RECHT UND KAPITALMARKT

EEG-Konten weisen hohe Unterdeckung auf

Finanzierungshilfen für Übertragungsnetzbetreiber sind an Vorgaben gebunden - Einbruch des Stromverbrauchs und niedrigere Preise

EEG-Konten weisen hohe Unterdeckung auf

Von Stefan Tüngler und Hendrik Wessling *)Die EEG-Konten sämtlicher Übertragungsnetzbetreiber sind stark unterdeckt. Eine kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Zum Jahresende werden historische Höchststände für die Negativsalden erwartet. Diese Unterdeckungen zwingen Übertragungsnetzbetreiber zu Zwischenfinanzierungen, die auch aus Sicht von Kreditinstituten verschiedene energiewirtschaftsrechtliche Fragen aufwerfen.Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht grundsätzlich zwei Modelle für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vor. Charakteristisch für das Einspeisemodell ist der Anspruch des Anlagenbetreibers auf Abnahme des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms gegen Zahlung einer festen energieträgerspezifischen Vergütung. Das in der Praxis stärker verbreitete Marktprämienmodell zeichnet sich dadurch aus, dass die Anlagenbetreiber den von ihnen erzeugten Strom selbst vermarkten oder vermarkten lassen (sogenannte Direktvermarktung). Von ihrem jeweiligen Anschlussnetzbetreiber erhalten sie dann eine Prämie, die vereinfacht gesprochen der Differenz zwischen gesetzlich vor-gegebener Mindestvergütung und den vom Anlagenbetreiber aus der Stromvermarktung erzielten Erlösen entspricht.Diese Vergütungs- und Prämienzahlungen werden zuvörderst mittels der EEG-Umlage finanziert. Schuldner der EEG-Umlage sind Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Strom an Letztverbraucher liefern, sowie sonstige Letztverbraucher, wie zum Beispiel Eigener-zeuger und Stromimporteure.Die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission, Amprion, TransnetBW und Tennet TSO wickeln dieses Förder- und Umlagesystem treuhänderisch ab. Insofern sind sie verpflichtet, ein separates Bankkonto zu führen, auf dem sämtliche vom Verordnungsgeber in § 3 der Erneuerbare Energien Verordnung (EEV) und in § 6 der EEV-Ausführungsverordnung (EEAV) festgelegten Einnahmen und Ausgaben verbucht werden müssen. Der Einnahmenseite unterfällt insbesondere die EEG-Umlage sowie die Erlöse, die die Übertragungsnetzbetreiber bei der Vermarktung der von den Anschlussnetzbetreibern im Rahmen des Einspeisemodells abgenommenen Strommengen erzielen. Die Ausgabenseite des Kontos besteht vorrangig aus Kostenerstattungen für die von den nachgelagerten Anschlussnetzbetreibern geleisteten Prämien- und Vergütungszahlungen. Kluft zwischen Soll und IstDie Übertragungsnetzbetreiber ermitteln die Höhe der EEG-Umlage bis zum 15. Oktober eines Kalenderjahres für das jeweils folgende Jahr. Insofern berücksichtigen sie die im laufenden Kalenderjahr aufgetretene Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben sowie die für das folgende Kalenderjahr prognostizierten Einnahmen und Ausgaben. Grundsätzlich gilt: Je stärker die tatsächliche Entwicklung von der prognostizierten Lage abweicht, desto unausgeglichener entwickeln sich die EEG-Konten.Derzeit sind die EEG-Konten in besonderem Maß unausgeglichen. Am 31. August 2020 lag das aggregierte Negativsaldo aller vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber bei fast 2,8 Mrd. Euro.Das hat vor allem folgende Ursachen: Zunächst ist der Stromverbrauch coronabedingt eingebrochen. Infolgedessen fallen die Einnahmen aus der EEG-Umlage geringer aus als prognostiziert. Außerdem hat sich aufgrund des Nachfragerückgangs die Merit Order des Kraftwerkseinsatzes (sortierte Grenzkostenkurve der Stromerzeugung) verschoben. Der Strombedarf konnte mit in der Einsatzreihung günstigeren Kraftwerken gedeckt werden, was zu niedrigeren Strompreisen führte. Das wiederum hat zwei negative Effekte für die Einnahmeseite der Übertragungsnetzbetreiber: Erstens können sie den Strom, der nach dem EEG vom Anschlussnetzbetreiber verpflichtend abzunehmen ist, nur zu geringeren Preisen vermarkten. Zweitens fallen wegen der niedrigeren Strompreise die an die Anlagenbetreiber zu zahlenden Marktprämien höher aus als von ihnen im Rahmen der Kalkulation der EEG-Umlage für das laufende Jahr prognostiziert.Zum Ausgleich von Unterdeckungen der EEG-Konten sind die Übertragungsnetzbetreiber auf Finanzierungshilfen angewiesen. Ihre Inanspruchnahme ist jedoch an energiewirtschaftsrechtliche Vorgaben gebunden: Der Sollzinssatz von Darlehensverträgen muss grundsätzlich 0,3 Prozentpunkte über dem Monatsdurchschnitt des Ein-Monats-Euribor liegen. Auf höhere Sollzinssätze dürfen sich Übertragungsnetzbetreiber nur einlassen, wenn ihnen kein anderes Kreditinstitut einen günstigeren Zinssatz anbietet. Verstoßen die Übertragungsnetzbetreiber gegen dieses Wirtschaftlichkeitspostulat, bleibt der Darlehensvertrag gleichwohl wirksam; die höheren Kosten können allerdings nicht über die EEG-Umlage abgewälzt werden.Ferner sind die Übertragungsnetzbetreiber bei der Verwaltung der EEG-Konten an das Enumerationsprinzip gebunden: Sie dürfen auf dem Bankkonto ausschließlich die in der EEV und EEAV aufgeführten Einnahmen und Ausgaben verbuchen. Die Auszahlung eines Kredits durch eine Drittbank, also eine nicht kontoführende Bank, wird dort nicht als Einnahme genannt. Die Unzulässigkeit von Kreditverträgen mit Drittbanken folgt daraus indes nicht. Nach dem Willen des Verordnungsgebers liegt den Begriffen der Einnahmen und Ausgaben ein betriebswirtschaftliches Verständnis zugrunde. Darlehensvalutierungen sind demnach von vorneherein keine Einnahmen und können auf dem Bankkonto daher ungeachtet ihrer fehlenden Aufzählung in § 3 EEV und § 6 EEAV verbucht werden. Zuschüsse vom BundNicht vollständig geklärt ist schließlich, ob Übertragungsnetzbetreiber ihre die EEG-Umlage betreffenden Forderungen sicherungshalber an Kreditinstitute abtreten dürfen. Eine Abtretung als solche ist richtigerweise in Ermangelung eines Abtretungsverbots zulässig. Die Einzugsermächtigung muss jedoch beim Übertragungsnetzbetreiber verbleiben, denn dieser ist gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 EEV verpflichtet, die EEG-Umlagezahlungen über das EEG-Konto abzuwickeln. Zwar können Unterdeckungen durch eine Erhöhung der EEG-Umlage für das nächste Kalenderjahr ausgeglichen werden, aufgrund der außergewöhnlichen Höhe des derzeitigen Negativsaldos würde dieser Ausgleich jedoch mit einem erheblichen Anstieg der EEG-Umlage für 2021 verbunden sein.Das hat die Bundesregierung ausgeschlossen: Im Zusammenhang mit dem Corona-Krisenpaket hat sie angekündigt, die EEG-Umlage für das Jahr 2021 auf 6,5 ct/Kilowattstunde (kWh) und für das Jahr 2022 auf 6,0 ct/kWh zu deckeln und die EEG-Konten der Übertragungsnetzbetreiber im Gegenzug aus Haushaltsmitteln zu bezuschussen. Details sollen in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden, der momentan zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie den Übertragungsnetzbetreibern verhandelt wird. Offen ist derzeit, ob der Bund einen vollständigen Ausgleich der EEG-Konten garantieren wird, auf welche Auszahlungszeitpunkte und Tranchen sich die Parteien einigen und ob dieser öffentlich-rechtliche Vertrag der beihilferechtlichen Prüfung durch die Europäische Kommission standhält. Deswegen empfiehlt es sich, Zwischenfinanzierungsvereinbarungen mit speziellen Anpassungsklauseln zu versehen.Der Zwischenfinanzierungsbedarf der Übertragungsnetzbetreiber als solches ist von der konkreten Ausgestaltung der staatlichen Zuschüsse und der Prüfung ihrer beihilferechtlichen Zulässigkeit indes unabhängig. Die Bezuschussung der EEG-Konten aus Haushaltsmitteln befreit die Übertragungsnetzbetreiber nicht von dem Risiko, dass ihre EEG-Konten bis zur Auszahlung der Zuschüsse aufgrund von Prognoseabweichungen unterdeckt sind. In Coronazeiten kommt diesem Risiko besondere Bedeutung zu. *) Dr. Stefan Tüngler und Dr. Hendrik Wessling sind Rechtsanwälte bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Düsseldorf.