Abkehr der USA von globaler Mindeststeuer fordert Unternehmen und Politik
Abkehr der USA von globaler Mindeststeuer
fordert Wirtschaft und Politik
Die Leidtragenden werden vor allem die Nicht-US-Unternehmen sein − EU gefordert
Von Julian Böhmer *)
Nachdem sich die Gerüchte in der vergangenen Woche verdichtet hatten, wurde es am Montag offenbar: Die USA steigen aus der globalen Mindeststeuer aus. Zudem kündigte Präsident Trump an, Maßnahmen zu ergreifen, um US-Unternehmen vor Steuernachteilen zu schützen. Wie Deutschland und die EU reagieren können, ist noch nicht klar. So viel aber steht fest: die Leidtragenden werden vor allem die Nicht-US-Unternehmen sein.
OECD und G20 hatten sich vor einigen Jahren auf die globale Mindeststeuer geeinigt: Große Unternehmensgruppen sollen mindestens 15 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zahlen, egal wo sie ansässig sind und wo die Gewinne anfallen. Seit Anfang 2024 gilt in Deutschland darum das Mindeststeuergesetz; auch viele andere Staaten haben vergleichbare Gesetze geschaffen.
Memorandum nach Amtsantritt
Präsident Trump erklärte nun mit einem Memorandum kurz nach Amtsantritt, dass die Mindeststeuer in den USA keine Anwendung finden wird, solange der Kongress dieser Steuer nicht zustimmt – was sehr unwahrscheinlich ist. Darüber hinaus wurde angeordnet, dass untersucht werden soll, ob ausländische Staaten gegen Doppelbesteuerungsabkommen verstoßen, die sie mit den USA abgeschlossen haben oder ob sie über steuerliche Regelungen verfügen, die zu einer extraterritorialen Besteuerung oder zu Nachteilen für US-Unternehmen führen können. Binnen 60 Tagen soll eine Liste mit Maßnahmen vorgelegt werden, mit denen sich die USA vor solchen Regelungen schützen können.
Knackpunkt Sekundärergänzungssteuer
Ein Dorn im Auge ist den USA vor allem die sogenannte Sekundärergänzungssteuer. Mit diesem Bestandteil der globalen Mindeststeuer wollte die OECD sicherstellen, dass auch das Steuersubstrat von Unternehmensgruppen aus solchen Ländern der Mindeststeuer unterliegt, die die Mindeststeuer selbst nicht umsetzen. Dazu wird auf Ebene der Konzerngesellschaften, die in Ländern ansässig sind, die die Mindeststeuer umgesetzt haben, die Steuer nacherhoben, die in anderen Staaten „zu wenig“ gezahlt wurde. Hat ein Konzern, dessen Muttergesellschaft in den USA ansässig ist, zwei Tochtergesellschaften zum Beispiel in Deutschland und Frankreich und wird die US-Gesellschaft nur mit 13 Prozent besteuert, dann würde die Differenz zum Mindeststeuersatz von 15 Prozent in Deutschland und Frankreich nacherhoben.
US-Fiskus fürchtet um Milliarden
Insbesondere die Republikaner sehen diese Sekundärergänzungssteuer sehr kritisch, da sie dazu führt, dass in den USA erzielte Einkünfte in anderen Staaten besteuert werden. Nach Schätzungen würden dem US-Fiskus in den kommenden zehn Jahren dadurch bis zu 120 Mrd. Dollar entgehen.
In der Folge gab es bereits zwei Gesetzesentwürfe im Kongress, mit denen Gegenmaßnahmen umgesetzt werden sollten, wenn andere Staaten extraterritorial Steuern erheben. Der Entwurf eines „Defending American Jobs and Investment Act” aus Mai 2023 sieht u.a. vor, dass erhöhte Steuersätze auf das in den USA zu besteuernde Einkommen von Unternehmen und privaten Investoren anzuwenden sind, die in Staaten ansässig sind, die extraterritoriale oder diskriminierende Steuern erheben. Konkret soll ein Zuschlag auf den normalen Steuersatz anfallen − von zunächst 5 Prozentpunkten und über vier Jahre auf bis zu 20 Prozentpunkte erhöht. Der Entwurf eines „Unfair Tax Prevention Act” vom Juli 2023 plant eine Verschärfung der sogenannten BEAT (Base Erosion and Anti-Abuse Tax) für Unternehmen mit Sitz in Ländern, die eine extraterritoriale Steuer erheben. Ihnen sollen verschiedene Erleichterungen bei der Berechnung der BEAT versagt werden, die andere Unternehmen genießen. Beide Gesetze wurden bislang nicht verabschiedet; der Vorschlag des „Defending American Jobs and Investment Act” wurde aber bereits am Mittwoch wieder in den Kongress eingebracht.
Die Sekundärergänzungssteuer ist auch im deutschen Mindeststeuergesetz enthalten, und deutsche Unternehmen fragen sich nun: Was kommt auf uns zu, wenn wir das geltende deutsche Recht anwenden, dadurch aber Gegenmaßnahmen der USA fürchten müssen? Für 2025 stellt sich das Problem noch nicht in aller Schärfe, da für deutsche Töchter von US-Konzernen noch die Möglichkeit besteht, von der Anwendung der Sekundärergänzungssteuer im Verhältnis zu den USA abzusehen (UTPR-Safe Harbour). Für Folgejahre gilt dieser Safe Harbour nach geltender Rechtslage aber nicht mehr.
Einstimmigkeit erforderlich
Helfen könnte grundsätzlich der deutsche Gesetzgeber. Der hat allerdings keine freie Hand: Die Regelungen zur Sekundärergänzungssteuer beruhen auf einer EU-Richtlinie. Entsprechend ist die EU gefordert, auf mögliche Gegenmaßnahmen der USA zu reagieren. Wollte man die Regelungen zur Sekundärergänzungssteuer ändern, erfordert dies aber eine einstimmige Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten. Der Einigung auf die Richtlinie ging bereits erheblicher Streit voraus, weil insbesondere Ungarn und Polen lange Widerstand leisteten. Viele Experten hatten vor allem diesen Punkt kritisiert: Dass die Richtlinie nur noch sehr schwer geändert werden kann, sobald sie einmal verabschiedet ist.
*) Dr. Julian Böhmer ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner von Linklaters in Düsseldorf.