Bei China Evergrande zieht sich die Schlinge zu
nh Schanghai
Der in eine ernste Liquiditätskrise geratene chinesische Immobilienentwickler China Evergrande Group hat seine Investoren am Dienstag mit neuen Warnbotschaften zu drohenden Zahlungsausfällen verschreckt. Die in Hongkong notierte Evergrande verbuchte in der ersten Geschäftsjahreshälfte 2021 einen Rückgang des Gewinns nach Steuern um 29 % auf 10,5 Mrd. Yuan (1,4 Mrd. Euro). Dabei beeinträchtigte ein beschleunigter Verkaufsumschlag bei neuen Apartmenthausprojekten die Bruttomarge im Wohnimmobiliengeschäft. Allerdings haben fast alle großen chinesischen Bauträger im bisherigen Jahresverlauf Ertrags- und Margeneinbußen gespürt.
Da die Evergrande-Mitteilung am Dienstag nach Börsenschluss erfolgte, gab es keine unmittelbaren Kursreaktionen, allerdings hat Evergrande in diesem Jahr immer neue Tiefen ausgelotet und bereits 71% an Wert eingebüßt (siehe Chart). Die bereits tief im Keller stehenden Bonds der Evergrande Group standen am Dienstag weiter unter Verkaufsdruck. Gegenwärtig notieren Dollartitel mit Laufzeit bis 2025 nur noch bei 35 Cent zum Dollar, haben also rund zwei Drittel ihres Werts eingebüßt.
Wie das Evergrande-Management am Dienstag weiter betonte, wird gegenwärtig ein partieller Anteilsverkauf bei den ihrerseits separat in Hongkong gelisteten Tochtergesellschaften Evergrande Property Services und New Energy Vehicles sondiert. Darüber hinaus erwäge Evergrande einen weiteren Verkauf von Randaktiva und versuche auch neue Finanzinvestoren heranzuziehen und Refinanzierungslinien zu erneuern.
Allerdings sind Evergrandes Handlungsspielräume in den vergangenen Monaten immer weiter eingeengt worden, nachdem der Gruppe ein angestrebtes Listing ihrer Kerneinheit für Wohnimmobilienentwicklung, Hengda Real Estate, an der Börse in Shenzhen von Chinas Finanzregulatoren verwehrt worden war. Darüber hinaus musste Evergrande zusehen, wie ihre zeitweilig sehr hoch an der Börse bewerteten Töchter für Gebäudedienste und die Entwicklung von E-Fahrzeugen im Zuge der Sippenhaft mit der angeschlagenen Mutter drastisch an Wert verloren haben.
E-Auto-Panne
Besonders hart getroffen ist das Start-up-Unternehmen in der Elektromobilität. Hier hatte Evergrande im vergangenen Herbst noch vollmundig versprochen, dass es in wenigen Jahren den Platzhirsch Tesla als Marktführer bei elektrischen Premiumfahrzeugen ablösen werde. Tatsächlich aber ist die Gesellschaft noch weit davon entfernt, eine erste Produktion von elektrischen Serienfahrzeugen anzugehen, und steckt wegen der Evergrande-Probleme ihrerseits in einer Finanzierungsklemme. Dabei ist der Börsenmarktwert von Evergrande NEV nach einem Allzeithoch der Aktie im Februar von 87 Mrd. Dollar auf noch rund 7 Mrd. Dollar zusammengeschmolzen, so dass Evergrande auch im Falle einer Anteilsveräußerung keine großen Beträge mehr einsammeln können wird.