Kartellfälle rücken in den Hintergrund
Die Summe der EU-Bußgelder wegen Preisabsprachen zwischen Wettbewerbern fällt 2018 deutlich geringer aus als in den beiden Vorjahren. Die EU-Kommission hat jedoch zahlreiche Entscheidungen wegen des Missbrauchs marktbeherrschender Positionen gefällt – und teils drakonische Strafen verhängt.fed Frankfurt – Europas oberste Wettbewerbshüter haben auch im nun zu Ende gehenden Jahr hohe Strafen gegen Unternehmen verhängt, die durch ihr Verhalten am Markt den Wettbewerb einschränken wollten. Auf fast 6,3 Mrd. Euro addieren sich die Geldbußen, zu denen die EU-Kommission in den vergangenen zwölf Monaten auf dem europäischen Markt tätige Unternehmen verdonnert hat. Allerdings entfällt nur ein geringer Anteil – etwa ein Achtel – auf klassische Kartellfälle, also auf Absprachen zwischen Unternehmen ein und derselben Branche über Preise, Konditionen oder die Aufteilung von Märkten. Wesentlich üppiger fallen die Strafen aus, die die EU-Kommission wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verhängt hat – insbesondere in den Fällen Google Android und Qualcomm.Was die klassischen Kartellfälle angeht, so brachte die EU-Kommission 2018 gerade einmal vier Kartellverfahren zum Abschluss – so wenig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Bemerkenswerterweise drehte es sich dabei vor allem um Geschäftspartner und Zulieferer der Automobilindustrie – im Kartell der Zündkerzenhersteller genauso wie bei den heimlichen Verabredungen der Produzenten von Bremssystemen oder dem Geheimbündnis der auf Kraftfahrzeugtransport spezialisierten Schifffahrtsunternehmen. Autobranche im FokusSogar das Kartell der Hersteller von Kondensatoren beliefert die Autobranche, wenngleich natürlich nicht ausschließlich, denn Kondensatoren kommen auch in Turbinen und Maschinen zum Einsatz. Gleichwohl dürfte es kein Zufall sein, dass Autozulieferer seit Jahren sozusagen zur festen Kundschaft der Kartellwächter zählen, ist doch die oligopolistisch organisierte Kfz-Branche besonders anfällig. Der Blick zurück auf die größten Kartellfälle seit 2000 (siehe Grafik) veranschaulicht die besondere Rolle der Automobilbranche – Windschutzscheiben, Wälzlager, Lastkraftwagen. Hinzu kommen viele kleine Kartelle, die in den vergangenen Jahren ausgehoben wurden: Sicherheitsgurte, Lenkräder, Airbags, Motorkühlungen und Fahrzeugleuchten – die Liste ist lang.Die Höhe der Strafen blieb – ähnlich wie die Zahl der abgeschlossenen Fälle – im nun endenden Jahr deutlich hinter den Vergleichswerten vergangener Jahre zurück. Die höchste Buße wurde im Fall der Kfz-Seetransportfirmen ausgesprochen. Sie müssen 395 Mill. Euro berappen. 4,3 Mrd. Euro Buße für GoogleEine Strafe in ganz anderer Größenordnung wurde gegen den US-Konzern Google verhängt. Das Unternehmen muss mehr als 4,3 Mrd. Euro zahlen, weil die EU-Kommission zur Ansicht gelangt ist, dass Google den Herstellern von Android-Geräten und Betreibern von Mobilfunknetzen bereits seit 2011 in rechtswidriger Weise Einschränkungen auferlegt, um seine dominante Marktposition zu festigen. Durch als “Kopplungspraktiken” beanstandete Verhaltensweisen habe der Konzern Hersteller davon abgehalten, konkurrierende Suchmaschinen auf ihren Geräten zu installieren.Ebenfalls tief in die Tasche greifen muss der US-Konzern Qualcomm. Die Strafe dafür, dass Qualcomm hohe Zahlungen an Apple unter der Bedingung leistete, dass Apple bestimmte Chipsätze nicht bei der Konkurrenz einkauft, beläuft sich auf fast 1 Mrd. Euro. Das Problem der Verabredung sei gewesen, dass Qualcomm seinem Hauptkunden nicht kurzfristige Preisnachlässe gewährte, sondern durch eine Ausschließlichkeitsbedingung Wettbewerbern die Chance verwehrte, mit eigenen Angeboten bei Apple zu punkten. Neben diesen spektakulären Fällen fassten die EU-Wettbewerbshüter viele andere Beschlüsse, um Unternehmen zu bestrafen, die ihre Marktposition unlauter eingesetzt haben – etwa einen bulgarischen Versorger, der Firmen den Zugang zu Energie- Infrastruktur versagte. Blick nach vorneBleibt zum Schluss der Blick nach vorne: Im nun beginnenden Jahr könnte die Summe der Strafen aus klassischen Kartellverfahren wieder steigen. Denn im Herbst hat die Brüsseler Behörde drei Kartellverfahren eingeleitet, die potenziell hohe Bußen nach sich ziehen könnten. Im September leitete die EU-Kommission die förmliche Prüfung wegen Absprachen zwischen BMW, Daimler und VW über den Einsatz bestimmter Katalysatoren und Filter ein. Im November startete sie ein Verfahren zum Vertrieb von Flugtickets. Und im Dezember versendete die EU-Behörde ihre Beschwerdepunkte wegen des Verdachts eines Händlerkartells für bestimmte Dollaranleihen. Die Deutsche Bank ist daran dem Vernehmen nach beteiligt, kann aber auf Strafbefreiung hoffen, weil sie Finanzkreisen zufolge als Kronzeuge agiert.