Lichtblicke für Italiens Autoindustrie
Von Gerhard Bläske, Mailand
Italiens Autoindustrie ist seit Jahrzehnten im Niedergang. Mit einer Jahresproduktion von 780000 Fahrzeugen war das Land 2020 nur noch siebtgrößter Hersteller in Europa. Umso hoffnungsvoller blickt die Branche nun auf zwei Investitionsprojekte in Milliardenhöhe.
Die chinesische FAW hat angekündigt, mit der US-Engineering-Gesellschaft Silk Ev 1 Mrd. Euro für den Bau einer Automobilfertigung und eines Forschungs- und Entwicklungszentrums in der norditalienischen Emilia-Romagna investieren zu wollen. Geplant ist die Produktion einer Modellreihe von Elektro-Boliden für die Luxusmarke Hongqi. Mit Ex-Audi- und VW-Chefdesigner Walter de Silva haben die Partner einen bekannten Namen gewonnen.
Ein weiteres Großvorhaben ist die Ankündigung von Italvolt, im ehemaligen Olivetti-Werk bei Ivrea in Piemont für zunächst 4 Mrd. Euro eine Riesenfabrik zur Fertigung von Lithium-Ionen-Batterien für die Autoindustrie und ein Forschungs- und Entwicklungszentrum bauen zu wollen. Die Kapazität von zunächst 45 GWh könne in einer zweiten Stufe auf 70 GWh erweitert werden. Die laut Carlstrom größte Batteriefabrik Europas soll 2024 fertig sein und 4000 Beschäftigte haben. Weitere 15000 Arbeitsplätze sollen im Umfeld entstehen. Für die Konzeption des Werkes ist die Designschmiede Pininfarina verantwortlich, für die Lieferung innovativer Technologien und den Bau eines Forschungs- und Entwicklungszentrums das zum Autokonzern Stellantis gehörende Robotikunternehmen Comau.
Italienische Automobilexperten begrüßen die Projekte, haben jedoch in Bezug auf die Batteriefabrik erhebliche Zweifel. Bernardo Bertoldi, Professor an der Universität Turin, würde das Vorhaben schon wegen des „enormen Technologietransfers“ begrüßen. „Ich habe jedoch viele Zweifel. Ingenieurtechnisch ist das eine enorme Herausforderung mit vielen komplexen Elementen, logistischen Problemen und einem hohen Energiebedarf, was angesichts der hohen Energiekosten, die wir in Italien haben, kaum realistisch erscheint. Und es bräuchte dafür enorme öffentliche Unterstützung.“ Auch Francesco Zirpoli, Professor an der Universität Venedig, ist skeptisch: „Das Projekt hat viele Elemente, die zu klären sind, um seine wirkliche industrielle Bedeutung beurteilen zu können“, meint er.
Italvolt-Eigner und CEO Carlstrom verweist auf die Unterstützung von Piemontes Ministerpräsident Alberto Cirio und vieler Industrieller. Konkrete Zusagen für öffentliche Hilfen oder Partner gibt es bisher nicht. Er hat derzeit erst 5 Mill. Euro zur Verfügung und sucht Investoren. Seine Hoffnungen dürften auf dem EU-Wiederaufbauprogramm ruhen.
Viel positiver sehen die Automobilexperten das FAW-Projekt. „Es setzt auf das starke Know-how in der Emilia-Romagna im Bereich Engineering, Produktion und Forschungs- und Entwicklungsstrukturen, zu denen sich sehr spezialisierte Unternehmen im Motorsport gesellen“, sagt Zirpoli. Zudem sei das Vorhaben „sehr kohärent mit anderen Erfolgen der letzten Jahre wie beispielsweise Investitionen bei Lamborghini“.
Die Emilia-Romagna hat sich vor allem im Bereich Motorsport sehr gut entwickelt und kommt mit 90000 Beschäftigten in der Autobranche auf einen Umsatz von 16 Mrd. Euro. Neben Ferrari und Maserati produzieren hier die VW-Marken Lamborghini und Ducati sowie Haas, Magneti Marelli und Toro Rosso. Herzstück von Italiens Autoindustrie ist Piemont, wo es zwei unterausgelastete Werke des neuen Autokonzerns Stellantis, Fertigungsstätten des Landmaschinen- und Nutzfahrzeugkonzerns CNH Industrial, die Karosseriebauer und Designer Pininfarina und Italdesign (VW) sowie wichtige Zulieferer des Stellantis-Konzerns gibt. Nach Einschätzung Bertoldis ist die Branche in der Region, die für 40% der Autoindustrie des Landes steht, „sehr stark traditionell mechanisch aufgebaut und muss sich an das starke Wachstum im Bereich der Elektrifizierung anpassen“. In dem Zusammenschluss von FCA mit PSA sieht er Chancen, „die Kapazitäten der Werke besser zu nutzen“.