GASTBEITRAG

Bessere Compliance durch VerSanG: Nur wenn der Mensch dafür einstehen muss!

Börsen-Zeitung, 12.12.2019 Bei der Analyse des immer noch nicht allgemein zugänglichen Referentenentwurfs zum Thema: Sanktionen für Verbände (vulgo: Unternehmensstrafrecht) stellt man schnell fest, dass der Normadressat falsch gewählt ist. Wohl sind...

Bessere Compliance durch VerSanG: Nur wenn der Mensch dafür einstehen muss!

Bei der Analyse des immer noch nicht allgemein zugänglichen Referentenentwurfs zum Thema: Sanktionen für Verbände (vulgo: Unternehmensstrafrecht) stellt man schnell fest, dass der Normadressat falsch gewählt ist. Wohl sind die Ziele des VerSanG richtig gewählt, nämlich: Aufforderung zu gesetzeskonformem Verhalten der handelnden Personen, Motivation zu präventiven und begangene Vergehen heilenden Compliance-Verbesserungen, gezielte und verhältnismäßige Sanktionierung von erwiesenem Fehlverhalten.Die für die Umsetzung Verantwortlichen werden im Referentenentwurf als “Leitungspersonen” benannt. Das sind alle unmittelbar für ordnungsgemäße Compliance verantwortliche Personen, aber auch die im § 30 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten) genannten Kontrollorgane des “Verbands” (also Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer etc).Eine Nichtbeachtung der Compliance-Vorgaben soll sanktionsmäßig jedoch einen “Anonymus” treffen. Der heißt “Verband”, gemeint ist also das Unternehmen. Mit wohl politisch motivierter Semantik soll fortan “kriminelles Verbandsverhalten” mit deutlich ausgeweiteten “Strafen” statt “Bußen” geahndet werden, ohne damit aber die unmittelbaren Verursacher und deren Kontrolleure zu treffen. Sowohl im Referentenentwurf als auch in dem kurz danach erschienenen “Münchener Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes” wird nämlich der Regress auf die fehlhandelnden Menschen ausdrücklich ausgeschlossen.Im Ergebnis führt das aber dazu, dass allein die das Unternehmen finanzierenden Aktionäre (und indirekt auch die für Compliance-Fehler nicht verantwortlichen weiteren Stakeholder) die Strafe zu tragen haben. Die Aktionäre müssten dann das stumpfe Schwert einer Verfolgung nach §§ 93, 116, 148 AktG bemühen oder sogar den noch komplexeren Weg der Sonderprüfung (§ 142 AktG) beschreiten, damit Vorstand und Aufsichtsrat eine finanzielle Mitverantwortung auferlegt ist. Das ist auch deswegen kaum akzeptabel, weil sie durch erwartbare Kursreaktionen und potenzielle Dividendenkürzungen schon ausreichend getroffen werden. Dieses Ergebnis ähnelt anderen Gesetzesvorhaben jüngeren Datums: So dürfen laut ARUG II die Aktionäre zwar die von mitbestimmten Aufsichtsräten ausgelobten Vorstandsbezüge und reichliche Abfindungen bezahlen – egal ob wirklich verdient oder nur einem von eilfertigen Vergütungsberatern empfohlenen Durchschnitt entsprechend. Auch wenn das Erstrecht und die Erstverantwortung hierfür zutreffend beim Aufsichtsrat angesiedelt sind, sollte den die Vergütungen leistenden Aktionären ein verbindliches Votum zu dem vom Aufsichtsrat ausgedachten Vergütungssystem eingeräumt werden.Wie sollte nun eine verursachungsgerechte und den vorgenannten Hauptzielen dienende Sanktionierung von Compliance-Fehlern und Fehlverhalten aussehen, die gleichzeitig verhaltenssteuernd wirkt und systemkohärent ist? Falls in Verfolgung des politischen Willens wirklich das Unternehmen vorrangig bestraft werden soll, dann darf das Gesetz Regressansprüche nicht explizit ausschließen, sondern muss vielmehr den aktienrechtlichen Regressanspruch stärken, damit die verursachenden Personen zumindest einen Teil der Strafzahlungen als Wiedergutmachung leisten müssen. Unabhängig davon, wie die Sanktion materiell-rechtlich qualifiziert wird, ist durch eine Berichterstattungspflicht im Geschäftsbericht und im Bericht an die HV darzulegen, welche Sanktionszahlungen seitens des Unternehmens geleistet wurden und inwieweit Regressansprüche geltend gemacht wurden. Nur durch eine solche Offenlegungs- und Berichtspflicht kann eine tatsächliche verhaltenssteuernde Wirkung der handelnden Personen gesetzesmäßig erreicht werden. Fortentwicklung eine OptionBraucht es dafür unbedingt ein neues Gesetz? Schon im Sinne der Systemkohärenz könnte nämlich das OWiG durch Anlehnung an das Bankaufsichtsrecht fortentwickelt werden. Zwar sieht das KWG in § 54 KWG ebenfalls ein Strafverfahren vor. Der überwiegende Teil der Pflichtverletzungen wird aber im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens mit Bußgeldern bis 20 Mill. Euro oder 10 % des Gesamtumsatzes für die juristische Person geahndet (§ 56 KWG). Zuständige Verfolgungsbehörde ist in diesem Fall die BaFin, in deren pflichtgemäßem Ermessen die Verfolgung, die Strafzumessung, aber auch eine Einstellung stehen.Schließlich ist noch zu fragen, durch wen die Strafverfolgung und Strafzuweisung erfolgen sollte. Die gegenwärtig vorliegenden Entwürfe sehen zwingend die Staatsanwaltschaften als zuständig. Deren fachliche Expertise müsste dann durch eine Konzentration auf Schwerpunktstaatsanwaltschaften gewährleistet sein. Auch würde mit dieser Zuweisung das bei der derzeitigen OWiG-Regelung bemängelte Opportunitätsprinzip des “Nord/Süd Gefälles” erledigt, obwohl eine Handlungspflicht aber genauso im OWiG festgelegt werden kann. Die Sanktionierung und die Angemessenheit der Strafhöhe sollte durch eine Behörde wie die BaFin erfolgen, die die Vorgänge besser einordnen dürfte als eine nur gelegentlich mit solchen Fragestellungen befasste Kammer für Handelssachen. Auf Verursacher zielenFazit: Anstelle einer politisch motivierten Bestrafung der “Unternehmen” sind die tatsächlich verursachenden Personen durch gesetzlich vorzusehende, individuelle Regressmöglichkeiten und Berichtspflichten zu besserem Compliance-Verhalten zu veranlassen. Durch gezielte Erweiterungen des OWiG in Anlehnung an systemkohärente, erprobte Sanktionierungswege wie das KWG steht eine praxisnahe Alternative für die richtige Verfolgung der Kernanliegen zur Verfügung. Christian Strenger, Akademischer Direktor am Center for Corporate Governance, HHL Leipzig und Julia Redenius-Hövermann, Associate Professorin für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht an der Frankfurt School