Parallele Minderheitsbeteiligungen im Fokus der Kartellbehörden
– Herr Kuhn, Verflechtungen zwischen Wettbewerbern über parallele Minderheitsbeteiligungen institutioneller Investoren wie BlackRock oder Vanguard sind in den Fokus der Kartellbehörden geraten. Was veranlasst die Wettbewerbshüter, hier genauer hinzusehen?Einige Stimmen, und so auch die Europäische Kommission in den jüngsten Agrarfusionsfällen, sind der Meinung, dass parallele Beteiligungen institutioneller Investoren, die normalerweise bei 0,1 bis 5 % liegen, den Wettbewerb zwischen den Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, mindern. Die Investoren hätten ein Interesse, den Wettbewerb zwischen den Beteiligungsobjekten zu dämpfen. Aber auch die Beteiligungsobjekte selbst wollen angeblich die Profite des gesamten Portfolios ihrer Anteilseigner maximieren, nicht nur die Profite des eigenen Unternehmens.- Haben parallele Beteiligungen wettbewerbswidrige Effekte?Es gab ein paar wenige Studien in den USA, die meinen, das nachgewiesen zu haben, beispielsweise, dass die Ticketpreise 3 bis 7 % bei US-Fluglinien höher seien, als dies ohne parallele Beteiligungen der Fall wäre. Die Ergebnisse der Studien werden aber von anderen Ökonomen und der Assetmanagement-Industrie heftig bestritten. Die empirischen Ergebnisse konnten nicht repliziert werden, und methodisch zeigen die Studien wohl allenfalls eine Korrelation von parallelen Beteiligungen und Preisveränderungen, weisen aber keine Kausalität nach. Bei den Fluglinien gab es über den beobachteten Zeitraum beispielsweise ganz wesentliche Marktveränderungen wie den 11. September, Insolvenzen von Fluglinien und so weiter, die sicher auch Auswirkungen auf die Preise hatten.- Kann man denn den Investoren Interessengleichheit unterstellen oder gar, dass sie sich abstimmen und die Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, zu weniger Wettbewerb anhalten?Pauschal sicher nicht, hier wird mit extrem vereinfachten Annahmen gearbeitet. Die kritisierten Investoren sind häufig Fondsgesellschaften, die mit zahlreichen Fonds (die wiederum verschiedene Investoren haben) in unterschiedlicher Höhe (in der Regel 0,1 bis 5 %) an einzelnen Unternehmen beteiligt sind. Die Fonds haben oft stark divergierende Investitionsstrategien, und manche Investoren sind nur an einzelnen Wettbewerbern und zum Teil auch deren Kunden beteiligt. Dann gibt es sicher kein einheitliches Interesse aller Investoren. Abstimmungen zwischen Investoren wurden bislang weder behauptet noch belegt. Die Investoren sprechen zwar mit ihren Portfoliogesellschaften, aber dass dort konkrete wettbewerbsrelevante Entscheidungen thematisiert werden, wurde bislang nicht nachgewiesen. Auch werden die Manager der Portfoliogesellschaften in der Regel nach dem Erfolg des eigenen Unternehmens bezahlt, nicht nach dem der gesamten Industrie. Sie haben also primär ein Interesse am Erfolg des eigenen Unternehmens, gerade auch im Verhältnis zu Wettbewerbern.- Rechnen Sie nun mit einer Erweiterung des kartellrechtlichen Instrumentariums?Ich glaube, hier muss erst weiter empirisch erforscht werden, ob sich wirklich eine Kausalität zwischen parallelen Minderheitsbeteiligungen institutioneller Investoren und wettbewerbswidrigen Effekten in den Industrien nachweisen lässt. In den USA werden vereinzelt konkrete Maßnahmen, etwa eine Begrenzung der Investitionsmöglichkeiten der institutionellen Anleger oder eine Anmeldepflicht solcher Minderheitsbeteiligungen, diskutiert. In der EU hat das Europäische Parlament eine Studie in Auftrag gegeben, um Wettbewerbseffekte paralleler Beteiligungen zu messen.- Ist die Diskussion also im Moment noch irrelevant für die Praxis?Nein. Obwohl die Empirie alles andere als klar ist und die Theorie offensichtlich erhebliche Schwächen hat, hat die Europäische Kommission in den Fällen Dow/DuPont und Bayer/Monsanto ganz grundsätzlich behauptet, parallele Minderheitsbeteiligungen in einer Industrie dämpften den Wettbewerb. Daher dürften künftige Zusammenschlüsse in konzentrierten Industrien mit signifikanten Parallelbeteiligungen schwieriger werden.—-Dr. Tilman Kuhn ist Partner von White & Case. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.