Prestige-Herbstauktionen spielen Rekorde ein
Die führenden Auktionshäuser verzeichnen neue Rekorde in ihren Herbstauktionen. Sobald höchste Qualität und äußerste Rarität der Kunstwerke gewährleistet sind, werden Spitzenpreise erreicht.Von Anna Perucki, Frankfurt Die Prestige-Herbstauktionen in New York sind mit großer Spannung erwartet worden, und obwohl allein in den Auktionen zeitgenössischer Kunst bei Sotheby’s, Christie’s und Phillips de Pury über 1 Mrd. Dollar Gesamtumsatz eingespielt wurden, erfüllten sich die Erwartungen trotz vieler weiterer Erfolgsmeldungen nicht ganz. Zielpreis verfehltInsgesamt wurden in der Abendauktion mit Impressionisten und Kunst der klassischen Moderne bei Christie’s 204,8 Mill. Dollar umgesetzt. Damit verfehlte diese Summe die untere Erwartung von 209 Mill. Dollar. Zu erwähnen ist die Praxis der Auktionshäuser, die Schätzpreise ohne Aufgeld, die Endergebnisse aber schon inklusive Käufergebühren anzugeben.Bei Sotheby’s wurden insgesamt 163 Mill. Dollar umgesetzt, der Gesamtumsatz in der Auktion impressionistischer und moderner Kunst lag damit unter den Erwartungen von 169 Mill. bis 245 Mill. Dollar. Picassos Stillleben mit Tulpen “Nature Morte aux Tulipes” erzielte den Preis von 41,5 Mill. Dollar. Die Erwartungen für dieses Bild lagen bei 30 bis 50 Mill. Dollar. Wäre das Bild marktfrisch gewesen, hätte es weit mehr bringen können, die Rede war sogar von 75 Mill. Dollar.Bei seiner letzten Versteigerung 2000 hatte das Bild 28,6 Mill. Dollar, inklusive Aufgeld, gekostet. Der Besitzer Stephen A. Wynn, Milliardär und Kasinobetreiber, hatte das Bild mehrfach angeboten und es damit für Sammler etwas weniger interessant gemacht. Der Picasso steuerte fast die Hälfte des Umsatzes, nämlich 81,3 Mill. Dollar, zu den Abendeinnahmen bei. Anfangs unter Erwartung . . .Die Ergebnisse der New Yorker Auktionen für Impressionisten und Moderne blieben unter den Erwartungen. Bei Sotheby’s kämpften die Bieter um die wenigen außergewöhnlichen Werke. Marktbekannte und im Handel zu oft herumgereichte Bilder sind nicht interessant und werden links liegen gelassen, auch wenn es sich dabei um Picasso, Monet oder andere potenzielle Publikumsmagnete handelt. Die Menschen sind immer noch bereit, viel Geld für marktgerecht bewertete Gemälde und Skulpturen auszugeben. Das hohe Endergebnis wird von beiden Auktionshäusern mit einigen wenigen Werken, die aber zu sehr hohen Preisen, erreicht.Bei Christie’s zum Beispiel stieg die Zahl der zu Preisen über 10 Mill. Dollar verkauften Werke binnen eines Jahres von 18 auf 26. Das Spitzensegment legt zu. Für intelligent taxierte Meisterwerke ist der Markt weiterhin sehr lebhaft. Die Werke waren aber in beiden Abendauktionen generell entweder zu hoch taxiert oder nicht ganz marktfrisch. . . . später weit darüberIn der Auktion der zeitgenössischen Kunst wurden bei Sotheby’s viele Werke über dem Schätzwert verkauft, zugleich fielen einige Rekorde. Das Auktionshaus spricht von der erfolgreichsten und umsatzstärksten Einzelauktion in der 268-jährigen Geschichte des Unternehmens. Es wurden 375 Mill. Dollar generiert; Bilder von Francis Bacon, Gerhard Richter, Andy Warhol, Willem de Kooning oder Franz Kline übertrafen gleich reihenweise die oberen Schätzungen. Die obere Schätzgrenze von 374,8 Mill. Dollar wurde überschritten. Der bisherige Rekord lag bei 362 Mill. Dollar, die im Mai 2008 eingenommen wurden. Zum Spitzenreiter wurde ein Gemälde von Mark Rothko, das weit oberhalb des Schätzwertes den Spitzenpreis von 75,1 Mill. Dollar abgeworfen hat.In der Versteigerung der Nachkriegs- und zeitgenössischen Kunst bei der börsennotierten Sotheby’s einen Tag später haben sich unglaubliche 92 % der Werke verkauft. Die Auktion brach alle Rekorde und hat mit 412,3 Mill. Dollar alle Erwartungen übertroffen (obere Schätzung lag bei 411,8 Mill. Dollar). Diese Summe markiert das beste je erreichte Resultat für zeitgenössische Kunst in der Geschichte des Unternehmens.Die Spitze des Zeitgenossenmarktes bleibt weiterhin sehr stark, da Sammler ihr Geld in verlässliche Kunst investieren. Die breite Basis dagegen hat weiterhin zu kämpfen. Es verkaufen sich nur absolute Spitzenwerke. Der Markt ist weniger spekulativ als vor Ausbruch der weltweiten Krise. Qualität ist Trumpf. Schon die Halbjahreszahlen zeigen die anhaltende Nachfrage nach Spitzenwerken. Spitzenwerke gesuchtDas Auktionshaus Christie’s lieferte in den ersten sechs Monaten 2012 das beste Halbjahresergebnis (in Pfund) in der Geschichte des Hauses, das 1766 gegründet worden ist. Christie’s verzeichnete im ersten Halbjahr 2012 einen Gesamtverkauf von Kunst und Antiquitäten von 2,2 Mrd. Pfund und damit eine Steigerung um 13 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. In Dollar gerechnet handelte es sich mit 3,5 Mrd. Dollar Umsatz immer noch um 11 % mehr. Einen großen Anteil, wie schon im Jahre 2011, verzeichneten die Private Sales. Die diskret abgewickelten Privatverkäufe generierten einen Umsatz von 661,5 Mill. Dollar und damit ein Plus von über 50 %. Der Anteil aus dem Auktionsgeschäft beträgt 2,8 Mrd. Dollar.In Dollar gerechnet liegt die Saison gleich mit dem bisherigen Markthöhepunkt des ersten Halbjahres 2008. Damals wurden zwar “nur” 1,8 Mrd. Pfund eingenommen, die aber vor der Finanzkrise noch 3,5 Mrd. Dollar entsprachen. Mehr PrivatverkäufeDas Konkurrenzhaus Sotheby’s verlor Marktanteile an Christie’s und verzeichnete im ersten Halbjahr 2012 einen um 12,7 % auf 2,99 Mrd. Dollar gesunkenen Umsatz.Die Raten der privaten Verkäufe steigen auch bei Sotheby’s kontinuierlich seit 2008. Mittlerweile machen diese 17,1 % des gesamten Umsatzes aus und lagen bei 513,6 Mill. Dollar, was einem Plus von 14,5 % entsprach.Das Ergebnis fällt auch wegen eines Basiseffekts so schwach aus, weil Sotheby’s ein großartiges Ergebnis im zweiten Quartal 2011 mit einer Umsatzsteigerung von 48 % eingefahren hatte. Dies war das beste Ergebnis der Firmengeschichte. Und auch die Versteigerungen im Mai brachten Sotheby’s mit 330,6 Mill. Dollar (Erwartungen lagen bei 246 bis 323 Mill. Dollar) das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte des Unternehmens.Allerdings wurde in dieser Auktion der höchste jemals erreichte Auktionspreis für ein Bild von Edvard Munch mit 119,9 Mill. Dollar erzielt. Noch höhere Preise werden aber hinter verschlossenen Türen erzielt. Zuletzt soll der Scheich von Katar mehr als 250 Mill. Dollar für das Bild “Kartenspieler” von Paul Cézanne ausgegeben haben.Die Markthöhepunkte der Versteigerungen im Jahre 2008, kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise, werden kontinuierlich übertroffen oder zumindest erreicht. Nicht nur New York läuft gut, im Mai wurden auch bei den großen Auktionen in London Spitzenpreise erreicht. Christie’s erzielte mit 80,6 Mill. Pfund das zweitbeste Ergebnis einer Londoner Auktion der Contemporary Art.Es ist nicht zu übersehen: Die meisten Topwerke der New Yorker und Londoner Hauptveranstaltungen gehen an Privatkunden, und die Gewinne aus den diskreten Verkäufen steigen. Neben dem Vormarsch der Private Sales gibt es Wachstum bei Finanzdienstleistungen. Die Bereitschaft der Unternehmen, Kunst zu beleihen, steigt, ebenso der Bedarf für solche Kunstkredite.In Asien schlägt die wirtschaftliche Verlangsamung am direktesten auf den Kunstmarkt durch, doch trotz unsicherer Wirtschaftslage bleibt die Nachfrage nach Kunst bemerkenswert.Der Nachschub an Spitzenwerken unterliegt starken Schwankungen. Um die Umsätze der vergangenen Jahre zu generieren, müssen interessante Sammlungen auf den Markt kommen. Dies wird aber schwierig in finanziell volatilen Phasen, wie Wirtschaftskrisen, denn dann halten viele Sammler an ihren Kunstwerken als Anlage fest.Der Markt wird vorsichtiger. Marktfrische, Rarität, Attraktivität und Spitzenqualität sind Voraussetzungen für das Interesse der Händler und Sammler. Das Konservative und “Typische” ist ein sicherer Verkaufsgarant. Interessante Provenienz zahlt sich aus. PromibonusVor ein paar Wochen ist ein weiterer Rekord für das Werk eines lebenden Künstlers gefallen. 21,3 Mill. Pfund (34,9 Mill. Dollar), das Aufgeld eingerechnet, bezahlte der Käufer bei Sotheby’s in London für ein Werk von Gerhard Richter. Die Taxe lag bei 9 bis 12 Mill. Pfund. Die Provenienz des Bildes mit Eric Clapton als Vorbesitzer hat den Preis sicherlich in die Höhe getrieben. “Die Tatsache, dass es aus Claptons Sammlung stammt, könnte den Preis um 20 % erhöht haben” sagte Christophe Van de Weghe, ein New Yorker Kunsthändler, dem Newsportal “Bloomberg News”. Der Musiker hatte das Werk im November 2001 bei Sotheby’s in New York für 3,4 Mill. Dollar gekauft. Auktionshäuser unter DruckDas globale Marktvolumen wurde im letzten Jahr auf 60 bis 65 Mrd. Dollar beziffert. Etwa die Hälfte des Umsatzvolumens wird durch den Kunsthandel generiert und nicht öffentlich dokumentiert. Der Umsatzanteil der beiden renommierten Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s beträgt zusammen etwa die Hälfte des Auktionsmarktes. Die Indizes und die Zahlen der führenden Auktionshäuser beweisen die globale Expansion des Kunstmarkts und dessen Erfolge. Zurückgegangene, also gescheiterte Kunstwerke werden allerdings in der Statistik nicht erfasst. Keiner weiß auch, wie viele Werke Sotheby’s, Christie’s und Co. ablehnen, weil sie von vornherein wissen, dass alles, was unter einem “Blue Chip” liegt, sich nur schlecht bis gar nicht verkaufen lässt. Dies wiederum passt nicht in die Statistik der Erfolge, die unbedingt vermeldet werden müssen, weil diese die Markttrends setzen sollen, und auch um die eigene Bilanz positiv zu halten.Oft fehlt es an Bietern – dies sieht man an den unwiderruflichen Geboten, die zur Absicherung der vom Auktionshaus vergebenen Garantien angegeben werden. Die Anteile von Losen, die mit komplexen und wenig transparenten Finanzdeals durch dritte Parteien abgesichert sind, steigen kontinuierlich. UnsicherheitAuch die Rückgangsquoten von fast 30 % zeigen, dass Unsicherheit, Zurückhaltung und Abwarten eine große Rolle spielen. Viele der exorbitanten Preise werden nicht durch ihre Ausnahmequalität und kunsthistorische Bedeutung erzielt, sondern weil sie von den Bietern wie “Kriegstrophäen” behandelt werden. Außer Frage steht, dass eine neue globale Kundschaft aus den Schwellenländern die Preise im obersten Segment in die Höhe treibt. Seit 2011 hat China 30 % am Marktanteil erobert und sich vor die USA an die Spitze gesetzt.Es darf aber nicht vergessen werden, dass die Auktionshäuser ihr Geld mit Aufschlägen verdienen. Der Käufer muss bei einem Hammerpreis bis 50 000 Dollar 25 % Aufgeld zahlen, zwischen 50 001 Dollar und 1 Mill. 20 % und von 1,01 Mill. an 12,0 %.Die Höhe des Kommissionsprozentsatzes kann bei Verhandlungen mit den Einlieferern variieren, um sich wertvolle Sammlungen zu sichern. Der Konkurrenzdruck drückt diesen Prozentsatz, den das Unternehmen verdient. Die Erzrivalen versuchen, sich gegenseitig zu überbieten.Der Markt scheint trotz aller Erfolgsmeldungen nicht besonders solide zu sein und reagiert weiterhin allergisch auf Stücke zweiter Wahl. Es gibt eine enorme Nachfrage nach erstklassigen Objekten. Die Auktionshäuser werden alles tun, um sie zu bekommen.