohende Zahlungsunfähigkeit hat der Vorstand den Druck auf die Aktionäre erhöht, den Modalitäten des Rettungspakets zuzustimmen. Denn die fast 9 Mrd. Euro schwere Kapitalzufuhr, auf die sich Lufthansa, Bundesregierung und EU in wochenlangen Verhandlungen zuvor geeinigt hatten, ist erst in trockenen Tüchern, wenn die Aktionäre einer Kapitalerhöhung zum Nennwert der Aktie von 2,56 Euro unter Ausschluss ihres Bezugsrechts zugestimmt haben. Dann steigt der Staat mit 20 % temporär bei der Lufthansa ein.Dass diese Drohkulisse für die Anteilseigner vom Vorstand sogleich mit geplanten Sparmaßnahmen garniert wurde, die einen umfangreichen Stellenabbau beinhalten könnten, trägt zweifellos auch die Handschrift des neuen “Pro-forma-Finanzvorstands”. Dirks muss einer Position Profil geben, auf die der Lufthansa-Aufsichtsrat formal vorläufig verzichtet hat, indem er Svenssons Aufgaben verteilte, die aber am Kapitalmarkt dringend ein Gesicht braucht, das für die Lufthansa Vertrauen zurückgewinnen kann. Angesichts milliardenschwerer Schulden und einer sehr allmählichen Erholung des Flugverkehrs stehen die Lufthansa und Dirks dabei vor einem Kraftakt. Dabei trifft es sich gut, dass der Manager in seiner Laufbahn schon den einen oder anderen auch finanziell schwierigen Kraftakt bewältigt hat. Dazu zählte ganz sicher die Sanierung und Repositionierung des damaligen Mobilfunknetzbetreibers E-Plus, dessen Führung Dirks 2007 übernahm. Er bewies dabei jene Stärken, die Lufthansa-Chef Carsten Spohr überzeugten: strikte Kostendisziplin verbunden mit “großer Innovationskraft und Kundenfokus”. ÜberraschungssiegerDirks Erfolge zahlten sich bald in einem Karrieresprung aus, der manchen Beobachter überraschte. Nach der Übernahme von E-Plus durch Telefónica Deutschland wurde er anstelle des bisherigen CEO René Schuster Chef des neuen vereinigten Unternehmens. Auch hier konnte der gebürtige Hamburger üben, was ihn offenbar bis zum Ende seiner Laufbahn begleiten wird: die Integration zweier Unternehmer, Kostendisziplin und Innovation. Um die beiden Letzteren wird die Lufthansa nicht umherkommen, wenn sie sich bald wieder aus dem staatlichen Stützkorsett befreien und einen neuen Wachstumspfad finden will.