RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: PATRICK NORDHUES

"Die Fairness Opinion ist kein Ersatz für die eigene Berurteilung des Preises"

Keine "automatische Haftungsentlastung" bei Übernahmeofferten

"Die Fairness Opinion ist kein Ersatz für die eigene Berurteilung des Preises"

– Herr Dr. Nordhues, bei Elexis, die sich inzwischen die Mehrheit gesichert hat, sitzen die Aktionäre zwischen den Stühlen: Der Aufsichtsrat des Maschinenbauers lehnt das Übernahmeangebot von SMS ab, der Vorstand befürwortet es, beide berufen sich auf Fairness Opinions – wie kann es zu solchen Bewertungsdifferenzen kommen?Zunächst ist festzuhalten, dass im Rahmen einer Fairness Opinion eine Vielzahl von Bewertungsmethoden zur Anwendung kommen – kapitalwertorientierte Bewertungsverfahren wie auch marktpreisorientierte Verfahren. Ein Rangverhältnis zwischen diesen Bewertungsverfahren besteht auch nach dem IDW S 8 nicht. Einen hohen Stellenwert erhält in der Regel das auf der Unternehmensplanung basierende Discounted-Cash-flow-Verfahren. Hier kann es durchaus zu abweichenden Ergebnissen kommen. Aber auch das Ergebnis der marktpreisorientierten Verfahren hängt zum Beispiel von den als Vergleichsmaßstab herangezogenen Transaktionen bzw. Peer Groups ab, deren Auswahl nur im begrenzten Maß objektivierbar ist.- Müssen die Organe auf diese ungewöhnliche Konstellation reagieren, zum Beispiel eine weitere Fairness Opinion einholen?Eine generelle Pflicht, eine Fairness Opinion einzuholen, besteht nicht. Ohnehin darf sich der Vorstand bzw. Aufsichtsrat nicht allein auf die Fairness Opinion verlassen. Diese bildet lediglich einen Baustein der Beurteilung der Transaktionsbedingungen und hat somit nur unterstützenden Charakter. Dies betont auch der IDW S 8. Vorstand und Aufsichtsrat sollten vorliegend allerdings die jeweils abweichende Fairness Opinion zum Anlass nehmen, ihre jeweilige Stellungnahme nochmals zu überprüfen und ggf. anzupassen.- Welchen Haftungsrisiken setzt sich der Vorstand aus, der sich ja mit der Fairness Opinion absichern will?Üblicherweise will der Vorstand mit der Fairness Opinion dokumentieren, dass er im Sinne der Business Judgement Rule seine Entscheidungsgrundlage abgesichert hat und sorgfältig vorgegangen ist. Erforderlich ist hierzu jedoch auch, dass der Vorstand die ihm übermittelte Fairness Opinion einer kritischen Würdigung unterzogen hat. Selbst dann führt dies nicht zu einer automatischen Haftungsentlastung zugunsten des Vorstands. Die Fairness Opinion ist kein Ersatz für die eigenverantwortliche Beurteilung des Angebotspreises.- Gibt es rechtliche Anknüpfungspunkte für außen stehende Aktionäre, wenn die Übernahme auf Grundlage abweichender Angemessenheitsbeurteilungen zustande kommt?Ein Schaden kann bei einem Aktionär nur dann entstehen, wenn er aufgrund einer falschen oder unvollständigen Stellungnahme des Vorstands bzw. Aufsichtsrats davon abgehalten wurde, seine Wertpapiere zu einem günstigen Angebotspreis zu veräußern, oder er zu einem Verkauf seiner Papiere unter Wert veranlasst worden ist. Denkbar sind dann Ansprüche der Aktionäre nach den Grundsätzen der Prospekthaftung sowie nach Deliktsrecht. Solche Ansprüche könnten Aktionäre sowohl gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat als auch gegenüber der Zielgesellschaft geltend machen. Es wird allerdings vertreten, dass die Haftung der Verwaltungsmitglieder auf grob fahrlässige und vorsätzliche Handlungen zu beschränken ist. Die Hürden für außenstehende Aktionäre sind damit sehr hoch.- Könnten sich Ansprüche des Unternehmens oder Dritter gegen die Ersteller der Fairness Opinion ergeben?Ansprüche des Unternehmens gegen die beauftragte Investmentbank oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft können sich bei Sorgfaltspflichtverletzungen aus der zugrunde liegenden Mandatsvereinbarung ergeben. Fraglich ist, ob darüber hinaus auch Aktionäre Ansprüche gegen die Investmentbank oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geltend machen können. Hierzu wird vertreten, dass auch Berater gemeinsam mit den Organmitgliedern haften, wenn sie aufgrund ihrer besonderen beruflichen oder wirtschaftlichen Position eine Garantenstellung einnehmen und aufgrund ihrer Mitwirkung an der Stellungnahme einen Vertrauenstatbestand schaffen. Folgt man dieser Meinung, könnte auch eine Haftung der beauftragten Investmentbank oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestehen. Vorsorglich beinhalten Fairness Opinions daher einen Haftungsausschluss gegenüber Dritten.—-Dr. Patrick Nordhues ist Rechtsanwalt bei McDermott Will & Emery in Düsseldorf. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.