Immobilien vererben will wohlüberlegt sein
Von Oskar H. Metzger Deutschland, ein Land der Erben. Bereits in den Jahren 2009 und 2010 werden fast 3 Millionen Immobilien vererbt. “Jeder zweite Erbe ist zwischen 50 Jahre und 60 Jahre alt und entstammt der geschwisterreichen Generation Erbengemeinschaft”, sagt Rüdiger Grimmert von der BHW Bausparkasse. Für die Erbengemeinschaft gilt: Was mit dem Erbe geschieht, muss gemeinschaftlich entschieden werden. Ein großes Problem ist es deshalb, dass bei einem nicht aufgeteilten Immobilienerbe alle Miterben zu dessen gemeinsamer Verwaltung berechtigt und verpflichtet sind. Deshalb sei es hilfreich, die Immobilie in eine eigene Gesellschaft einzubringen, so Grimmert.Ein weiteres Problem sei die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer, da Immobilienwerte durch die Änderung des Bewertungsgesetzes deutlich höher ausfielen, warnt Jürgen Michael Schick, Vizepräsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD) Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen. “Die Grundlage für die Steuerermittlung beträgt nicht länger rund 60 % des Immobilienwertes, sondern 100 % bei selbst genutzten Immobilien.” Denkmäler fast steuerfreiDurch die wesentlich höheren Bemessungsgrundlagen falle auch die Erbschaftsteuer höher aus, sagt Rechtsanwältin Ira von Cölln, Steuerexpertin des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Aufatmen können jedoch diejenigen, die Denkmalimmobilien vererben wollen. Denn der Gesetzgeber hat hier die Bemessungsgrundlage auf 20 % gesenkt. Somit bleiben Denkmäler bei der Vererbung weitgehend steuerfrei, sodass der Erbe dieses Geld für die Sanierung und Erhaltung verwenden kann.Beim Vererben des selbst genutzten Familienwohnheims gebe es zahlreiche Probleme, sagt Klaus Michael Groll, Fachanwalt für Erbrecht in München. Er ist gleichzeitig Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Erben mehrere Kinder, so genießt nur das Kind den Steuervorteil, das in das geerbte Objekt einzieht. Das provoziere Streit und bedeute Ungerechtigkeit, bedauert der Experte. Dies sollte man durch eine kluge Regelung im Testament verhindern – zum Beispiel mit einer Steuerausgleichsklausel.”Zudem bedeutet die gesetzliche Regelung auch einen Angriff auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit”, beklagt der Anwalt. So beispielsweise dann, wenn sich ein Sohn mit guter beruflicher Position in Hamburg aus Steuergründen gezwungen sieht, nach München in das von den Eltern geerbte Haus zu ziehen.Zwar geben die neuen Regelungen auch den Kindern die Möglichkeit, das eigengenutzte Haus steuerfrei zu erhalten. Voraussetzung sei jedoch, dass das Kind unverzüglich in das Haus einziehe und dieses für die nächsten zehn Jahre nicht vermiete oder veräußere, sagt Agnes Fischl, Fachanwältin für Erbrecht in München. Größe entscheidendManche Immobilieninvestitionen sind nach den Worten von Tobias Just von der Deutschen Bank durch die Erbschaftsteuerreform interessanter und manche uninteressanter geworden. Alles in allem lässt sich jedoch sagen: Gestärkt werden tendenziell nicht zu große Wohnungen für weniger mobile Kinder. Denn wegen der Haltezeit von zehn Jahren ist die Mobilität stark eingeschränkt. Letztlich sei zu beachten, sagt Just, “dass große Wohnungen über 200 Quadratmeter Wohnfläche auch im Erbfall an Kinder teilweise versteuert werden müssen”. Eine Überprüfung bestehender Testamente sei nach der Erbschaftsteuerreform grundsätzlich immer ratsam, sagt Stefan Rasp von der HypoVereinsbank. Aber insbesondere dann, wenn der Gegenwert der Immobilie die Summe der persönlichen Freibeträge der potenziellen Erben übersteigt. Zu Lebzeiten regelnInsofern sollte überlegt werden, ob ein bereits aufgestelltes Testament hinsichtlich der künftigen Steuerlast bzw. der Verpflichtung der Kinder, das Familienheim auch selbst zu nutzen, noch sinnvoll sei, sagt Monika Grave von der LBS Norddeutsche Landesbausparkasse. Es können Alternativen aufgestellt werden, die Vermögensnachfolge schon zu Lebzeiten zu regeln und zu übertragen. Befürchtungen des Schenkers, die wirtschaftliche Verfügungsgewalt und die Vorteile aus der Immobilie zu verlieren, können durch lebenslange Wohn- und Nießbrauchsrechte relativ einfach aus dem Weg geräumt werden.Nachteile bei der Erbschaftsteuer könnten sich bei Vorliegen des sogenannten Berliner Testaments unter Ehegatten für die Kinder ergeben, warnt Isabell Gusinde, Steuerexpertin der Postbank. Erben die Kinder später z. B. das gesamte Vermögen der Eheleute von dem überlebenden Ehegatten, so können sie nur den Freibetrag für den Erwerb von einem Elternteil geltend machen. Wäre jedoch schon nach dem Tod des ersten Elternteils ein Erbteil auf die Kinder übergegangen, so hätte auch hier der Freibetrag genutzt werden können. Die Übertragung von Vermögen auf Kinder und Enkel per Schenkung kann durch die Steuerfreibeträge alle zehn Jahre ausgenutzt werden. Bilanz ziehenInsgesamt sei es deshalb in jedem Fall ratsam, eine Vermögensaufstellung zu machen, bei der die Verteilung des Vermögens nicht nur nach dem Gesichtspunkt “wer soll das einmal erhalten” erfolge, sondern auch unter dem Blickwinkel der Optimierung der Freibeträge, sagt Anwältin Fischl.”Immobilien sind in Zeiten der Finanzkrise grundsätzlich interessanter geworden, da sie von vielen Anlegern als wirksamer Schutz vor Inflation gesehen werden”, sagt Steuerexpertin Gusinde. Das gilt natürlich auch für Eltern, die ihren Kindern ein sicheres Erbe übergeben wollen, das möglichst nicht durch Finanzkrise oder Inflation geschmälert wird. Freibetrag schnell erreichtZumindest teilweise sind Immobilieninvestitionen durch die Erbschaftsteuerreform interessanter geworden, sagt von Cölln vom BFW. Zudem ist die Investition in Immobilien ein sicherer und guter Anlagefaktor. Denn die Mieten in Deutschland sind stabil, und eine langfristige Rendite ist sichergestellt. Ein Wertverlust wie beispielsweise bei Aktien ist bei der Immobilie nach Aussage der Expertin nur durch unvorhergesehene Ereignisse möglich – beispielsweise durch den Bau einer Eisenbahnlinie neben dem Grundstück. Durch die Erbschaftsteuerreform sind nach Aussage von Just von der Deutschen Bank eher Objekte in wirtschaftlich schwächeren Gebieten begünstigt. Denn hier werden die Freibeträge schwerer erreicht als in den Ballungsräumen.